Die SPD-Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
Scharfe Kritik an Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) aus der Opposition: Der Minister habe einen einstimmigen Landtagsbeschluss zum Fachkräftemangel im Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) aus dem Juni 2023 ignoriert. Die SPD rief deswegen das Parlament auf, die „unterlassene Umsetzung“ des Beschlusses zu missbilligen. FDP und SSW sahen das ähnlich, die schwarz-grüne Koalition lehnte dies jedoch ab. Der Minister gestand Fehler ein und betonte, sein Haus arbeite daran, die Vorgaben des Parlaments in die Tat umzusetzen.
Der Vorgang: Vor einem Jahr hatte der Landtag auf Initiative von CDU und Grünen das Ministerium aufgefordert, ein Konzept zur Aus- und Fortbildung von Bus- und Bahnpersonal zu entwickeln. Außerdem sollte das Ministerium Vorschläge erarbeiten, „um die Tätigkeit des Bus- oder Bahnpersonals familienfreundlicher zu gestalten und die Kinderbetreuung zu verbessern“. Beides sei aber nicht geschehen, moniert die SPD. Das gehe aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Sozialdemokraten hervor. Dort erklärt das Verkehrsministerium, dass ein Aus- und Fortbildungskonzept „weder erfolgversprechend noch zielführend“ sei. Zum Punkt Familienfreundlichkeit heißt es: „Vorschläge, die sich konkret auf die Kinderbetreuung des Bus- und Bahnpersonal beziehen, wurden seitens des Landes nicht erarbeitet.“ Damit habe das Ministerium „in eigener Verantwortung“ entschieden, „Beschlüsse des Landtags zu ignorieren“, so die SPD.
Midyatli kontra Ruhe Madsen
Eine solche „Mischung aus Dreistigkeit, Faulheit und Arroganz“ sei ihr in 15 Jahren im Parlament noch nicht begegnet, sagte die Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli jetzt in der Debatte: „Das nenne ich Arbeitsverweigerung.“ Die Beschlüsse des Landtages seien „nicht trivial“, und die Regierung habe sich laut Landesverfassung daran zu halten. „Ich und die Mitarbeiter meines Hauses sind keine Arbeitsverweigerer“, erwiderte Minister Ruhe Madsen. Er gestand ein, dass die Antwort seines Ministeriums auf die Kleine Anfrage „zu knapp und zu schroff“ ausgefallen sei: „Dafür entschuldige ich mich.“ Er werde den Auftrag des Landtages „selbstverständliche abarbeiten“. Einiges sei bereits geschehen, und er werde zudem ein „Gesamtkonzept“ zum Fachkräftemangel im ÖPNV vorlegen.
Es gehe der SPD nicht um die Sache, sondern um die „persönliche Attacke“, befand Lukas Kilian (CDU). Die Sozialdemokraten hätten „im Regal komplett danebengegriffen“ und versuchten, mit dem Vorwurf der Faulheit die Politik insgesamt verächtlich zu machen. Das sei in der heutigen Zeit verantwortungslos. Nelly Waldeck (Grüne) nannte es „ärgerlich“, dass die Kleine Anfrage den Eindruck vermittelt habe, der Parlamentsauftrag werde nicht umgesetzt. Tatsächlich sei in der Sache viel passiert. Den Aufruf der SPD zur Missbilligung des Ministers wies sie zurück. Das sei „ein ziemlich scharfes Schwert für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage“.
SSW: „demokratieschädigend“, „nicht tolerierbar“
FDP und SSW sprangen hingegen den Sozialdemokraten zur Seite. Christopher Vogt (FDP) sprach von einer „ganzen Reihe von Vorgängen“, die einen Mangel an Respekt der Landesregierung gegenüber Parlament und Verfassung zeigten. Auch andere Beschlüsse, etwa zur A20 oder zur Förderung von Musikschulen, würden nicht umgesetzt, und Anfragen würden oft nicht vollständig beantwortet. „Der Landtag ist keine untergeordnete Behörde der Landesregierung“, betonte Vogt.
Sybilla Nitsch (SSW) nannte das Verhalten der Regierung „demokratieschädigend“ und „nicht tolerierbar“. Sie wies darauf hin, dass auch ein „unmissverständlich formulierter“ Beschluss aus dem Jahr 2022 gegen die unterirdische CO2-Speicherung mittels der CCS-Technologie von der Landesregierung nicht eingehalten worden sei.