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20. September 2023 – September-Plenum

137 Millionen: Landtag gibt Fördermittel für Northvolt frei

Für den Neu- und Umbau von Wärmenetzen wird viel Geld benötigt. Hierfür stellt ein Nachtragshaushalt Mittel bereit. Strittiger vor der mehrheitlichen Zustimmung war dagegen der Plan, Millionen für die Northvolt-Ansiedlung aus dem Ukraine-Notkredit zu nehmen.

 

Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
© Foto: Thomas Eisenkrätzer

Das Land fördert den geplanten Bau einer Batteriefabrik bei Heide mit 137 Millionen Euro. Diese Summe haben CDU, Grüne und SPD über einen Nachtragshaushalt zur Verfügung gestellt. Das Geld stammt aus dem Ukraine-Notkredit und ist nun als Zuschuss für das Bauvorhaben der schwedischen Firma Northvolt in Dithmarschen vorgesehen. FDP und SSW unterstützen zwar das Projekt, lehnten die Art der Finanzierung aber ab.

Northvolt plant eine Batteriefabrik für Elektroautos. Das Unternehmen will 4,5 Milliarden Euro investieren, 3.000 Arbeitsplätze schaffen und jährlich Batterien für eine Million E-Autos produzieren. Angesichts der geplanten Subventionen von Bund und Land muss die EU aber noch grünes Licht geben. Wenn alles nach Plan läuft, will Northvolt ab 2026 Batterien liefern. Es wäre das größte Industrievorhaben in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten.

SPD unterstützt Koalition

Der CDU-Abgeordnete Tobias Koch hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Der CDU-Abgeordnete Tobias Koch hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
© Foto: Thomas Eisenkrätzer

„Ein derart großes Ansiedlungsprojekt bietet die Chance, dass sich die Dynamik der Energiewende an der Westküste weiter verstärkt“, so Finanzministerin Monika Heinold (Grüne). Sie verteidigte die staatliche Förderung: „Ohne Risiken einzugehen, ohne neue Wege zu beschreiten, werden wir die große Herausforderung der ökonomischen Transformation nicht meistern.“ CDU-Fraktionschef Tobias Koch sprach vom „wichtigsten Vorhaben dieses Jahrzehnts für Schleswig-Holstein“, das „Strahlkraft weit über die Landesgrenzen hinaus“ entwickeln werde. Bund und Land müssten der „Wettbewerbsverzerrung durch den US-amerikanischen Inflation Reduction Act“ entgegenwirken und nun ebenfalls in großem Umfang staatliche Wirtschaftsförderung betreiben.

„Für uns ist klar, dass wir in die Transformation unserer Wirtschaft investieren müssen“, begründete Fraktionschef Thomas Losse-Müller die Zustimmung der SPD: „Die Menschen in Schleswig-Holstein erwarten, dass die Politik ihren Job macht und die Probleme vor Ort löst.“

CDU, Grüne, SPD und SSW hatten den Notkredit im November vergangenen Jahres von 400 Millionen Euro auf maximal 1,4 Milliarden erhöht. Neben den 137 Millionen Euro für Northvolt haben Schwarz-Grün und Sozialdemokraten nun weitere Mittel entnommen: für die kommunale Wärmewende, für eine Beteiligung des Landes an einer noch zu gründenden Entwicklungsgesellschaft im Zusammenhang mit der Northvolt-Ansiedlung, für Flüchtlingshilfe, für Aushilfslehrkräfte zur Integration ukrainischer Kinder und für Cybersicherheit. Zudem reserviert das Land Mittel, mit dem der im Herbst erwartete Tarifabschluss im öffentlichen Dienst abgefedert werden soll. Das Gesamtvolumen beläuft sich laut Ministerin Heinold auf 318 Millionen Euro.   

FDP: „Die Form der Finanzierung halten wir für falsch“

Der FDP-Abgeordnete Christopher Vogt hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Der FDP-Abgeordnete Christopher Vogt hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
© Foto: Thomas Eisenkrätzer

FDP und SSW kritisierten die Umwidmung des Ukraine-Kredits scharf: Die Northvolt-Ansiedlung sei keine Notlage und stehe nicht im direkten Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg. Dies sei nicht mit der Landesverfassung vereinbar. Die FDP hatte ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Landtages in Auftrag gegeben. Demnach bestehen Zweifel, ob eine Finanzierung der Investition aus dem Ukraine-Kredit verfassungsrechtlich Bestand haben würde. Für eine abschließende Bewertung sei es aber noch zu früh.

„Die FDP unterstützt Northvolt ausdrücklich“, stellte der Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt klar: „Aber die Form der Finanzierung halten wir für falsch.“ Die Northvolt-Ansiedlung stelle „keine Notlage dar, die sich der Kontrolle des Staates entziehen würde“, zumal die Ansiedlung lange vor dem Ukraine-Krieg geplant war. Der SSW stimmte dem Nachtraghaushalt größtenteils zu – mit Ausnahme der Northvolt-Förderung. Das Projekt biete zwar eine „großartige Chance für Schleswig-Holstein“, aber die Koalition lege eine „teilweise verfassungswidrige Vorgehensweise“ an den Tag, „die wir so nicht mittragen wollen“.

Die notwendigen Finanzmittel müssten „anderweitig bereitgestellt werden“. Demgegenüber verteidigte Lasse Petersdotter (Grüne) den Kurs: „Mit dem Notkredit reagieren wir auf Notlagen.“ Der russische Angriffskrieg habe die „enorme Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Energien deutlich gemacht“. Diese Abhängigkeiten zu reduzieren, sei „nicht nur politisch richtig, sondern auch von der Landesverfassung gedeckt“.

Absicherung für Wärmenetz-Bau

Der Landtag hat zudem Investitionen in den Bau von kommunalen Wärmenetzen mit Bürgschaften von bis zu zwei Milliarden Euro abgesichert. Dieser Vorstoß von Schwarz-Grün traf bei allen anderen Fraktionen auf Zuspruch. Auch das ist Teil des Nachtragshaushalts. Kommunen, kommunale Versorger und weitere Träger können die Bürgschaften im Rahmen des Programms „Wärmenetze Schleswig-Holstein“ in Anspruch nehmen. Diese Absicherung hatte das Land den Kommunen beim sogenannten Wärmegipfel im Mai in Aussicht gestellt. Das Land kalkuliert mit einem Ausfallrisiko von ein bis zwei Prozent. Die Landesregierung rechnet eigenen Angaben zufolge mit ersten Inanspruchnahmen der Bürgschaft nicht vor dem Jahr 2026.

Es gehe darum, die Kommunen für anstehende Herausforderungen fit zu machen, so Finanzministerin Heinold: „Da werden große Brocken aus Berlin auf uns zukommen, die kommunal finanziert werden müssen.“ CDU-Mann Koch betonte: „Wenn wir auf Öl- und Gasheizungen verzichten wollen, dann braucht man eine Alternative.“ Auch der Sozialdemokrat Losse-Müller hielt die Bürgschaft für richtig: „Die Wärmewende gelingt nur, wenn wir gemeinschaftliche Lösungen voranbringen.“ Zustimmung kam auch von FDP und SSW.

Aufgrund des im Frühjahr den Kommunen zugesagten Bürgschaftsrahmen für die Unterstützung von Investitionen in klimaneutrale, kommunale Wärmenetze muss die Landesregierung ihren Haushalt anpassen. In einem vorgelegten Entwurf eines Nachtragshaushalts wird der Bürgschaftsrahmen auf zwei Milliarden Euro beziffert. Die beabsichtigte Aufstockung des Haushalts ist bereits dem Finanzausschuss vorgelegt worden, bei Gegenstimmen der FDP grünes Licht signalisiert hat. Damit kann der Gesetzentwurf in dieser September-Tagung bereits beschlossen werden.

Die beim Wärmegipfel vom vergangenen Mai in Aussicht gestellte Bürgschaft soll „den Neubau von Wärmenetzen sowie die Erweiterung und den Umbau bestehender Wärmenetze ermöglichen beziehungsweise erleichtern und damit die Energiewende im Wärmebereich voranbringen“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Sie kann von Kommunen, kommunalen Versorgern, kommunalen Unternehmen und weiteren Trägern in Anspruch genommen werden. Das Land hat dabei ein Ausfallrisiko von ein bis zwei Prozent einkalkuliert. Für den Haushalt 2023 sei von keiner Belastung auszugehen. Die Landesrechnung rechnet eigenen Angaben zufolge mit ersten Inanspruchnahmen der Landesbürgschaft nicht vor dem Jahr 2026.

137 Millionen für Unternehmensansiedlung?

Kontrovers ist das Meinungsbild zu der Absicht von CDU, Grünen und SPD, bis zu 137 Millionen Euro an Landesmitteln für eine von Northvolt geplante Batteriefabrik in Dithmarschen bereitzustellen. Das Geld wollen die drei Fraktionen aus dem Ukraine-Notkredit des Landes nehmen. Zuvor hatte Schwarz-Grün im Haushalt lediglich einen Landesteil in Höhe von 50 Millionen Euro vorgesehen.

Northvolt plant bei der Stadt Heide den Bau einer Batteriefabrik für Elektroautos. Die Pläne sehen vor, 4,5 Milliarden Euro zu investieren, 3000 Arbeitsplätze zu schaffen und jährlich Batterien für eine Million Elektroautos zu produzieren. Angesichts geplanter Subventionen von Bund und Land muss die EU aber vorher erst noch grünes Licht geben. Wenn alles nach Plan läuft, will Northvolt schon ab 2026 Batterien liefern. Es wäre das größte Industrievorhaben in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten.

Verfassungsrechtliche Bedenken bei FDP und SSW

CDU, Grüne, SPD und SSW hatten den Notkredit im November vergangenen Jahres auf maximal 1,4 Milliarden Euro erhöht. Neben den 137 Millionen Euro für Northvolt wollen CDU, Grüne und SPD weitere rund 40 Millionen Euro aus dem Notkredit nehmen. Fünf Millionen Euro sind für Vorbereitungen der Wärmewende geplant, eine Million für eine Beteiligung des Landes an einer noch zu gründenden Entwicklungsgesellschaft im Zusammenhang mit der Northvolt-Ansiedlung. 23,5 Millionen Euro sind für Vertretungs- und Aushilfslehrkräfte zur Integration ukrainischer Kinder im Unterricht geplant und 10,4 Millionen für Cybersicherheit.

FDP und SSW haben die geplante Umwidmung eines Teils des Ukraine-Notkredits bereits scharf kritisiert. Die beiden Oppositionsfraktionen halten die Mittelverwendung für die Northvolt-Ansiedlung nicht für eine Notlage und sehen auch keinen direkten Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Dies sei nicht mit der Landesverfassung vereinbar, ließen FDP und SSW wissen.

(Stand: 18. September 2023)

Vorherige Debatten zum Thema:
März 2023 (Haushalt 2023)
März 2023 (Sondervermögen Klimaschutz / News-Meldung, 22.03., 10:45)
Dezember 2022 Nachtrag Notkredit / 14.12., 13:05)
Juni 2023 (Notkredit - ohne Meldung in plenum-online)
November 2022 (Notkredit)

Zweite Lesung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Feststellung eines Haushaltsplanes für das Haushaltsjahr 2023 (Nachtragshaushaltsgesetz 2023)
Gesetzentwurf der Landesregierung (Finanzministerium) ‒ Drucksache 20/1270 
Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses ‒ Drucksache 20/1324 
Änderungsantrag von CDU und Grünen ‒ Drucksache 20/1413

Erste Lesung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Einrichtung eines Sondervermögens Energie- und Wärmewende, Klimaschutz und Bürgerenergie
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen ‒ Drucksache 20/1395

Antrag

„Schleswig-Holstein bleibt in der Krise handlungsfähig – Geflüchteten Schutz bieten, Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine abfedern und den Weg zur Energieunabhängigkeit beschleunigen“ (Drs. 20/431/neu, 2. Fassung)
Antrag der Fraktionen von CDU, B´90/Grüne und SPD ‒ Drucksache 20/1380(neu)