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22. Februar 2024 – Februar-Plenum

Schutz von Frauen vor Gewalt verbessern

Seit 2021 will die Landesregierung mit einem Hochrisikomanagement Frauen vor Gewalttaten besser schützen. Alle fünf Landtagsfraktionen plädieren dafür, das Konzept auszuweiten und die polizeirechtlichen Grundlagen anzupassen.

Eine geballte Faust dominiert das Bild. Im Hintergrund kauert eine verängstigte Frau am Boden.
Eine geballte Faust dominiert das Bild. Im Hintergrund kauert eine verängstigte Frau am Boden.
© Foto: dpa, Maurizio Gambarini

Fraktionsübergreifend ruft der Landtag die Landesregierung dazu auf, dass sogenannte Hochrisikomanagement konsequent auszuweiten, um Gewalt gegen Frauen weiter eindämmen zu können. Laut Sozialministerium gab es im Jahr 2022 in 5376 Fällen partnerschaftliche Gewalt, rund 80 Prozent der Betroffenen waren Frauen und in sechs Fällen ist es demnach zu einem Femizid gekommen. Im Rahmen des Hochrisikomanagements kooperieren in Schleswig-Holstein Polizei, Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen sowie Jugendämter und weitere Institutionen, um Schutzmaßnahmen für Gewaltbetroffene und deren Kinder zu erarbeiten.

Jeden Tag versucht ein Mann seine Frau zu töten, jeden dritten Tag geschehe dies auch, mahnte die CDU-Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann. „Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache, sie ist ein Querschnittsproblem unserer Gesellschaft.“ Die beiden Modellregionen Ratzeburg und Flensburg hätten gezeigt, wie das Hochrisikomanagement funktionieren könne, nun müsse man daraus ein regelhaftes Vorgehen in ganz Schleswig-Holstein machen, sagte Jan Kürschner (Grüne). „Ich habe die Hoffnung, dass wir so die Fälle von Gewalt gegen Frauen reduzieren können.“

FDP: Frauenhäuser sind chronisch unterfinanziert

Nicht nur reduzieren, sondern vielmehr die Gewalt an Frauen und deren in der Konsequenz drohenden Tod gänzlich verhindern, schloss die frauenpolitische Sprecherin der SPD, Beate Raudies, an. Doch eine Hochrisikofallbearbeitung sei nicht mal eben zu erledigen. „Es ist eine bessere Ausstattung nötig.“ Als Beispiel nannte sie die Zuwendungen für die vertrauliche Spurensicherung bei von Gewalt betroffenen Frauen. „Es darf keine Kürzungen geben bei dieser Maßnahme.“

Annabell Krämer (FDP) lobte das Hochrisikomanagement, kritisierte die Einführung aber als zu langsam und wies darauf hin, dass Frauenhäuser chronisch unterfinanziert seien: „Es gibt nicht einmal genügend Frauenhausplätze um Frauen vor Gewalt zu schützen.“ Im Haushalt 2024 müssten diesbezüglich deshalb dringend Anpassungen vorgenommen werden. „Stärken Sie unsere Fraueneinrichtungen und Frauenhäuser in unserem Land.“ Jette Waldinger-Thiering vom SSW brachte als Beispiel für weitere wichtige Ausgaben die Finanzierung von mehr Schutzwohnungen für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder zur Sprache.

Ministerin wirbt für Fachaustausch aller Beteiligten

Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) kündigte gleichbleibende Mittel in Höhe von 400.000 Euro für die vertrauliche Spurensicherung an und bewarb in ihrer Rede einen neu erarbeiteten Leitfaden für das Verfahren sowie den interdisziplinären Fachaustausch aller beteiligten Institutionen, „um schneller reagieren zu können und Gewalt zu verhindern“. Auch die Täterarbeit müsse stärker in den Blick genommen werden.

„Nicht die Betroffenen sondern die Täter sollten ihr Verhalten ändern“, so Touré. „Wir müssen darüber sprechen, wie wir Jungen und jungen Männern eine Persönlichkeitsentwicklung frei von Geschlechterstereotypen ermöglichen.“ Sie betonte, es gebe auch männliche Opfer. „Es ist nicht hilfreich die Minderheit der Täterinnen zu verschweigen.“

Die Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt steht im Mittelpunkt eines Übereinkommens des Europarats aus dem Jahr 2011 – auch bekannt als Istanbul-Konvention. In Deutschland wurde das Abkommen 2017 ratifiziert und trat im Februar 2018 in Kraft. Im Rahmen der Umsetzung in Schleswig-Holstein fordern die fünf Landtagsfraktionen nun die Landesregierung in einem gemeinsamen Antrag dazu auf, das sogenannte Hochrisikomanagement auszuweiten und den Gewaltschutz effektiver zu gestalten.

„Hierfür sind die Anpassung der entsprechenden polizeirechtlichen Grundlagen und der neue Leitfaden zur einheitlichen Umsetzung des Hochrisikomanagements zentral“, heißt es in dem Antrag. Im nächsten Schritt sollten dann beide Instrumente „flächendeckend zur Anwendung kommen“. Dazu gehöre die Benennung von Hochrisikobeauftragten, der Einsatz von Gefährdungsanalysen und die Einführung von Fallkonferenzen durch die Netzwerkpartner wie Polizei oder Frauenfachrichtungen.

Datenaustausch verbessern

Zum Hintergrund: Im Januar 2021 hatte die Landesregierung den Ausbau eines Hochrisikomanagements zum Schutz von Frauen vor Gewalt beschlossen. Durch eine Änderung des Polizeigesetzes wurde der Austausch persönlicher Daten zwischen Polizei und Hilfseinrichtungen erleichtert. Damit können bei Zustimmung der jeweils betroffenen Frau alle beteiligten Einrichtungen auf die gleichen Informationen zugreifen und gemeinsam für die Betroffene – und gegebenenfalls deren Kinder – die beste Lösung finden.

Personenbezogene Daten konnten zuvor nur im Einzelfall zur Abwehr einer bevorstehenden konkreten Gefahr übermittelt werden. Zwei Modellprojekte in Flensburg und Ratzeburg wurden evaluiert, derzeit wird an Instrumenten gearbeitet wird, um eine Ausweitung auf ganz Schleswig-Holstein durch entsprechende Rahmenbedingungen vorzubereiten.

Alle 45 Minuten Gewalttat an Frauen

Mit breiter Mehrheit hatte sich der Landtag erst im Oktober 2023 für die Fortführung eines Bundesförderprogramms für Frauenhäuser ausgesprochen. Zwar gebe es Maßnahmen zum Schutz wie Annäherungsverbote, hatte Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) seinerzeit gesagt. „Aber man muss immer wieder feststellen, dass all das oftmals nicht ausreicht. Und deshalb finde ich die Fußfessel als schärfere Maßnahmen völlig richtig und begrüßenswert.“ Es sei gesellschaftliche und staatliche Verantwortung, geschlechtsspezifische Gewalt einzudämmen.

Nach Angaben des Sozialministeriums gibt es im Norden aktuell 386 Plätze in 17 Frauenhäusern, die 18 Standorte haben. In Deutschland erlebt alle 45 Minuten eine Frau Gewalt, jeden dritten Tag gibt es ein Tötungsdelikt und jede dritte Frau ist mindestens einmal im Leben von psychischer oder sexueller Gewalt betroffen.

(Stand: 19. Februar 2024)

Vorherige Debatten zum Thema:
Oktober 2023 (ohne Meldung in plenum-online)
September 2023 (Frauenhäuser – Newsticker 22.09., 12:00)
November 2022
Januar 2019 (Istanbul Konvention)

Antrag

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Hochrisikomanagement ausweiten und Gewaltschutz effektiver gestalten
Antrag der Fraktionen von CDU, B´90/Die Grünen, SPD, FDP und SSW – Drucksache 20/1869