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14. Juni 2023 – Juni-Plenum

Neuer Anlauf: Minderheitenschutz ins Grundgesetz

Fraktionen und Regierung setzen eine vielschichtige Debatte zur Minderheitenpolitik auf die Agenda. In den Blick genommen werden die Aufklärung, das Grundgesetz, Sprachen sowie Schul-Partnerschaften.

Blick in die Ausstellung: Zwei Besucher blicken auf eine Schautafel.
Blick in die Ausstellung: Zwei Besucher blicken auf eine Schautafel.
© Foto: Landtag, Yvonne Windel

Erneuter Einsatz für Dänen, Friesen, Sinti und Roma sowie Platt-Schnacker: Die vielschichtige Kulturlandschaft Schleswig-Holsteins und des deutsch-dänischen Grenzgebietes soll an den Schulen eine größere Rolle spielen. Das regt der Landtag in großer Übereinstimmung an. Ein entsprechendes Konzept, das Unterrichtsmaterial und die Lehrerfortbildung beinhaltet, soll Mitte 2024 vorliegen. Und: Schutz und Förderung der autochthonen, also seit Jahrhunderten im Lande ansässigen Minderheiten soll nach Willen des Landtages im Grundgesetz verankert werden.

„Wir sind in Europa eine Beispielregion für den Umgang mit Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze“, sagte Uta Wentzel (CDU). Neben dem Abbau physischer Barrieren wie Grenzkontrollen müssten aber auch sprachliche Barrieren beseitigt werden. „Die Schulen schaffen die Grundlage für ein gutes Miteinander“, betonte Bildungsministerin Karin Prien (CDU). Sie verwies auf derzeit mehr als 50 deutsch-dänische Schulpartnerschaften. Ziel sei es, weitere 20 Partnerschaften zwischen Oberstufen auf beiden Seiten der Grenze zu vermitteln. An 65 staatlichen Schulen im Lande gebe es Dänisch-Unterricht, und rund 5.000 schleswig-holsteinische Schüler lernten die Nachbarsprache, so die Ministerin.

Minderheitenschutz ist keine Symbolpolitik

Die SSW-Abgeordnete Sybilla Nitsch hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Die SSW-Abgeordnete Sybilla Nitsch hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
© Foto: Michael August

Bei der Aufnahme der Minderheiten ins Grundgesetz gehe es nicht um Symbolik, betonte Sybilla Nitsch (SSW). Es gelte, Schutz und Förderung dieser Gruppen langfristig abzusichern, unabhängig von sich verändernden politischen Mehrheiten. Heiner Garg (FDP) merkte an, dass der Landtag bereits seit den 1990er Jahren diese Forderung erhebe – zuletzt im Jahr 2019. „Es ist schade, dass wir immer wieder neue Anläufe nehmen müssen.“  

„Wir wachsen weiter zusammen“, so Dirk Kock-Rohwer (Grüne): „Wir wollen eine Region sein, die eine Grenze nicht als Abgrenzung, sondern als Verbindung, als Chance begreift.“ Birte Pauls (SPD) sah bei diesem Thema noch „ordentlich Luft nach oben“. Schleswig-Holstein sei der EU-Charta der Regional- oder Minderheitensprachen verpflichtet, aber bei deren Umsetzung bleibe noch viel zu tun. Die Wissensvermittlung an den Schulen geschehe momentan „höchstens per Zufall“. Je weiter die Grenze entfernt liege, desto geringer sei das Wissen um diese Thematik, so Pauls. Sie wies zudem darauf hin, dass die Zahl der Schüler, die Dänisch lernen, im Lande abnehme.

Der Bildungsausschuss berät alle der Debatte vorliegenden Vorlagen weiter.

Unterlegt mit zwei Anträgen und zwei Regierungsberichten setzt der Landtag eine vielschichtige Debatte zur Minderheitenpolitik auf die Agenda. Es geht allgemein um Aufklärungsarbeit an den Schulen, die Unterschutzstellung im Grundgesetz, die Nachbarschaftssprache Dänisch sowie um Partnerschaften zwischen deutschen und dänischen Oberstufenschulen.

Wissensvermittlung:
Der SSW fordert von der Landesregierung ein Konzept, wie die Wissensvermittlung zu der dänischen Minderheit im Landesteil Schleswig, der deutschen Minderheit im dänischen Nordschleswig, der schleswig-holsteinischen Friesen und der im Land lebenden deutschen Sinti und Roma forciert werden kann. Darin soll auch das Verhältnis zur „Sprecher:innengruppe Niederdeutsch“ einfließen. Die Vermittlung des geschichtlichen, kulturellen und sprachlichen Hintergrunds solle altersgerecht angepasst in die Lehrpläne der allgemeinbildenden Schulen integriert werden, heißt es. Der SSW beklagt in seinem Antrag ein „weiterhin geringes“ Wissen in der schleswig-holsteinischen Gesellschaft.

Grundgesetz:
Die Landesregierung soll sich auf Druck der SPD weiterhin dafür einzusetzen, dass der von Schleswig-Holstein, Sachsen und Brandenburg in den Bundesrat eingebrachte Antrag zur Aufnahme der nationalen Minderheiten und Volksgruppen in das Grundgesetz dort wieder aufgegriffen wird „mit dem Ziel, einen Beschluss im Sinne des Antrages herbeizuführen“. Die Sozialdemokraten verweisen darauf, dass der Antrag im Oktober 2019 in der Länderkammer von der Tagesordnung abgesetzt und noch immer nicht abschließend entschieden worden sei.

Nachbarsprache Dänisch:
Auf knapp 50 Seiten listet die Landesregierung Initiativen, Zahlen und Daten zum Thema „Förderung der Nachbarsprache Dänisch auf“. In dem Bericht werden insbesondere Projekte in Kitas und Grundschulen, das Zusammenrücken der Fehmarnbelt-Region mit der geplanten Querung oder auch die Internationalisierungsstrategie zur Unterstützung von deutsch-dänischen Schüleraustauschen als „Entwicklungen mit Zukunftspotential“ genannt.

Deutsch-dänische Schul-Partnerschaften:
Auf Bitte der Koalitionsfraktionen hin soll die Landesregierung im Plenum mündlich über den aktuellen Stand zu Partnerschaften zwischen deutschen und dänischen Schulen berichten. Dabei soll auch skizziert werden, wie das Ziel, 20 neue Partnerschaften zwischen deutschen und dänischen Oberstufenschulen einzurichten, erreicht werden soll. „Mit über 50 gemeldeten Schulpartnerschaften ist Dänemark bereits heute eines der wichtigsten Länder im Bereich gemeinsamer Schulpartnerschaften“, heißt es in dem Berichtsantrag von CDU und Grünen.

(Stand: 12. Juni 2023)

Antrag

Stärkung der Wissensvermittlung zu den vier nationalen Minderheiten und der Sprecher:innengruppe Niederdeutsch
Antrag der Fraktion des SSW ‒ Drucksache 20/991 
Alternativantrag der Fraktionen von CDU und Grünen ‒ Drucksache 20/1119

Antrag

Schutz und Förderung der autochthonen Minderheiten und Volksgruppen in das Grundgesetz aufnehmen
Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, Grünen, FDP und SSW ‒ Drucksache 20/1068(neu)

Regierungsbericht

Bericht zur Förderung der Nachbarsprache Dänisch
Antrag der Fraktion des SSW ‒ Drs. 20/260(neu) 
(Landtagsbeschluss vom 30. September 2022)
Bericht der Landesregierung ‒ Drucksache 20/730 
(Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur)

Regierungsbericht

Mündlicher Bericht zur Einrichtung von 20 Partnerschaften zwischen deutschen und dänischen Oberstufenschulen
Antrag der Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen ‒ Drucksache 20/230 
(Landtagsbeschluss vom 30. September 2022)