Blick in den Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages während einer Aussprache zum Antisemitismus
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
Staatliche Stellen wie Polizei, Ausländerbehörden, Schulen und Hochschulen sollen konsequenter gegen Antisemitismus vorgehen. Das hat der Landtag parteiübergreifend gefordert. Hintergrund sind die sprunghaft gestiegene Zahl von körperlichen Angriffen auf Juden, die zahlreichen Beschädigungen jüdischer Einrichtungen und die vielen judenfeindlichen Äußerungen seit dem Überfall der Terrorgruppe Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. „Wir wollen ein klares Signal aussenden, dass wir nicht bereit sind, das in irgendeiner Form zu akzeptieren“, sagte Christopher Vogt, dessen FDP-Fraktion die Debatte angestoßen hatte. Vogt nannte die antiisraelischen Demonstranten der jüngsten Zeit „extrem ideologisch verblendet“. Es sei „schon ziemlich dumm, die israelische Regierung und jüdische Menschen einfach gleichzusetzen“.
In einem gemeineinsamen Antrag prangern alle fünf Fraktionen rechten, linken und muslimischen Judenhass an. Sie fordern eine präzisere Erfassung der Vorfälle und eine bessere Schulung von Polizeibeamten. Schulklassen müssten intensiver über den Holocaust informiert werden, und der Besuch einer Gedenkstätte oder einer Synagoge sollte selbstverständlich sein. Islamische Verbände und Gemeinden werden aufgerufen, gegen Antisemitismus in ihrem Umfeld einzuschreiten. Hochschulen müssten entsprechende Veranstaltungen auf ihrem Gelände verbieten. Der Staat dürfe „antisemitische Kunst“ nicht fördern, und Ausländer, die entsprechende Straftaten begangen haben, dürften nicht eingebürgert werden.
„Die Alarmsignale werden immer lauter“
Die Behörden müssten „die Möglichkeiten des Aufenthaltsgesetzes und des Staatsbürgerschaftsrechts ausnutzen“, forderte Marion Schiefer (CDU). Nelly Waldeck (Grüne) stellte fest, dass viele Juden zurzeit „ihre Sichtbarkeit deutlich einschränken müssen“ – sie trügen in der Öffentlichkeit keine Kippa mehr und sprächen dort kein Hebräisch. „Gegen Gerüchte und Vorurteile hilft auch Bildung“, so Martin Habersaat (SPD): „Wir müssen und fragen, ob wir unsere Schulen gut genug aufstellen.“ Antisemitismus komme nicht nur von den Rändern, sondern sei auch „in der Mitte unserer Gesellschaft verankert“, mahnte Jette Waldinger-Thiering (SSW).
„Die Alarmsignale werden immer lauter“, sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) und verwies auf einen bundesweit „traurigen Höchststand“ von antisemtischen Vorfällen. Mitte Mai meldete die landesweite Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus in Schleswig-Holstein (Lida-SH) eine deutliche Zunahme. Für 2023 verzeichnete die Einrichtung 120 Vorfälle, im Vorjahr seien es 79 gewesen. Laut einer Statistik des Bundesinneninnenministeriums und des Bundeskriminalamts gab es deutschlandweit im Vorjahr 4.369 antisemitische Delikte, die allermeisten nach dem 7. Oktober. Im Jahr zuvor sei es ein Bruchteil dieser Zahl gewesen.