Abgeordnete im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages heben bei Abstimmung ihre Arme.
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Foto: Landtag, Thomas Eisenkrätzer
Nach der Veröffentlichung von Recherchen des Netzwerks Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam im vergangenen November hat der Landtag parteiübergreifend Wachsamkeit und den Einsatz für die Demokratie angemahnt. Das Parlament verurteilte die in Potsdam vorgestellten „Pläne von Funktionären der AfD, Identitärer Bewegung und anderen Rechtsextremen, wonach Millionen Menschen aus Deutschland vertrieben werden sollen, sogar wenn es sich um Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland handelt“. Der entsprechende Dringlichkeitsantrag aller Fraktionen wurde einstimmig beschlossen. Umstritten blieb, ob ein AfD-Parteiverbot der richtige Schritt wäre.
Weiter heißt es in dem gemeinsamen Papier: „Die von den Deportationsplänen betroffenen Menschen gehören zu unserer Gesellschaft und werden vor jeder Bedrohung, Willkür und Gewalt geschützt. Die Demokratinnen und Demokraten sind wehrhaft und werden die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen Demokratiefeinde und ihre Vertreibungspläne verteidigen.“
„Größte Gefahr für unsere Demokratie“
Die CDU-Abgeordnete Birte Glißmann hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Landtag, Thomas Eisenkrätzer
Die CDU-Abgeordnete Birte Glißmann (CDU) sagte in der Debatte, das Potsdamer Treffen mache deutlich, „wie systematisch Rechtsextremisten agieren und wie brandgefährlich die AfD ist“. Die Parteien der Mitte müssten sich selbstkritisch fragen, „was wir zur aktuellen Entwicklung beigetragen haben“. „Nehmen wir die Sorgen noch ausreichend wahr?“, fragte Glißmann.
Der Grünen-Abgeordnete Jan Kürschner nannte das Prinzip der wehrhaften Demokratie 75 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes eine „politische Notwendigkeit“. Die extreme Rechte stelle die „größte Gefahr für unsere Demokratie“ dar und erreiche mit Teilen ihrer „Ideologieelemente“ bereits die Mitte der Gesellschaft. Zwar sei die AfD seit der Wahl 2022 nicht mehr im Landtag vertreten, aber sie sitze in mehreren Kommunalvertretungen und trete dort „widerlich“ auf.
FDP: Etablierten Parteien müssen ihren Job besser machen
SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli sprach angesichts der Vertreibungspläne von einem „Schock“ für Menschen mit Migrationshintergrund. Sie regte an, auch die schleswig-holsteinische AfD als gesichert rechtsextrem einzustufen und deren Vorfeld- und Jugendorganisationen zu verbieten, „um den Weg zu bereiten für ein Parteiverbot“.
Die AfD sei „in weiten Teilen rechtsextrem“, so der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Christopher Vogt: „Deswegen habe ich kein Verständnis dafür, dass man diese Partei aus Protest wählt.“ Statt eines Verbots empfahl Vogt aber, die Partei „politisch zu bekämpfen“. Dazu gehöre, dass „die etablierten Parteien ihren Job besser machen“ und der AfD „durch Kompetenz das Wasser abgraben“, Und: „Wir müssen unsere Unterschiede vernünftig deutlich machen“, um nicht als „eine Sauce“ wahrgenommen zu werden“.
Ministerin bekundet „große Sympathie“ für ein AfD-Verbot
SSW-Fraktionschef Lars Harms blickte auf die Reaktionen aus der AfD nach den Medienberichten über das Potsdamer Treffen: Es werde „geleugnet, gelogen, abgelenkt“ und die Opferrolle eingenommen. Die Vertreibungspläne erinnerten ihn an den Aufstieg der Nationalsozialisten vor 1933: „So hat es schon einmal angefangen“, und „das Resultat war das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Das darf sich nicht wiederholen.“
Sie habe „große Sympathie“ für ein AfD-Verbot, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Es gelte, „jedes der Demokratie zur Verfügung stehende Mittel zu nutzen“. Allerdings seien nicht nur die Sicherheitsbehörden gefordert, „sondern jeder einzelne von uns in unserer Gesellschaft“. Ihr Appell an die Menschen im Lande: „Beweisen Sie weiter Courage gegen rechtsextremistische Parolen.“
Verfassungsschutz sieht rechten Personenkreis anwachsen
Thema der Debatte war auch der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022, den der Landtag abschließend zur Kenntnis nahm. Demnach erhöhte sich in dem Jahr das rechtsextremistische Personenpotenzial in Schleswig-Holstein um 1,7 Prozent auf 1.220 Personen. Rechtsextreme bilden laut dem Bericht die größte Gruppe unter den extremistischen Bestrebungen im Norden – vor islamistischen, linksextremistischen und auslandsbezogenen.