Blick von der Besuchertribüne auf den Landtag, der im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Parlamens tagt.
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
Nach ganztägiger, über siebenstündiger Beratung hat der Schleswig-Holsteinische Landtag den Landeshaushalt für das laufende Jahr mit den Stimmen der schwarz-grünen Koalition und des SSW gebilligt. SPD und FDP stimmten gegen den 18 Milliarden Euro schweren Etat und kündigten an, eine Verfassungsklage vorzubereiten. Im Fokus der Kritik der Opposition stehen drei beschlossene Notkredite und dabei insbesondere die Frage, ob die Schuldenaufnahme infolge der Corona-Pandemie auch noch 2024 eine tragfähige Begründung für eine Notlage beinhaltet. Der Corona-Notkredit beläuft sich auf 573 Millionen Euro, ein weiterer für die Folgen des Krieges in der Ukraine auf knapp 800 Millionen. Der dritte Notkredit ist für die Folgen der Jahrhundert-Sturmflut im Oktober an der Ostsee.
In der Generaldebatte mit den Fraktionsvorsitzenden verteidigte Finanzministerin Monika Heinold ihren Haushalt. Angesichts der angespannten Haushaltslage gebe es aktuell keine Alternative zu Notkrediten, sagte die Grünen-Politikerin. Der Haushalt sei aus ihrer Sicht verfassungskonform, sagte sie im Einklang mit den Rednern der Koalitionsfraktionen von CDU und Grünen. SPD und FDP bezweifeln dagegen, dass der Etatverfassungskonform ist und haben einen Rechtswissenschaftler mit einem Gutachten zu der Verfassungskonformität beauftragt.
Unterm Strich soll die Neuverschuldung auf mehr als 1,6 Milliarden Euro steigen und beinhaltet neben dem Notkredit auch eine Inanspruchnahme der laut Schuldenbremse zulässigen Verschuldung in Höhe von rund 133 Millionen Euro. Schleswig-Holstein ist aktuell bereits mit gut 32 Milliarden Euro verschuldet. Die Investitionsquote bezifferte Finanzministerin Heinold auf 13,1 Prozent.
Stimmen aus der Generaldebatte
CDU-Fraktionschef Tobias Koch:
FDP und SPD betreiben „parteipolitische Spielchen“
Der CDU-Abgeordnete Tobias Koch hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
Es sei „wahrlich keine leichte Aufgabe“ gewesen, den Etat unter den aktuellen Bedingungen aufzustellen, betonte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Die Steuereinnahmen seien um eine halbe Milliarden Euro eingebrochen, die Zinsausgaben hätten sich auf 600 Millionen Euro verdoppelt, und die Personalkosten stiegen um 800 Millionen Euro, so Koch, hauptsächlich aufgrund von Tariferhöhungen. Vor diesem Hintergrund müssten Zuwendungen an Vereine und Verbände gekappt oder eingefroren werden. Dieser Härten sei er sich „sehr wohl bewusst“, sagte Koch. Aber auch in den kommenden Jahren werde es absehbar nicht besser werden.
Koch zeigte sich „überzeugt, dass der Haushalt verfassungskonform ist“ und wies damit die Kritik von SPD und FDP zurück. Den beiden Fraktionen, die eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht gegen den Haushalt erwägen, hielt er „parteipolitische Spielchen“ vor. Koch erinnerte daran, dass die beiden Oppositionsfraktionen den verschiedenen Notkrediten größtenteils zugestimmt hätten, die der Landtag seit 2020 wegen Corona und Ukraine-Krieg beschlossen hatte. Der CDU-Fraktionsvorsitzende kritisierte, dass SPD und FDP keine eigenen Haushaltsanträge vorgelegt haben: „Das ist eine ganz dünne Suppe.“ Mitten in der Krise verweigerten sie sich jeder inhaltlichen Debatte.
Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter:
„Wir werden Sparpakete schnüren müssen“
Der Grünen-Abgeordnete Lasse Petersdotter hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
„Kein Haushaltsjahr der jüngeren Geschichte war so herausfordernd wie 2024“, betonte Lasse Petersdotter (Grüne). Und die Situation werde nicht leichter - in den kommenden Jahren werde voraussichtlich rund eine Milliarde Euro in der Landeskasse fehlen. „Wir werden Sparpakete schnüren müssen“, so der Grünen-Fraktionsvorsitzende. Dennoch setze die Koalition auf „Krisenbewältigung, Zuverlässigkeit und Gestaltungswillen“.
„Ich bin überzeugt, dass dieser Haushalt und auch die Notkredite verfassungskonform sind“, hob Petersdotter hervor und kündigte an, dass das Land im kommenden Jahr keine weiteren Ausgaben aus dem 2020 aufgelegten Corona-Notkredit bestreiten werde. Auch er warf SPD und FDP vor, Kürzungen grundsätzlich falsch zu finden, aber keine eigenen Vorschläge zu machen. Das oppositionelle „Kartenhaus der einfachen Antworten“ werde damit zum Einsturz gebracht. Petersdotter erneuerte seine Forderung nach einer Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz. Diese könne „nur funktionieren, wenn sie zur Wirklichkeit passt“. Zudem regte er an, wachsende Bildungsausgaben über eine Vermögenssteuer zu finanzieren.
SPD-Oppositionsführerin Serpil Midyatli:
Verfassungsklage ist bei Zweifel „Pflicht“
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
Eine Haushaltskrise ‒ das sei das Ergebnis aus sieben Jahren schwarz-grüner Finanzpolitik, warf SPD-Oppositionsführerin Serpil Midyatli der Regierung vor. Dafür stünden der Haushaltsentwurf ebenso wie die geplanten Notkredite oder die mittelfristige Haushaltsplanung. Man mache Schulden von 1,6 Milliarden Euro und verspreche eine Konsolidierung. Dabei sei klar sei, dass die Finanzbedarfe in Zukunft noch steigen würden. „Die Transformation, der Klimaschutz, Kitas, Schulen und Krankenhäuser, sozialer Wohnungsbau“, seien nur einige Beispiele, so Midyatli. Nötig gewesen wären vielmehr eine ehrliche Analyse und ein deutliches Eingeständnis des Ministerpräsidenten zur schlechten finanziellen Situation des Landes. „Das hätten die Menschen in diesem Land verdient“.
Midyatli kritisierte das fehlende Bekenntnis der CDU zu einer Reform der Schuldenbremse. Am 6. März hätte man bei Ministerpräsidentenkonferenz die Initiative ergreifen können. „Und Daniel Günther? Tut wieder einmal nichts“. Nötig sei ein Ministerpräsident, „der seinen Worten auch Taten folgen lässt“. Im Ganzen habe man Zweifel an der Verfassungskonformität des Haushalts, so die SPD-Fraktionschefin, und werde diesem nicht zustimmen. Schon der Eid auf die Verfassung ließe hier keine andere Möglichkeit. „Und ja, wenn wir Zweifel haben, ist es unsere Pflicht, eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht zu prüfen“, stellte Midyatli klar.
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt:
„Jedes Maß verloren“
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
Als „eine politische Bankrotterklärung“ bezeichnete Christopher Vogt (FDP) den Haushalt der Koalition. „Weil er nicht verfassungskonform ist und die Tragfähigkeit der Landesfinanzen damit gefährdet wird“. Er sei entsetzt, wie der Ministerpräsident und die Finanzministerin mittlerweile arbeiteten, „weder dieser Haushalt noch die neue Finanzplanung können ernsthaft als seriös bezeichnet werden“, so der Fraktionschef der Liberalen, der die Höhe der geplanten Kredite, wie auch die Kredite selbst und ihre Verwendung kritisierte. Als ein Beispiel nannte Vogt den Bau von Fahrradwegen aus den Mitteln des Corona-Notkredits. „Die Pandemie ist vorbei“, stellte er klar. Und die Begründung, Radfahren schütze vor Krankheiten wir Corona, sei „wirklich skurril und klingt, als käme sie aus einem Loriot-Sketch“.
Statt solide und nachhaltig zu arbeiten, trickse man herum. Vogt erinnerte seinerseits an den Eid auf die Verfassung und die damit verbundene Verantwortung. Beim ersten Haushaltsentwurf für dieses Jahr wäre man bereits skeptisch gewesen. „Aber mit Ihrer umfassenden Nachschiebeliste, mit der Sie weitere rund 900 Millionen Euro neue Schulden machen wollen, haben Sie wirklich jedes Maß verloren.“ Man werde den Haushalt daher ablehnen und „gemeinsam mit der SPD – verfassungsgerichtlich überprüfen lassen“.
SSW-Fraktionschef Lars Harms:
„Notkredite sind alternativlos“
SSW-Fraktionschef Lars Harms hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
Ein klares „Ja“ zur Diskussion um die Verfassungskonformität des Haushalts bekundete der SSW-Fraktionsvorsitzende Lars Harms. Man nehme sehr eng definierte Notkredite auf, denn es seien Jahre mehrerer sich parallel ereignender Krisen, betonte er. „Ich bin froh, dass jeder Notkreditpart einzeln begründet und definiert worden ist.“ Die richtige Verwendung der Gelder ließe sich in Zukunft gut nachprüfen. Die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Herbst werde komplett erfüllt. Harms freute sich, dass mehrere SSW-Anträge für Fördergelder von der Koalition mitberücksichtigt worden seien. Dadurch werde die kulturelle Arbeit der Minderheiten gestärkt und abgesichert.
Die Notkredite seien alternativlos, so Harms, denn: „Würden wir sämtliche Notkreditmittel streichen, dann würden die Folgen der Notlagen nicht gelöst und Zusagen nicht eingehalten, der Staat wäre nicht mehr handlungsfähig, das würde Extremisten in die Hände spielen.“ Würde man die getroffenen Maßnahmen aber erhalten, dann könne man ohne Notkredite die staatliche Daseinsvorsorge nicht aufrechterhalten, für Wirtschaft, Kultur und Soziales gäbe es keine Gelder mehr. „Diesen reinen Wein müssten Sie den Bürgern einschenken. Wir wollen diesen sozialen Kahlschlag nicht“, wandte er sich an SPD und FDP. Als Oppositionspartei sei es zwar unüblich mit der Regierung zu stimmen, aber der SSW betreibe eine skandinavisch geprägte pragmatische Politik und wolle konstruktiv mitarbeiten.
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne):
„Nur Rumschnacken löst nicht die Probleme“
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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Foto: Landtag, Sönke Ehlers
Es sei eine Stärke der Demokratie um den besten Weg zu ringen, aber dazu brauche es natürlich auch Perspektiven, sagte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) an SPD und FDP gewandt: „Rumschnacken, anstatt eigene Vorschläge zu machen, das löst nicht die Probleme des Landes. Machen sie eigene Anträge, statt einfach nur einige Worte in den Raum zu schmeißen, dann können wir in der Sache streiten.“ Der Haushalt 2024 sei ein Haushalt in Krisenzeiten. Die 1,5 Milliarden Euro Notkreditrahmen würden die finanzielle Lage des Landes erheblich beeinträchtigen, die Wachstumsprognosen seien nicht gut, Einnahmen und Ausgaben passten bei Bund und Ländern nicht zueinander, es brauche staatliche Maßnahmen.
„Notkredite sind keine Dauerlösung und dessen sind wir uns als Koalition auch bewusst“, so Heinold. Man habe deshalb einen klaren Konsolidierungskurs eingeschlagen und für das Jahr 2024 ein erstes Maßnahmenpaket geschnürt mit Einsparungen, unter anderem bei Naturschutz und Straßenbau. Im Jahr 2025 gehe es weiter in 200-Millionen-Euro-Schritten. Die Landesregierung werde dieses Jahr auf alle Beteiligten zugehen, um einen Weg für weitere Einsparungen zu finden. Aus ihrer Sicht sei der Landeshaushalt verfassungskonform, so Heinold. Man könne das gern überprüfen.
Weitere Abstimmungen:
Vor der Mittagspause hatte der Landtag bereits mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit eine Notsituation bekundet, womit die drei Notkredite aufgenommen werden können. Hier stimmten in namentlicher Abstimmung 50 Abgeordnete dafür und 17 dagegen. Eine klare Mehrheit votierte für die Errichtung eines Sondervermögens für die grün-blaue Infrastruktur.
Außerdem stimmten CDU, Grüne und SSW für das Begleitgesetz zum Haushalt, und der Landesrechungshof erhielt für seine Bemerkungen zum Landeshaushalt 2021 einhellige Zustimmung. Der von der Regierung vorgelegte Finanzplan d2023 bis 2027 und die Fortschreibung bis 2032 wurden an den Finanzausschuss überwiesen.