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24. Februar 2023 – Februar-Plenum

Schwarz-Grün gibt „Mobilitätsgarantie“ ab – Opposition ist skeptisch

Wieder einmal diskutiert der Landtag über den öffentlichen Personennahverkehr. Es geht um Verlässlichkeit bei den Anbindungen, ein „Bildungsticket“ sowie den überregionalen Bahnverkehr.

Justizminister Claus Christian Claussen spricht zur Funktionsfähigkeit der Justiz während Corona.
Justizminister Claus Christian Claussen spricht zur Funktionsfähigkeit der Justiz während Corona.
© Foto: Michael August

Bus und Bahn bis in jedes Dorf: Die Koalitionsfraktionen wollen den Öffentlichen Nahverkehr ausbauen und deutlich attraktiver gestalten. Eine schöne Idee – aber utopisch, hieß es bei der Opposition. Ziel sei es, „jeden Ort Schleswig-Holsteins verlässlich und regelmäßig von früh bis spät an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) anzubinden“, heißt es in einem Antrag von CDU und Grünen. Diese „Mobilitätsgarantie“ solle für Linienbusse, Bahnen und „On-Demand-Verkehre“ gelten. Die Landesregierung soll darüber Gespräche mit den Verkehrsunternehmen und den Kommunen führen.

Fahrgäste müssten „von früh bis spät von A nach B kommen, egal wo A und B liegen“, so Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos): „Wir brauchen mehr Haltestellen, mehr Linien und eine bessere Taktung.“ Zurzeit gebe es gerade auf dem Land wenig Anreiz, das Auto stehen zu lassen. Die Garantie werde aber „nicht von heute auf morgen im ganzen Land“ eingehalten werden können, betonte der Minister.

„Sie legen dem Minister eine hohe Latte auf“

Vorbild sei das Modellprojekt „Schlei-Mobilität“, sagte Nelly Waldeck (Grüne). Dort fördert der Bund mit 29 Millionen Euro eine Taktverdichtung des Linienverkehrs mit emissionsfreien Expressbussen. Außerdem sind neue Tourismus-Linien, Bike- und Car-Sharing sowie ein On-Demand-Angebot für Fahrzeuge vorgesehen. „Dass ländliche Regionen vom ÖPNV abgeschnitten sind, ist kein Naturgesetz“, unterstrich Waldeck. Es sei ein großes Ziel, mehr Verkehre auf den ÖPNV zu verlagern, merkte Claus Christian Claussen (CDU) an: „Um es zu erreichen, bedarf es einer großen Anstrengung und Abstimmung aller Beteiligten, insbesondere auch der Kommunen.“

Bernd Buchholz (FDP) meldete Zweifel an: „Sie legen diesem Verkehrsminister eine Latte hin, unter der er nur durchlaufen kann.“ Er rief die Landesregierung auf, sich eine Frist zu setzen, bis wann das Vorhaben umgesetzt werden soll. Der SSW stimmte als einziges gegen den schwarz-grünen Plan. „Das klingt auf den ersten Blick zwar großartig“, so die Abgeordnete Sybilla Nitsch (SSW). Aber das Streckennetz müsste massiv ausgebaut und modernisiert werden, stillgelegte Strecken müssten reaktiviert werden, und das bei dem bestehenden Personalmangel bei Lokführern, Busfahrern und Gleisbauern. „Das bleibt auf absehbare Zeit in Schleswig-Holstein eine Utopie.“

SPD will „Bildungsticket“

Die Sozialdemokraten forderten außerdem ein „Bildungsticket“ als Ergänzung zum 49-Euro-Ticket, das am 1. Mai an den Start geht. Schüler, Azubis, Studenten und Freiwilligendienstler sollen nach Willen der SPD für 365 Euro im Jahr bundesweit den ÖPNV nutzen können – das wären 30,40 Euro pro Monat. Die Differenz zum 49-Euro-Ticket, also 18,60 Euro, soll das Land übernehmen. „Seit dem Neun-Euro-Ticket wissen wir, wie wichtig ein attraktiver Fahrpreis ist“, sagte Niclas Dürbrook (SPD). Gerade für junge Menschen sei eine solche „Flatrate“ wichtig: „Wer nie auf das Auto wechselt, muss auch nicht mit viel Aufwand vom ÖPNV überzeigt werden.“ Etwas Ähnliches gebe es bereits im Saarland, in Niedersachsen und in Bayern. Im Norden würden 480.000 Menschen profitieren, die Kosten lägen bei neun Millionen Euro im Monat.

Die Koalition will junge Menschen anders unterstützen: mit einem billigeren Semesterticket und einem bundesweiten Jobticket. Minister Ruhe Madsen warnte davor, zu viel Geld in billige Fahrkarten zu stecken: „Alles, was in günstige Tarifangebote geht, steht nicht mehr für den Ausbau des Angebots zur Verfügung.“  Wenn kein Bus fahre, dann nütze auch das preiswerte Ticket nichts.

EU-Pilotprojekt für überregionalen Bahnverkehr

Ein weiterer Punkt der Debatte: Die Bahnlinie Hamburg-Kolding ist Teil eines EU-Pilotprojekts für grenzüberschreitende Verkehrsverbindungen. Bei der Ausweitung des Angebots auf dieser Strecke müssten auch schleswig-holsteinische Bahnhöfe eingebunden werden. Das fordert der Landtag einstimmig.

Jeder Ort in Schleswig-Holstein soll „verlässlich und regelmäßig von früh bis spät“ an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angebunden werden. Diese Forderung für eine „Mobilitätsgarantie für Schleswig-Holstein“ bringen CDU und Grüne ins Plenum ein. Die Landesregierung wird aufgefordert, ein entsprechendes Konzept mit Einbindung von Bus, Bahn, aber auch anderen abrufbereiten Verkehrsträgern zu erarbeiten.

Als Vorbild führt Schwarz-Grün das Modellprojekt „Schlei-Mobilität – innovativ, ländlich, emissionsfrei“ an. Der Bund stärkt den öffentlichen Personennahverkehr in der Schlei-Region mit 29,3 Millionen Euro. Das Projekt sieht unter anderem eine Taktverdichtung des Linienverkehrs durch die Einführung von emissionsfreien Expressbussen entlang der Hauptlinien vor. Zudem sollen neue Tourismus-Linien eingeführt, barrierefreie Mobilitätstationen inklusive Bike- und Car-Sharing aufgebaut sowie ein flächendeckendes On-Demand-Angebot für Fahrzeuge auf Nachfrage eingeführt werden.

SPD will „Bildungsticket“

Ein weiteres Thema der Debatte ist die Forderung der SPD-Fraktion nach einem sogenannten Bildungsticket für junge Menschen. Dabei handelt es sich um einen günstigen Jahresfahrschein für Schüler, Auszubildende, Studierende und Freiwilligendienstleistende für den öffentlichen Nahverkehr. Ein vorliegender Antrag nennt ein 365-Euro-Ticket. Umgerechnet wären dies 30,40 Euro im Monat. Die Differenz zum geplanten 49-Euro-Deutschland-Ticket von 18,60 Euro soll das Land decken.

Nach Angaben des Verkehrspolitikers der SPD, Niclas Dürbrook, würde das „Bildungsticket“ das Land zwischen vier und fünf Millionen Euro im Monat kosten. Etwa 480 000 junge Leute kämen für eine Nutzung infrage. Die Landesregierung wird aufgefordert, das Thema mit den kommunalen Spitzenverbänden, Verkehrsunternehmen sowie Vertretungen von Schülern, Auszubildenden und Studierenden zu erörtern.

Bahn-Haltepunkte anmelden

Ebenfalls Teil der Debatte ist der grenzüberschreitende Bahnverkehr. CDU, Grüne, SPD, FDP und SSW begrüßen, dass die EU Ende Januar die Verbindung Deutschland-Dänemark-Schweden als eines ihrer zehn Pilotprojekte beim Programm „Connecting Europe by train“ ausgewählt hat. Hierunter fallen auch Verbindungen über die Jütlandlinie (Hamburg – Neumünster– Kolding). Bislang sei jedoch unklar, ob Schleswig-Holstein auf der Strecke nur als Transitland vorgesehen ist, heißt es in dem interfraktionellen Antrag.

Die Landesregierung soll sich daher „für verkehrlich sinnvolle Halte“ im Land einzusetzen. Es gehe um eine „optimale Anbindung für Fahrgäste aus Schleswig-Holstein an diese Züge“, so die Fraktionen. Mit dem EU-Programm sollen neue Schienenverkehrsdienste eingerichtet oder bestehende Projekte verbessert werden mit dem Ziel, Bahnmobilität „schneller, häufiger und erschwinglicher“ zu machen.

FDP-Antrag vor Ablehnung

Von der Regierungskoalition im Wirtschafts- und Digitalisierungsausschuss abgelehnt wurde ein FDP-Antrag „für einen qualitativ hochwertigen und ausgebauten Nahverkehr mit effizienten und transparenten Strukturen“. Darin führen die Liberalen sechs Punkte an. Oberste Priorität habe es, „eine Abbestellung von Verkehrsleistungen“ zu verhindern. Hierfür müsse das Land neben höheren Regionalisierungsmitteln vom Bund eigene Mittel zur Verfügung stellen, mahnen die Liberalen. Zudem sollen Qualitäts- und Infrastrukturausbau im ÖPNV vorangetrieben werden.

(Stand: 20. Februar 2023)

Vorherige Debatten zum Thema:
September 2022 (Deutschlandticket)
Oktober 2021 (Fernverkehr Bahn / 19. WP.)

Antrag / Ausschussempfehlung

a. Mobilitätsgarantie für Schleswig-Holstein
Antrag der Fraktionen von CDU und B´90/Die Grünen ‒ Drucksache 20/572
b. Für einen qualitativ hochwertigen und gut ausgebauten Nahverkehr mit effizienten und transparenten Strukturen
Alternativantrag der Fraktion der FDP ‒ Drucksache 20/294
Bericht und Beschlussempfehlung des Wirtschafts- und Digitalisierungsausschusses ‒ Drucksache 20/563

Antrag

Ein Bildungsticket für Schleswig-Holstein
Antrag der Fraktion der SPD ‒ Drucksache 20/689 
Alternativantrag von CDU und Grünen ‒ Drucksache 20/750

Antrag

Für grenzüberschreitenden Schienenverkehr mit Halt in Schleswig-Holstein
Antrag der Fraktionen von CDU, Grünen, SPD, FDP und SSW ‒ Drucksache 20/709(neu/2. Fassung)