Auf einem Schultisch ist ein kleiner Laptop mit einer Grafik aufgerichtet. Davor steht ein kleines Modell und davor liegt eine Federtasche mit Schreibstiften.
©
Foto: dpa, Uli Deck
Wie viel Eigenverantwortung haben Eltern bei der Bildungsgerechtigkeit? Wie viel Schulkosten sind ihnen zuzumuten? Über diese Fragen hat der Landtag am Donnerstagmorgen in einer fast 90-minütigen Debatte emotional diskutiert. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sagte in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage von SPD und SSW, die Eltern hätten selbst Einfluss auf Bildungskosten. Denn: Am Ende entscheide über Ausstattung oder Klassenreisen die Schulkonferenz mit Eltern, Schülern und Lehrern, erklärte sie. „Hier besteht Drittelparität. Die Opposition zeigte sich empört – auch über die schriftlichen Antworten zu der Großen Anfrage.
Der am häufigsten vorkommende Satz dort laute: „Zu den Kosten der Eltern liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor“, beklagte der Bildungsexperte der SPD, Martin Habersaat. Er geht davon aus, dass Eltern pro Jahr durch den Schulbesuch ihrer Kinder derzeit mindestens 1200 Euro zahlen müssen. Und sogar 1600 Euro, wenn auch ein digitales Endgerät zu finanzieren ist. Selbst Familien mit mittlerem Einkommen und schulpflichtigen Kindern blieben auf der Strecke, pflichtete Jette Waldinger-Thiering (SSW) bei. Sie nannte eine durchschnittliche Kostenbeteiligung der Eltern pro Jahr von 1400 Euro.
Geringe Rückmeldequote auf Abfrage
Seit 2016 habe es „erhebliche Preissteigerungen“, etwa bei Schulmahlzeiten oder Klassenreisen gegeben, daher müssten Familien mit schulpflichtigen Kindern mehr unterstützt werden, zeigte sich die Opposition einig. Vor sieben Jahren untersuchte das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) die Lernmittelfreiheit in Schleswig-Holstein und erhob die Kostenanteile der Eltern an den schulischen Bildungskosten ihrer Kinder sowie der Schulträger pro Schüler und Schuljahr. Auf diesen Ergebnissen basierte auch ein Bericht der Landesregierung vom September 2016.
Ministerin Prien erklärte in der Debatte, für eine neue Studie – wie von SPD und SSW ursprünglich gefordert – gebe es keinen Anlass. Das Bildungsministerium startete zu einzelnen Aspekten der Großen Anfrage im Dezember und Januar eine Abfrage bei Kreisen, Schulträgern und Schulen. Die Rückmeldequote bei den Schulträgern lag demnach bei unter 10 Prozent. Nur fast die Hälfte der Kreise antwortete auf die Fragestellungen, etwa zu aktuellen Verpflegungsangeboten, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, Ausflügen oder Angeboten in den Ferien.
CDU wirbt für „Ausgabedisziplin“
Bildungsgerechtigkeit bilde „den Grundstein“ für mehr soziale Gerechtigkeit. Sowohl Sozialpolitik und Bildungspolitik müssten „ihre Hausaufgaben“ machen, so die Ministerin. Sie verwies unter anderem auf die Förderung von „Perspektivschulen in besonders herausfordernden Lagen“ und betonte das Ziel, bestehende Regelungen zur Lernmittelfreiheit im Land weiterzuentwickeln. Es gehe auch darum, „zielgenaue systemische Maßnahmen“ einzusetzen.
Anette Röttger (CDU) erklärte, gute Bildung gebe es trotz Lernmittelfreiheit nicht zum Nulltarif. Sie warb ausdrücklich für eine strenge Ausgabendisziplin und für ein gelebtes nachhaltiges Handeln in allen Bereichen der Lernmittel auch bei Schülern und in den Elternhäusern. „Wenn ich morgens beim Bäcker Auszubildende treffe, die knapp 10 Euro für sein Frühstück zahlen, frage ich mich, warum es nicht zur Gewohnheit gehört, sich zuhause Brote zu streichen und die Trinkflasche zu füllen? Das wäre deutlich günstiger.“
Grüne wollen „bundesweite Vergleichbarkeit“
Weder Land, noch Kommunen oder Bund könnten eine echte Lehrmittelfreiheit gewährleisten. Das würde „über eine halbe Milliarde Euro“ mehr kosten, schloss Malte Krüger (Grüne) an. SPD und SSW würden ein Thema aufwärmen, „von dem Sie wissen, dass es sehr kompliziert ist“, erklärte er und forderte, „eine bundesweite Vergleichbarkeit“ zu schaffen, um eine größere Stichprobe zu haben. Er begrüßte zudem, dass jede Schule selbst darüber diskutieren könne, welche Kosten – etwa für Klassenfahrten – ausgegeben werden sollen.
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt erklärte, es gehe zum einen darum, die Bildungskosten für die breite Mitte der Gesellschaft in einem angemessenen Rahmen zu halten. „Wir müssen aber den Fokus auch ganz besonders auf die Kinder und Jugendlichen richten, denen es wirtschaftlich leider nicht so gut geht wie der großen Mehrheit und für die wir endlich echte Chancengerechtigkeit erreichen wollen.“ Kein Verständnis zeigte Vogt dafür, dass die Eltern an einigen Schulen die digitalen Endgeräte für den Schulunterricht teuer bezahlen müssten. „Es ist meines Erachtens eine staatliche Aufgabe, ein geeignetes Gerät für den Unterricht bereit zu stellen.“
Das Plenum kam überein, das Thema im Bildungsausschuss abschließend weiter zu beraten.