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26. Januar 2024 – Januar-Plenum

Landespolitik weitgehend überzeugt von Tasern

In der Debatte um den künftigen Einsatz von Tasern bei der Polizei gibt es weitgehend Übereinstimmung. Der Zeitraum der Einführung und die hohen Kosten werden aber noch diskutiert.

Ein Polizist hält eine grell gelbe Elektroschockpistole in den Händen.
Ein Polizist hält eine grell gelbe Elektroschockpistole in den Händen.
© Foto: dpa, Andreas Arnold

Nach einer Erprobungszeit von rund einem Jahr fällt das Urteil der schwarz-grünen Landesregierung zum Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten – kurz DEIG oder umgangssprachlich Taser – positiv aus. Die Geräte, mit denen wahlweise ein abschreckender Lichtbogen erzeugt oder mittels zweier abgeschossener Elektroden ein Angreifer außer Gefecht gesetzt werden kann, würden „die Handlungssicherheit der Polizei in verschiedenen Einsatzlagen“ steigern, so Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) in ihrem Bericht zur Erprobung der Geräte. Auch das Verletzungsrisiko des Gegenübers sei gering, das Gerät fülle die Lücke zwischen Einsatzschusswaffe und Stock. 9,6 Millionen Euro soll die Einführung kosten, deshalb wolle man das Gerät schrittweise bis 2028 flächendeckend in Schleswig-Holstein einsetzen.

In der Diskussion zum Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen über die Entfristung der gesetzlichen Grundlage für den dauerhaften Einsatz der Taser betonte Birte Glißmann (CDU) die zunehmende Zahl von Ausnahmesituationen und Gewalt bei Polizeieinsätzen. Die Geräte seien „hocheffizient“ und wirkten vorrangig deeskalierend. „Bei insgesamt 35 Situationen blieb es beim Vorhalten und bei Androhung der Nutzung“, so Glißmann.

Grüne noch skeptisch

Der Grünen-Abgeordnete Jan Kürschner hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
Der Grünen-Abgeordnete Jan Kürschner hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
© Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Jan Kürschner (Grüne) gab trotz Zustimmung seiner Partei in der Koalition zu bedenken, man wisse auch um Todesfälle und die Verletzungsgefahr durch die Taser, man müsse hierzu auch in Zukunft weitere Erfahrungen sammeln. „Die beste Waffe der Beamtinnen und Beamten ist das Wort.“ Sein Eindruck sei, dass durch die Erfolge im Verlauf der Erprobungsphase die Befürchtungen abgebaut werden konnten, erwiderte Niclas Dürbrook (SPD). Ihn überrasche allerdings die schrittweise Einführung. „Wenn man der Polizei bestmögliche Ausstattung zusagt, dann muss man das einhalten, auch wenn es kompliziert ist und 10 Millionen kostet.“ Er erwarte, dass die Taser schnellstmöglich flächendeckend eingeführt werden.

Bernd Buchholz (FDP) gab sich ebenfalls beeindruckt von den Geräten und ihrer abschreckenden Wirkung, äußerte allerdings Zweifel an der einfachen Handhabung. Bei der zweifachen Schussabgabe im Probezeitraum sei „zweimal das Ziel verfehlt“ worden. Der Einsatz sei „sehr kompliziert“ und man müsse sehr gut geschult sein. „Ich wünsche allen Beteiligten das Gerät so wenig wie möglich real eingesetzt werden muss.“ Lars Harms vom SSW bekräftigte, es sei richtig gewesen auf eine Erprobung zu setzen und nun auf die hiesigen Erfahrungen bauen zu können. Er lobte die Taser als eine „Waffe, die wirkt, bevor sie eingesetzt werden muss“.

Lob für Polizeibeauftragte

Für den in der Debatte mitberatenen Tätigkeitsbericht der Polizeibeauftragten Samiah El Samadoni gab es fraktionsübergreifend Lob. Der Bericht wurde auf Empfehlung des Innen- und Rechtsausschusses zur Kenntnis genommen.

Rund ein Jahr hatten Beamte der Polizeireviere in Neumünster und Ahrensburg sowie die rund140 Beamten der Spezialeinsatzkräfte in Kiel den Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten, kurz Taser, erprobt. Das Urteil der Landesregierung fällt positiv aus. In einem Regierungspapier wird von einer „hohen Akzeptanz im Rahmen der alltäglichen Aufgabenerfüllung“ gesprochen. Bereits die signalgelbe Farbe der Elektrowaffen sei bereits vor der eigentlichen Androhung eines Einsatzes wahrgenommen worden und habe so „zur Deeskalation und Lagelösung im Sinne des polizeilich intendierten Verhaltens“ beigetragen, heißt es in dem jetzt vorliegenden Regierungsbericht.

Die Polizei wollte mit dem im August 2022 gestarteten Praxistest herausfinden, inwiefern die Taser die Eigensicherung der Polizisten erhöhen. Im Ernstfall können Beamtinnen und Beamte mit dem Elektroschock-Gerät einen abschreckenden Lichtbogen erzeugen oder zwei Elektroden an Drähten auf den Angreifer schießen, der durch Stromimpulse außer Gefecht gesetzt wird. Die Stromimpulse dauern laut Polizei fünf Sekunden an. Die Taser ermöglichen Stromimpulse mit bis zu 50.000 Volt. Beim Einsatz gelten ähnliche Vorschriften wie bei Schusswaffen.

Hohe Kosten, dezente Beschaffung

In dem Bericht wird allerdings darauf hingewiesen, dass Beschaffung und Unterhalt des Einsatzmittels, die notwenigen IT-Infrastruktur sowie die Aus- und Fortbildungsbedarfe kostenträchtig sind. Ein Schuss allein soll 50 Euro kosten. „Eine Prognose des Landespolizeiamts geht von einem Bedarf von 9,6 Millionen Euro Investitions-, Personal-, Aus- und Fortbildungs- sowie Unterhaltskosten bei einer flächendeckenden Einführung innerhalb von 5 Jahren aus“, heißt es in dem Papier. Eine breite Einführung in der Landespolizei erfordere deshalb „ein stufenweises Aufwachsen anhand fachlich sinnvoller Prioritäten“.

Vor diesem Hintergrund sehen die aktuellen Planungen dem Bericht zufolge zunächst „eine Verstetigung des Betriebs des Einsatzmittels“ bei den drei Pilotdienststellen der Erprobungsphase vor. In diesem Jahr soll das 4. Polizeirevier in Kiel-Gaarden hinzukommen und 2025 dann zwei weitere Dienststellen – „orientiert an polizeilichen Brennpunkten (u.a. Gewalt gegen Polizeibeamte)“. Diese Phase werde genutzt, um weitere Erkenntnisse zum Einsatz, der technischer Betreuung und der Aus- und Fortbildung zu sammeln. „Gleichzeitig soll die landesweite IT-Infrastruktur und der landesweite Roll-Out vorbereitet werden.“

Mit Vorlage des Berichts haben die regierungstragenden Fraktionen CDU und Grüne per Dringlichkeit einen Entwurf für die Streichung des Erprobungszeitraumes in den polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz vorgelegt.

Bericht der Polizeibeauftragten

Ein weiteres Thema der Debatte: der Tätigkeitsbericht der Polizeibeauftragten Samiah El Samadoni. Nach gründlicher Beratung im Dezember des letzten Jahres, unter anderem im direkten Gespräch mit der Polizeibeauftragten, empfiehlt der Innen-und Rechtsausschuss des Landtages dem Plenum den Tätigkeitsbericht zur Kenntnis zu nehmen. El Samadoni hatte ihren Bericht für 2020/2021 bereits im Juli 2023 veröffentlicht. Die Bilanz: Die Zahl der Petitionen an die Polizeibeauftragte steigt weiter an. Beklagt wird mangelhafte Kommunikation mit den Bürgern, es gab mehrere Zweifel an der Rechtmäßigkeit bei der Aufarbeitung von Fällen und auch aus Polizeikreisen direkt wurden Beschwerden laut. Die Anlaufstelle gibt es seit Oktober 2016.

Im jüngsten Berichtszeitraum von Oktober 2020 bis September 2021 erreichten die Polizeibeauftragte und ihr Team 349 Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern sowie Polizistinnen und Polizisten, sagte El Samadoni bei der Vorstellung des Berichts im Sommer verganenen Jahres. Das waren 91 mehr als im Vorjahr. In zwei Fällen wurde El Samadoni von selbst aktiv. 2022 gab es Beschwerden in ähnlicher Höhe.

Polizeigewalt wird thematisiert

Von Bürgerinnen und Bürgern kamen 186 Beschwerden, meist ging es um Kommunikation oder fachliche Kritik an der Polizei. „Die polizeilichen Maßnahmen, die wir überprüft haben, waren ganz überwiegend rechtmäßig, dies betraf 18 der 22 Beschwerden zu diesem Thema“, sagte El Samadoni. In vier Fällen sei der Sachverhalt auch nach sorgfältiger Aufklärung unklar geblieben.

In zehn Beschwerden ging es um Vorwürfe von Polizeigewalt. Gleich drei davon bezogen sich auf einen Fall von polizeilicher Gewalt bei einer Demonstration mit dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Laut dem Bericht von El Samadoni zeigte ein Video des Falls den körperlichen Übergriff eines Polizisten, aber auch eine vorherige Beleidigung gegen den Beamten. Letztlich landete der Fall vor Gericht und endete mit einer Geldstrafe für den Polizisten.

Offene Aufarbeitung

Aus der Polizei heraus gab es 161 Petitionen. In 24 Fällen sei es um interne Konflikte gegangen, sagte El Samadoni. Die meisten der Beschwerden hätten sich gegen unmittelbare Vorgesetzte gerichtet. „Eine erfreuliche Entwicklung ist, dass wir immer häufiger offen tätig werden können.“ Nur 28 der 161 Vorgänge blieben letztlich vertraulich.

El Samadoni riet Einsatzkräften: „Eine situationsangemessene Verständigung auf Augenhöhe, die die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des polizeilichen Handelns herstellt, ist für die Stärkung des Vertrauens wesentlich.“ Sie mahnte, dass im Norden wie in anderen Ländern auch fremdsprachige Notrufe möglich sein müssen. Immer wieder beschäftige sich das Team mit der Sicherstellung von Mobiltelefonen, mit denen Bürgerinnen und Bürger zuvor Amtshandlungen von Beamten gefilmt haben. Dabei falle auf, dass Bürgerinnen und Bürger fast immer annehmen, sie dürften alles filmen und alles ins Internet stellen, sagte El Samadoni. Einsatzkräfte würde annehmen, dass einzig ihr persönliches Recht am eigenen Bild maßgeblich sei. Das sei aus beiden Richtungen betrachtet nicht richtig.

Weitere Handlungsempfehlungen

Einen Mehrwert hat El Samadoni bei Body- und Dashcams ausgemacht. Für Einsatzkräfte sei es hilfreich, wenn Mitschnitte strittiger Einsatzsituationen zur Verfügung gestellt würden. Ein Problem stellt für Polizeikräfte die Dauer von Disziplinarverfahren dar. Neben der persönlichen und oft auch ins Privatleben hineinwirkenden Belastung könnten Betroffene während eines laufenden Verfahrens den Arbeitsplatz nicht wechseln und würden in der Regel nicht befördert. El Samadoni empfahl, die Länge der Verfahren zentral im Innenministerium zu erfassen und zu bewerten.

(Stand: 22. Januar 2024)

Vorherige Debatte zum Thema:
Februar 2021 (Polizeireform, 19. Wahlperiode)
September 2023 (Polizeibeauftragte; ohne Aussprache / ohne Meldung)

Erste Lesung

Top 13A:
Entwurf eines Gesetzes zur Fortgeltung der Rechtsgrundlagen für den Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten im Landesverwaltungsgesetz
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und Grünen per Dringlichkeit - Drucksache 20/1809 

Bericht aus dem Ausschuss

Top 39
Bericht der Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein bei der Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Tätigkeitsbericht 2020-2021 - Drucksache 20/1056
Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses
- Drucksache 20/1726

Bericht der Landesregierung

Top 51:
Bericht zur Erprobung des Einsatzes von Distanz-Elektroimpulsgeräten in der Landespolizei
Bericht der Landesregierung - Ministerium für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport
- Drucksache 20/1770