Bei einer Demonsrtration wird ein Plakat mit dem bunten Schriftzug „Demokratie braucht uns“ hochgehalten.
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Foto: dpa, Andreas Arnold
Um Desinformation, Gleichgültig und extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken, soll die „Demokratiebildung“ an Schleswig-Holsteins ausgebaut werden. Darüber herrscht breite Einigkeit im Landtag. Die SPD hatte die Debatte mit einem „Rahmenkonzept“ angestoßen, die Koalition legte eigene Schwerpunkte vor. Ein konkreter Anlass: Bei der jüngsten Europawahl und auch der parallel ausgerichteten Juniorwahl hatten extremistische und populistische Parteien zugelegt. Nach einer angeregten Debatte kamen die Abgeordneten überein, das Thema im Bildungsausschuss weiter zu beraten.
Der SPD-Abgeordnete Martin Habersaat hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteischen Landtages.
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
„Die Menschen sind nicht von Natur aus demokratisch, sie werden nicht als Demokratinnen und Demokraten geboren“, sagte Martin Habersaat (SPD). Er schlug vor, die Prinzipien der Demokratie-Kitas auf die Schule zu übertragen. Nach dem Willen der SPD soll jede Schule eine Schulverfassung bekommen, in der die Rolle der Klassenräte, Klassensprecherkonferenzen und Schulkonferenzen niedergeschrieben wird. Lehrer sollen eine respektvolle Streitkultur vermitteln, aktuelle politische Themen im Unterricht behandeln und „abstrakte Konzepte“ wie Demokratie und Menschenrechte anschaulich erklären. Zudem sollen kommunalpolitische Fragen eine größere Rolle spielen, vor Wahlen sollen Kandidaten eingeladen werden, und es soll Kooperationen mit Partnern aus dem Bereich politische Bildung geben.
Ministerin gegen Regelung „von Oben“
Vieles davon gebe es schon, erwiderte Martin Balasus (CDU). „Die Schulen haben alles, was sie brauchen“, es sei nicht nötig, ihnen „noch ein neues Konzept überzustülpen“. Balasus verwies darauf, dass zahlreiche Schulen bereits Schwerpunkte wie Europaschule, Schule gegen Rassismus oder UNESCO-Schule hätten.
Auch Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sprach sich gegen eine „Kindergartisierung der Grundschule“ aus. Es könne viel besser vor Ort entschieden werden, wie Demokratiebildung vermittelt wird, anstatt von Oben strikte Regeln vorzugeben. Mit Blick auf die jüngsten Ergebnisse bei Jungwählern warnte die Ministerin vor einem zu harten Urteil: „Wir müssen uns dafür hüten, jungen Menschen zu unterstellen, sie seien nicht fähig, substantielle Wahlentscheidungen zu treffen.“
Koalition für „Schülerfeedbacks“
Die Koalition regte in einem Alternativantrag „Schülerfeedbacks“ und ein detaillierteres „Gewaltmonitoring“ an, in dem extremistische und rassistische Vorfälle erfasst werden. Außerdem fordern CDU und Grüne mehr außerschulische Lernorte und eine Stärkung der Medienkompetenz. Das Ziel müsse eine ausgeprägte „Widerstandsfähigkeit gegenüber extremistischen Tendenzen und Verschwörungstheorien“ sein, sagte Malte Krüger (Grüne). Bildung sei „die beste Schutzimpfung“ gegen Extremismus.
Christopher Vogt (FDP) griff den SPD-Antrag auf und sprach sich dafür aus, die demokratische Teilhabe „altersangemessen“ zu gestalten: „Verfassung, Geschäftsordnung – vielleicht geht das auch etwas schlanker.“ Grundsätzlich bräuchten Schulen Hierarchien und könnten „nur eingeschränkt demokratisch funktionieren“. Jette Waldinger-Thiering (SSW) forderte, früher mit dem Fach Wirtschaft/Politik (WiPo) zu starten: „Demokratiebildung darf nicht erst in der 8. Klasse beginnen.“ Zudem sei die Lehrerausbildung entscheidend: „Denn es gibt noch genug Lehrkräfte, die selbst nicht unbedingt in der Lage sind, politisches und demokratisches Handeln und Denken zu erfassen und (...) unvoreingenommen demokratische Werte zu vermitteln.“