Rund ein Jahr hatten Beamte der Polizeireviere in Neumünster und Ahrensburg sowie die rund140 Beamten der Spezialeinsatzkräfte in Kiel den Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten, kurz Taser, erprobt. Das Urteil der Landesregierung fällt positiv aus. In einem Regierungspapier wird von einer „hohen Akzeptanz im Rahmen der alltäglichen Aufgabenerfüllung“ gesprochen. Bereits die signalgelbe Farbe der Elektrowaffen sei bereits vor der eigentlichen Androhung eines Einsatzes wahrgenommen worden und habe so „zur Deeskalation und Lagelösung im Sinne des polizeilich intendierten Verhaltens“ beigetragen, heißt es in dem jetzt vorliegenden Regierungsbericht.
Die Polizei wollte mit dem im August 2022 gestarteten Praxistest herausfinden, inwiefern die Taser die Eigensicherung der Polizisten erhöhen. Im Ernstfall können Beamtinnen und Beamte mit dem Elektroschock-Gerät einen abschreckenden Lichtbogen erzeugen oder zwei Elektroden an Drähten auf den Angreifer schießen, der durch Stromimpulse außer Gefecht gesetzt wird. Die Stromimpulse dauern laut Polizei fünf Sekunden an. Die Taser ermöglichen Stromimpulse mit bis zu 50.000 Volt. Beim Einsatz gelten ähnliche Vorschriften wie bei Schusswaffen.
Hohe Kosten, dezente Beschaffung
In dem Bericht wird allerdings darauf hingewiesen, dass Beschaffung und Unterhalt des Einsatzmittels, die notwenigen IT-Infrastruktur sowie die Aus- und Fortbildungsbedarfe kostenträchtig sind. Ein Schuss allein soll 50 Euro kosten. „Eine Prognose des Landespolizeiamts geht von einem Bedarf von 9,6 Millionen Euro Investitions-, Personal-, Aus- und Fortbildungs- sowie Unterhaltskosten bei einer flächendeckenden Einführung innerhalb von 5 Jahren aus“, heißt es in dem Papier. Eine breite Einführung in der Landespolizei erfordere deshalb „ein stufenweises Aufwachsen anhand fachlich sinnvoller Prioritäten“.
Vor diesem Hintergrund sehen die aktuellen Planungen dem Bericht zufolge zunächst „eine Verstetigung des Betriebs des Einsatzmittels“ bei den drei Pilotdienststellen der Erprobungsphase vor. In diesem Jahr soll das 4. Polizeirevier in Kiel-Gaarden hinzukommen und 2025 dann zwei weitere Dienststellen – „orientiert an polizeilichen Brennpunkten (u.a. Gewalt gegen Polizeibeamte)“. Diese Phase werde genutzt, um weitere Erkenntnisse zum Einsatz, der technischer Betreuung und der Aus- und Fortbildung zu sammeln. „Gleichzeitig soll die landesweite IT-Infrastruktur und der landesweite Roll-Out vorbereitet werden.“
Mit Vorlage des Berichts haben die regierungstragenden Fraktionen CDU und Grüne per Dringlichkeit einen Entwurf für die Streichung des Erprobungszeitraumes in den polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz vorgelegt.
Bericht der Polizeibeauftragten
Ein weiteres Thema der Debatte: der Tätigkeitsbericht der Polizeibeauftragten Samiah El Samadoni. Nach gründlicher Beratung im Dezember des letzten Jahres, unter anderem im direkten Gespräch mit der Polizeibeauftragten, empfiehlt der Innen-und Rechtsausschuss des Landtages dem Plenum den Tätigkeitsbericht zur Kenntnis zu nehmen. El Samadoni hatte ihren Bericht für 2020/2021 bereits im Juli 2023 veröffentlicht. Die Bilanz: Die Zahl der Petitionen an die Polizeibeauftragte steigt weiter an. Beklagt wird mangelhafte Kommunikation mit den Bürgern, es gab mehrere Zweifel an der Rechtmäßigkeit bei der Aufarbeitung von Fällen und auch aus Polizeikreisen direkt wurden Beschwerden laut. Die Anlaufstelle gibt es seit Oktober 2016.
Im jüngsten Berichtszeitraum von Oktober 2020 bis September 2021 erreichten die Polizeibeauftragte und ihr Team 349 Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern sowie Polizistinnen und Polizisten, sagte El Samadoni bei der Vorstellung des Berichts im Sommer verganenen Jahres. Das waren 91 mehr als im Vorjahr. In zwei Fällen wurde El Samadoni von selbst aktiv. 2022 gab es Beschwerden in ähnlicher Höhe.
Polizeigewalt wird thematisiert
Von Bürgerinnen und Bürgern kamen 186 Beschwerden, meist ging es um Kommunikation oder fachliche Kritik an der Polizei. „Die polizeilichen Maßnahmen, die wir überprüft haben, waren ganz überwiegend rechtmäßig, dies betraf 18 der 22 Beschwerden zu diesem Thema“, sagte El Samadoni. In vier Fällen sei der Sachverhalt auch nach sorgfältiger Aufklärung unklar geblieben.
In zehn Beschwerden ging es um Vorwürfe von Polizeigewalt. Gleich drei davon bezogen sich auf einen Fall von polizeilicher Gewalt bei einer Demonstration mit dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Laut dem Bericht von El Samadoni zeigte ein Video des Falls den körperlichen Übergriff eines Polizisten, aber auch eine vorherige Beleidigung gegen den Beamten. Letztlich landete der Fall vor Gericht und endete mit einer Geldstrafe für den Polizisten.
Offene Aufarbeitung
Aus der Polizei heraus gab es 161 Petitionen. In 24 Fällen sei es um interne Konflikte gegangen, sagte El Samadoni. Die meisten der Beschwerden hätten sich gegen unmittelbare Vorgesetzte gerichtet. „Eine erfreuliche Entwicklung ist, dass wir immer häufiger offen tätig werden können.“ Nur 28 der 161 Vorgänge blieben letztlich vertraulich.
El Samadoni riet Einsatzkräften: „Eine situationsangemessene Verständigung auf Augenhöhe, die die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des polizeilichen Handelns herstellt, ist für die Stärkung des Vertrauens wesentlich.“ Sie mahnte, dass im Norden wie in anderen Ländern auch fremdsprachige Notrufe möglich sein müssen. Immer wieder beschäftige sich das Team mit der Sicherstellung von Mobiltelefonen, mit denen Bürgerinnen und Bürger zuvor Amtshandlungen von Beamten gefilmt haben. Dabei falle auf, dass Bürgerinnen und Bürger fast immer annehmen, sie dürften alles filmen und alles ins Internet stellen, sagte El Samadoni. Einsatzkräfte würde annehmen, dass einzig ihr persönliches Recht am eigenen Bild maßgeblich sei. Das sei aus beiden Richtungen betrachtet nicht richtig.
Weitere Handlungsempfehlungen
Einen Mehrwert hat El Samadoni bei Body- und Dashcams ausgemacht. Für Einsatzkräfte sei es hilfreich, wenn Mitschnitte strittiger Einsatzsituationen zur Verfügung gestellt würden. Ein Problem stellt für Polizeikräfte die Dauer von Disziplinarverfahren dar. Neben der persönlichen und oft auch ins Privatleben hineinwirkenden Belastung könnten Betroffene während eines laufenden Verfahrens den Arbeitsplatz nicht wechseln und würden in der Regel nicht befördert. El Samadoni empfahl, die Länge der Verfahren zentral im Innenministerium zu erfassen und zu bewerten.
(Stand: 22. Januar 2024)
Vorherige Debatte zum Thema:
Februar 2021 (Polizeireform, 19. Wahlperiode)
September 2023 (Polizeibeauftragte; ohne Aussprache / ohne Meldung)