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26. Januar 2023 – Januar-Plenum

Unterstützung für Einsatzkräfte und Streit über Touré-Tweet

Der Landtag zeigt sich „bestürzt“ und „erschüttert“ über die Ausschreitungen gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste in der Silvesternacht und fordert mehr Wertschätzung für Einsatzkräfte.

In Berlin stehen Polizeibeamte hinter explodierendem Feuerwerk.
In Berlin stehen Polizeibeamte hinter explodierendem Feuerwerk.
© Foto: Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa

„Bestürzt“ und „erschüttert“ haben sich alle Redner aller Fraktionen über die Ausschreitungen gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste in der Silvesternacht geäußert und geschlossen mehr Wertschätzung für Einsatzkräfte eingefordert. Die Attacken, unter anderem in Berlin, seien inakzeptabel, stellten einen Angriff auf Staat und Gesellschaft dar und müssten konsequent bestraft werden, hieß es übereinstimmend in einer Landtagsdebatte. Umstritten blieb, inwieweit die Gewalttaten im Zusammenhang mit der Herkunft der Täter stehen. Laut Polizeistatistiken hatte ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Festgenommenen einen Migrationshintergrund.

„Wir beobachten mit zunehmender Sorge, dass der Respekt in unserer Gesellschaft abnimmt“, sagte Christopher Vogt, dessen FDP-Fraktion die Debatte angestoßen hatte. Er beklagte „erhebliche Erziehungs- und auch Integrationsdefizite, die man ansprechen muss“. Damit nahm er auch Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) ins Visier, die sich per Twitter gegen „dämliche Metadebatten über Integration“ gewandt und sich stattdessen für ein Verbot von Böllern eingesetzt hatte. Diese Aussagen seien „in Ton und Inhalt nicht angemessen und nicht überzeigend“, so Vogt. Ein Böllerverbot bringe nichts, wenn Steine und Flaschen geworfen würden.

Keine Einigkeit beim Böllerverbot

Tim Brockmann (CDU) forderte eine „offene und ehrliche Debatte“, die „nicht zu Beginn, aus welchen Gründen auch immer, politisch abgewürgt“ werden dürfe. Auch er wandte sich gegen Tourés Position, ohne sie namentlich zu nennen. Ein Böllerverbot sei der falsche Weg, so Brockmann: „Wer glaubt, dass mit einem solchen Verbot alle Probleme gelöst seien, der ist ganz eindeutig auf dem Holzweg.“

Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter unterstrich: „Wir verurteilen alle feigen Angriffe auf Einsatzkräfte aufs Schärfste.“ Gewalt zu Silvester sei jedoch kein neues Phänomen, und „Alkohol und Sprengstoff“ seien grundsätzlich „nicht die beste Kombination“. Er forderte, den Zugang zu Schreckschusspistolen zu erschweren und unterstrich: „Ja, es gibt auch gute Gründe für ein Böllerverbot.“

Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) stellte dagegen heraus: „Weder drastische Strafverschärfungen noch Böllerverbote helfen.“ Nötig sei eine gesamtgesellschaftliche Debatte über die gewachsene Distanz zu staatlichen Einrichtungen. „Nur mit guter Präventionsarbeit können wir den gesellschaftlichen Trend umkehren“, so die Ministerin.

„Probleme bestehen schon länger“

„Wer Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr angreift, der greift uns alle an“, sagte Niclas Dürbrook (SPD) und forderte zugleich „Differenzierungen“. Zwei Drittel aller Jugendlichen in Berlin-Neukölln hätten einen Migrationshintergrund, insofern sei es nicht verwunderlich, dass deren Anteil auch unter den Festgenommenen hoch sei.  

Lars Harms (SSW) merkte an, es gebe „schon viel zu lange“ ein Problem mit Menschen, „die Rettungsgassen behindern oder gar nicht erst bilden und alkoholisierten Menschen, die gegenüber Rettungsdiensten aggressiv werden“. Harms kritisierte CDU-Politiker, „die unverhohlen über Vornamen und Hautfarbe spekulieren, die hier überhaupt keine Rolle spielen“ und unterstrich: „Die Einsatzkräfte unterstützen und gleichzeitig vernünftige Sozialarbeit machen, das ist der beste weg.“

Der Innen- und Rechtsausschuss behandelt die drei Anträge, die Grundlage der Debatte waren, weiter.

Nach den Ausschreitungen gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste in der Silvesternacht fordert die FDP im Kieler Landtag „mehr Respekt für unsere Einsatzkräfte“. Die Liberalen zeigen sich „bestürzt“ über die Vorfälle und machen sich für „schnellstmögliche“ strafrechtliche Konsequenzen stark. Zudem verweist die FDP auf den „hohen Anteil von jungen, männlichen Tätern mit Migrationshintergrund“ und spricht sich für eine „offene Debatte“ aus, „wie Integrationsdefizite abgebaut werden können und die Vermittlung unserer Werteordnung besser gelingen kann“.

Außerdem unterstreicht die FDP: „Die Reduzierung dieser Debatte auf eine Diskussion zu einem Böllerverbot in der Silvesternacht ist weder zielführend noch angemessen.“ Damit wendet sich die Oppositionsfraktion gegen die Position von Sozialministerin Aminata Touré (Grüne), die sich per Twitter gegen „dämliche Metadebatten über Integration“ gewandt hat und die sich stattdessen für ein Verbot von Böllern eingesetzt hat: „Wie schwer kann es sein, eine so einfache Lösung für ein klares Problem zu finden?“

Nicht in denselben Topf werfen

Einer ein paar Tage später veröffentlichen Umfrage zufolge ist Schleswig-Holstein wie mehr als die Hälfte aller Bundesländer wohl doch gegen ein generelles Böllerverbot in Deutschland. Die neun Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Sachsen-Anhalt und das Saarland sprachen sich dagegen aus, wie eine am Freitag veröffentlichte Umfrage des Berliner „Tagesspiegel“ unter den 16 Innenministerien der Länder ergab.

Nach Auffassung der FDP müssen die Vorfälle umfassend aufgearbeitet werden, und in der Öffentlichkeit müsse für „Akzeptanz und Respekt“ gegenüber den Einsatzkräften geworben werden, etwa in Schulen und Sportvereinen. Zudem müssten Betroffene psychologisch betreut und in Gewaltprävention geschult werden.   

Am Wochenende bezog Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) Stellung zu dem Thema: Man müsse etwa mit Blick auf die Krawalle an Silvester Klartext sprechen, sich aber gleichzeitig sensibel genug ausdrücken, damit niemand verletzt werde, betonte er. „Das gilt auch für die Debatte um die Silvesternacht – da fühlten sich Menschen mit Migrationshintergrund in denselben Topf geworfen, obwohl sie in großer Mehrheit die Krawalle selbst verurteilen.“ CDU-Fraktionschef Friedrich Merz hatte arabischstämmige Jugendliche als „kleine Paschas“ bezeichnet. Dadurch hätten sich viele persönlich angegriffen gefühlt, die der Parteivorsitzende gar nicht adressieren wollte, meinte Günther. Er hätte den Begriff daher „nicht verwendet“.

Berlin Hochburg der Krawalle

In der Silvesternacht hat es laut einem Bericht des Berliner „Tagesspiegel“ bundesweit mindestens 282 Angriffe auf Einsatzkräfte der Polizei und der Feuerwehr gegeben. Das berichtet das Blatt unter Berufung auf eine eigene Umfrage unter allen 16 Innenministerien der Länder. Die höchste Zahl an Attacken gab es der Zeitung zufolge in Berlin. Hier bestätigte die Polizei 59 angezeigte Angriffe gegen Polizisten und 43 gegen Feuerwehr und Rettungsdienst, wie es hieß. In Zusammenhang mit Silvester waren in Berlin 145 Menschen mit 18 verschiedenen Nationalitäten festgenommen worden. Darunter waren zahlreiche Fälle wegen direkter Angriffe auf Polizisten und Feuerwehrleute.

(Stand: 23. Januar 2023)

Vorherige Debatten/Meldung zum Thema:
Juni 2021 / Februar 2022 (Schmerzensgeld-Regelung, 19. WP)
Oktober 2020 (19. WP)

Antrag

Mehr Respekt für unsere Einsatzkräfte - Akzeptanz und Wertschätzung für die Arbeit unserer Einsatzkräfte stärken
Antrag der Fraktion der FDP ‒ Drucksache 20/584
Alternativantrag der SPD ‒ Drucksache 20/628 
Alternativantrag CDU/Grüne ‒ Drucksache 20/630