Die SPD-Abgeordnete Beate Raudies hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Michael August
Mit klaren Worten hat der Landtag Gewalt gegen Frauen und Mädchen geächtet. „Ich bin es leid, dass die notwendige Ernsthaftigkeit beim dem Thema fehlt“, machte Gleichstellungsministerin Aminata Touré (Grüne) ihrem Ärger Luft. Sie forderte einen „Paradigmenwechsel“ hin zu mehr Aufmerksamkeit und Prävention. Am „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ verabschiedete das Plenum einstimmig zwei fraktionsübergreifende Anträge. Frauenfacheinrichtungen sollen gestärkt und ein Kompetenzzentrum zu dem Thema eingerichtet werden.
Laut der Ministerin wurden im vergangenen Jahr im Land 3899 Frauen Opfer partnerschaftlicher Gewalt. Fast 1000 Frauen hätten Zuflucht in entsprechenden Einrichtungen gesucht. Wenn die Frauenhäuser in Nordfriesland und Schleswig-Flensburg fertig sind, gebe es zwischen Nord- und Ostsee 386 Schutz-Plätze.
SPD: Sieben Todesopfer in 2022
Beate Raudies (SPD) erinnerte daran, dass an jedem dritten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet werden. Sieben seien es in 2022 alleine in Schleswig-Holstein. Das sei „unfassbar, unerträglich und nicht hinzunehmen“. Der Europarat habe Deutschland zuletzt schlechte Noten beim Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt bescheinigt, bemängelte Raudiesund plädierte dafür, auch schutzsuchende Frauen aus dem Iran aufzunehmen.
Fraktionsübergreifende Zustimmung gab es für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums. Dieses soll vorhandene und neue Angebote unter einem Dach vernetzen und mehr Öffentlichkeitsarbeit machen. Ziel sei es, „die Sicherheit und Prävention landesweit noch besser zu bündeln, Gewalt früher zu erkennen und zu verhindern und besseren Schutz zu gewähren“, erklärte Aminata Touré.
Istanbul-Konvention achten
Die Grünen-Abgeordnete Catharina Nies hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Auch Katja Rathje-Hoffmann (CDU) warb für diese Einrichtung, die gemeinsam mit verschiedenen Expertinnen und Experten betrieben werden soll. Dunkelfeldstudien nach hätten in Schleswig-Holstein in den vergangenen zwölf Monaten 12.180 Frauen sexualisierte und 36.640 Frauen häusliche Gewalt ertragen müssen, erklärte sie: „Mit schlimmen körperlichen und seelischen Folgen und mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen, wie zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit und fehlende Unterhaltszahlungen.“
„Wir werden der Ursachenbekämpfung von Gewalt einen neuen Stellenwert geben“, schloss Catharina Johanna Nies (Grüne) an und fragte, warum man dieses gesellschaftliche Problem nicht in den Griff bekomme. Die Umsetzung der Istanbul-Konvention bilde „eines der zentralen Ziele“. Auch Annabel Krämer (FDP) ging darauf ein. Sie erklärte, im Durchschnitt brauche eine Frau sieben Jahre bis sie sich „aus einem Martyrium befreit“. Am 1. Februar dieses Jahres ist in Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, in Kraft getreten. Damit verpflichtet sich Deutschland auf allen staatlichen Ebenen alles dafür zu tun, dass Gewalt gegen Frauen bekämpft, Betroffenen Schutz und Unterstützung geboten und Gewalt verhindert wird.
Noch immer werden Frauen abgelehnt
Jette Waldinger-Thiering (SSW) betonte, die Aufgabe, Frauen und Kinder vor Gewalt zu schützen, sei durch Corona „aktueller denn je“. Diese Situation dürfe nicht weiter hingenommen werden. Sie warnte davor, zugunsten des Kompetenzzentrums auf die Unterstützung bestehender Strukturen zu verzichten. „Denn unsere Frauenhäuser und Beratungsstellen müssen nicht nur erhalten, sondern weiter ausgebaut werden“, so Waldinger-Thiering.
Bedauern herrschte fraktionsgreifend darüber, dass noch immer jeden Tag Frauen in Frauenhäusern in Schleswig-Holstein abgelehnt werden müssten, weil diese überlastet sind. Hier müssten weitere Plätze geschaffen werden, so der einhellige Tenor.