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24. November 2022 – November-Plenum

Notkredit infolge des Ukraine-Kriegs wird erhöht

Der Landtag macht den Weg für eine weitere Verschuldung in Höhe von maximal einer Milliarde Euro frei. Die Abgeordneten stellen mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine außergewöhnliche Notsituation fest.

Zwei Stapel Zwei-Euro_Münzen sind vor schwarzem Hintergrund zu sehen.
Zwei Stapel Zwei-Euro_Münzen sind vor schwarzem Hintergrund zu sehen.
© Foto: dpa, Oliver Berg

Der Notkredit des Landes zur Bewältigung der Folgen des Ukraine-Kriegs wird um eine Milliarde Euro aufgestockt – auf 1,4 Milliarden Euro. Diesen Kurs von CDU und Grünen tragen auch SPD und SSW mit. Es herrsche derzeit eine „außergewöhnliche Notsituation“, die ein Abweichen von der Schuldenbremse in der Landesverfassung erforderlich mache, heißt es in einem gemeinsamen Papier der vier Fraktionen. Für einen solchen Schritt ist eine Zweidrittelmehrheit im Landtag nötig, die Schwarz-Grün auch ohne die beiden Oppositionsfraktionen gehabt hätte. Lediglich die FDP ist nicht mit im Boot. Die Liberalen halten die Erhöhung des Notkredits für verfassungswidrig, weil damit Vorhaben finanziert würden, die nichts mit der aktuellen Krise zu tun hätten – etwa Klimaschutzmaßnahmen und Infrastrukturprojekte.

„Dies verstößt eindeutig gegen die Verfassung unseres Landes“, protestierte Annabell Krämer (FDP). Die neuen Schulden würden „zur Finanzierung von Koalitionsprojekten zweckentfremdet“. Die Aufhebung der Schuldenbremse sei nur für kurzfristige, akute Maßnahmen gedacht, so Krämer. Neue schulden seien zudem nicht erforderlich, denn das Land erwarte Steuermehreinnahmen von mehr als fünf Milliarden Euro bis 2026. Zudem seien aus dem im Frühjahr beschlossenen ersten Ukraine-Kredit noch mehr als 300 Millionen Euro übrig. Die FDP habe eine Klage beim Landesverfassungsgericht ins Auge gefasst. Die fünfköpfige Fraktion ist aber zu klein, um dies allein auf den Weg zu bringen.

Heinold: keine Wunschprojekte

Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) wies den Verdacht „aufs Schärfste“ zurück, die Koalition würde „Krieg und Krise als Vorwand für Traumprojekte“ missbrauchen. Die „Dekarbonisierung der Wirtschaft“ sei kein Wunschprojekt, sondern „eine der Grundlagen, damit wir in unserem Land in Richtung Energiewende durchstarten“. In dieser Zeit müsse die Politik „Orientierung und Sicherheit“ geben, so Heinold. Zum Jahresende werde der Landeshaushalt eine Verschuldung von 32 Milliarden Euro aufweisen, hinzu kämen mindestens 2,3 Milliarden aus den Corona-Krediten und 1,4 Milliarden aus den Ukraine-Krediten. „Das schmerzt“, betonte die Ministerin – aber auch der Bund mit dem FDP-Finanzminister Christian Lindner agiere ähnlich.

Es gebe zwar zusätzliche Steuereinnahmen, merkte CDU-Fraktionschef Tobias Koch an, aber „damit lassen sich die Folgen des Ukraine-Kriegs nicht bewältigen“. Die Belastungen für den Landeshaushalt seien zuletzt weiter gewachsen, etwa mit dem Landesanteil am 49-Euro-Ticket, mit den Tarifabschlüssen für Kita-Personal und Busfahrer oder dem höheren Kindergeld. Dies sei „keine leichte Entscheidung“, so Lasse Petersdotter (Grüne), aber die „humanitäre Aufnahme von Geflüchteten“ dürfe nicht am Geld scheitern. Es stehe noch nicht fest, wie viel von der jetzt bewilligten Milliarde tatsächlich ausgegeben werde: „Wir schaffen einen Handlungsspielraum für die kommenden beiden Haushaltsjahre.“

SPD: kein Rotstift in Krisen

In der aktuellen Krise dürfe es keine „Abdankung des Staates als Garant für gesellschaftlichen Ausgleich“ geben, begründete Thomas Losse-Müller die Zustimmung der SPD. Er wies auf die Entlastungspakete des Bundes, die Erhöhung des Mindestlohns, die Wohngeldreform und die Einführung des Bürgergeldes hin. „In der aktuellen Krise wollen wir keinen Rotstift ansetzen“, so Losse-Müller. „Uns allen ist bewusst, mit welchen gigantischen Summen wir hier hantieren“, betonte Lars Harms (SSW). Aber: „Der Staat muss für alle da sein.“ Wer behaupte, die anstehenden Aufgaben könnten ohne den Notkredit bewältigt werden, der solle entsprechende Kürzungen im Sozial- oder Kulturbereich vorlegen, saget Harms in Richtung FDP.

Die große Mehrheit im Landtag will den Notkredit zur Bewältigung der Folgen des Ukraine-Kriegs um eine Milliarde Euro erhöhen. Die Regierungsfraktionen CDU und Grüne verständigten sich dazu wenige Tage vor der Plenartagung mit den Oppositionsfraktionen SPD und SSW auf einen gemeinsamen Antrag. Die Auswirkungen des Kriegs auf die Energiemärkte bedeuteten eine außergewöhnliche Notsituation, hieß es zur Begründung. Die vier Fraktionen folgen damit einem Vorschlag von Finanzministerin Monika Heinold (Grüne). Nur die FDP ist nicht mit im Boot.

Bisher ist ein Ukraine-Notkredit über 400 Millionen Euro bewilligt; nun soll er auf 1,4 Milliarden wachsen – trotz beachtlicher Steuermehreinnahmen. Der Landtag hatte im Frühjahr die 400 Millionen aus dem Corona-Notkredit in einen Ukraine-Notkredit umgewandelt. Der Kreditrahmen werde nur in der Höhe genutzt, wie es zur Krisenbewältigung nötig sei, versicherte Heinold.

Antragsteller beschwören Notsituation

Dem Plan der Antragsteller zufolge sollen die neuen Mittel nicht nur für Versorgung, Schutz, Aufnahme und Integration der Ukraine-Flüchtlinge verwendet werden, sondern besonders zur Finanzierung diverser Entlastungsbeschlüsse von Bund und Land. Auch wird die Summe der Investitionen in ein klimaneutrales Schleswig-Holstein um weitere 30 Millionen erhöht, da die Bewältigung der aktuellen Krise eng mit der Notwendigkeit der Energiewende verbunden sei.

FDP-Fraktionsvize Annabell Krämer kritisierte dagegen, der Notkredit stehe nicht auf den Säulen der Verfassung: „Mit dem Notkredit werden zum Teil Projekte finanziert, die nichts mit der Lösung der aktuellen Probleme und Sorgen der Menschen zu tun haben“. Eine ähnliche Kritik hat auch der Landesrechnungshof erhoben.

CDU, Grüne, SPD und SSW sind anderer Meinung: „Die Ursachen dieser außergewöhnlichen Notsituation entziehen sich der Kontrolle des Landes Schleswig-Holstein. Zu ihrer Bewältigung sind zusätzliche finanzielle Mittel und somit das Überschreiten der zulässigen Kreditaufnahme bereits für das Jahr 2022 erforderlich“, heißt es in dem gemeinsamen Antrag. Über den Haushaltsentwurf wird der Landtag kommenden Monat in Erster Lesung beraten.

(Stand: 21. November 2022)

Vorherige Debatte zum Thema:
April 2022

Antrag

Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Energiemärkte sind eine außergewöhnliche Notsituation
Antrag der Fraktion der SPD ‒ Drucksache 20/317
Alternativantrag der Fraktionen von CDU, Grünen, SPD und SSW ‒ Drucksache 20/431 (neu/2. Fassung)