CDU-Bildungsministerin Karin Prien hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Thomas Eisenkrätzer
Die jüngste „Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung“ (IGLU) zeichnet ein alarmierendes Bild: Rund ein Viertel der deutschen Grundschüler kann nach der vierten Klasse nicht ausreichend gut lesen. Um gegenzusteuern, sollen Kinder in Schleswig-Holstein künftig bereits 18 Monate vor der Einschulung, mit viereinhalb Jahren, zu einem „Screening“. Gibt es Defizite, soll eine verpflichtende Sprachförderung folgen. Über diesen Kurs gibt es breites Einvernehmen im Landtag. Die Opposition übte dennoch scharfe Kritik an der Bildungspolitik des Landes: Das Problem sei zu lange verschleppt worden.
Bereits vor vier Jahren habe Bildungsministerin Karin Prien (CDU) das „Screening“ in einem Interview als gute Idee bezeichnet, merkte Martin Habersaat (SPD) an. Passiert sei jedoch nichts. Habersaat verwies auf Hamburg, wo neben der Sprache auch die körperliche, kognitive und emotionale Entwicklung eines Kindes führzeitig in den Blick genommen werde. Dies habe zu beachtlichen Erfolgen geführt und könne auf Schleswig-Holstein übertragen werden: „Das könnten Sie heute beschließen.“
SSW: Weg vom Flickenteppich
Christopher Vogt (FDP) forderte verpflichtende Sprachtests für alle Viereinhalb-Jährigen. Zudem sei eine „Offensive zur Stärkung der Grundschulen“ nötig: je eine Unterrichtsstunde mehr in Deutsch und Mathe, zwei Stunden Nachhilfe für Schüler mit Lerndefiziten, Lesepatenschaften und ein Ausbau der Ganztagsangebote. Zurzeit erschienen „zu viele Kinder unzureichend untersucht zur Einschulung“, so Jette Waldinger-Thiering (SSW). Es gebe keine verbindlichen Vorgaben für die Kooperation von Kita und Schule, und die Ergebnisse würden nur stichprobenartig kontrolliert: „Wir müssen weg von dem aktuellen Flickenteppich.“
„Es wird nicht die eine Maßnahme sein, die eine Trendwende herbeiführt“, entgegnete Bildungsministerin Prien. Sie brachte eine Erhöhung der täglichen Lesezeit, die Einführung eines Grundwörterschatzes und mehr Unterricht in Deutsch und Mathe ins Spiel. Diese Schritte sollten zunächst an den Perspektivschulen erprobt werden, so die Ministerin. Konkrete Schritte sollen auf einem Fachtag im Herbst eingeleitet werden. „Hamburg macht es mit großem Erfolg vor“, unterstrich der CDU-Abgeordnete Martin Balasus: „Nur frühzeitige Diagnostik von Förderbedarf ermöglicht frühzeitige Intervention.“ Die derzeitigen SPRINT-Kurse im Lande („Sprachförderung intensiv“) mit täglich bis zu zwei Stunden Deutschunterricht für eine Dauer von 20 Wochen reichten nicht aus: „Wir müssen früher mit der Förderung anfangen.“
Touré: Nicht nur „defizitorientierte Perspektive“
Schleswig-Holstein sei nicht Hamburg, merkte Malte Krüger (Grüne) an. Die Wege in einem Flächenland seien länger, die Schulverwaltung sei anders organisiert, und es gebe „zwischen Städten und Gemeinden eine große Diversität“. Er sprach sich dafür aus, die „Einzigartigkeit der Kinder“ zu akzeptieren. Es müsse Raum für Neugier, Kreativität und Spaß bleiben. Die für die Kitas zuständige Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) rief ebenfalls dazu auf, Kinder in ihren jeweiligen Fähigkeiten zu stärken und nicht nur eine „defizitorientierte Perspektive“ zu haben.
Am Ende wurden zwei SPD-Anträge und ein Antrag der FDP abgelehnt. Ein Alternativantrag der Koalition, der einen Regierungsbericht zum Thema verlangt, wurde mit Unterstützung des SSW angenommen.