Justizminister Claus Christian Claussen spricht zur Funktionsfähigkeit der Justiz während Corona.
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Foto: Michael August
Bus und Bahn bis in jedes Dorf: Die Koalitionsfraktionen wollen den Öffentlichen Nahverkehr ausbauen und deutlich attraktiver gestalten. Eine schöne Idee – aber utopisch, hieß es bei der Opposition. Ziel sei es, „jeden Ort Schleswig-Holsteins verlässlich und regelmäßig von früh bis spät an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) anzubinden“, heißt es in einem Antrag von CDU und Grünen. Diese „Mobilitätsgarantie“ solle für Linienbusse, Bahnen und „On-Demand-Verkehre“ gelten. Die Landesregierung soll darüber Gespräche mit den Verkehrsunternehmen und den Kommunen führen.
Fahrgäste müssten „von früh bis spät von A nach B kommen, egal wo A und B liegen“, so Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos): „Wir brauchen mehr Haltestellen, mehr Linien und eine bessere Taktung.“ Zurzeit gebe es gerade auf dem Land wenig Anreiz, das Auto stehen zu lassen. Die Garantie werde aber „nicht von heute auf morgen im ganzen Land“ eingehalten werden können, betonte der Minister.
„Sie legen dem Minister eine hohe Latte auf“
Vorbild sei das Modellprojekt „Schlei-Mobilität“, sagte Nelly Waldeck (Grüne). Dort fördert der Bund mit 29 Millionen Euro eine Taktverdichtung des Linienverkehrs mit emissionsfreien Expressbussen. Außerdem sind neue Tourismus-Linien, Bike- und Car-Sharing sowie ein On-Demand-Angebot für Fahrzeuge vorgesehen. „Dass ländliche Regionen vom ÖPNV abgeschnitten sind, ist kein Naturgesetz“, unterstrich Waldeck. Es sei ein großes Ziel, mehr Verkehre auf den ÖPNV zu verlagern, merkte Claus Christian Claussen (CDU) an: „Um es zu erreichen, bedarf es einer großen Anstrengung und Abstimmung aller Beteiligten, insbesondere auch der Kommunen.“
Bernd Buchholz (FDP) meldete Zweifel an: „Sie legen diesem Verkehrsminister eine Latte hin, unter der er nur durchlaufen kann.“ Er rief die Landesregierung auf, sich eine Frist zu setzen, bis wann das Vorhaben umgesetzt werden soll. Der SSW stimmte als einziges gegen den schwarz-grünen Plan. „Das klingt auf den ersten Blick zwar großartig“, so die Abgeordnete Sybilla Nitsch (SSW). Aber das Streckennetz müsste massiv ausgebaut und modernisiert werden, stillgelegte Strecken müssten reaktiviert werden, und das bei dem bestehenden Personalmangel bei Lokführern, Busfahrern und Gleisbauern. „Das bleibt auf absehbare Zeit in Schleswig-Holstein eine Utopie.“
SPD will „Bildungsticket“
Die Sozialdemokraten forderten außerdem ein „Bildungsticket“ als Ergänzung zum 49-Euro-Ticket, das am 1. Mai an den Start geht. Schüler, Azubis, Studenten und Freiwilligendienstler sollen nach Willen der SPD für 365 Euro im Jahr bundesweit den ÖPNV nutzen können – das wären 30,40 Euro pro Monat. Die Differenz zum 49-Euro-Ticket, also 18,60 Euro, soll das Land übernehmen. „Seit dem Neun-Euro-Ticket wissen wir, wie wichtig ein attraktiver Fahrpreis ist“, sagte Niclas Dürbrook (SPD). Gerade für junge Menschen sei eine solche „Flatrate“ wichtig: „Wer nie auf das Auto wechselt, muss auch nicht mit viel Aufwand vom ÖPNV überzeigt werden.“ Etwas Ähnliches gebe es bereits im Saarland, in Niedersachsen und in Bayern. Im Norden würden 480.000 Menschen profitieren, die Kosten lägen bei neun Millionen Euro im Monat.
Die Koalition will junge Menschen anders unterstützen: mit einem billigeren Semesterticket und einem bundesweiten Jobticket. Minister Ruhe Madsen warnte davor, zu viel Geld in billige Fahrkarten zu stecken: „Alles, was in günstige Tarifangebote geht, steht nicht mehr für den Ausbau des Angebots zur Verfügung.“ Wenn kein Bus fahre, dann nütze auch das preiswerte Ticket nichts.
EU-Pilotprojekt für überregionalen Bahnverkehr
Ein weiterer Punkt der Debatte: Die Bahnlinie Hamburg-Kolding ist Teil eines EU-Pilotprojekts für grenzüberschreitende Verkehrsverbindungen. Bei der Ausweitung des Angebots auf dieser Strecke müssten auch schleswig-holsteinische Bahnhöfe eingebunden werden. Das fordert der Landtag einstimmig.