CDU-Ministerpräsident Daniel Günther hält eine Rede im Plenarsaal des Landtages
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Foto: Michael August
Unter dem Motto „zusammenhalten – zusammen gestalten“ hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) heute das Programm seiner schwarz-grünen Koalition im Landtag vorgestellt. „Für viele Menschen mag der Blick in die Zukunft heute ein sorgenvoller Blick sein. Doch ich versichere Ihnen, wir werden alles tun, um auch das gemeinsam durchzustehen“, so der Ministerpräsident in seiner ersten Regierungserklärung zwei Monate nach seiner Wiederwahl als Regierungschef. Die Opposition übte teils scharfe Kritik: CDU und Grüne böten Formelkompromisse statt konkreter Lösungen. SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller warf Günther vor, „keine Orientierung in herausfordernden Zeiten“ zu haben.
Günther nannte Klimaschutz, Energiekosten und soziale Gerechtigkeit in Zeiten der Krise als die größten Herausforderungen für die schleswig-holsteinische Politik in den kommenden Jahren. Dem Land stehe eine „ungewisse kalte Jahreszeit“ bevor, sagte er: „Wir laufen auf eine Gasmangellage zu.“ Der Regierungschef kündigte ein 50-Millionen-Euro-Programm an, um Privathaushalte beim Energiesparen zu unterstützen. Zudem werde es ein Energiesparprogramm für 450 öffentliche Gebäude geben.
Erste „wesentliche Meilensteine“ bis Oktober
„Wir werden als Staat nicht alle Lasten ausgleichen können“, betonte Günther und forderte vom Bund ein weiteres Entlastungspaket. Für die kommende Woche kündigte er ein „Energiespitzengespräch“ mit den Kommunen, der Wirtschaft sowie mit Verbänden und weiteren gesellschaftlichen Gruppen an.
Trotz der aktuellen Lage unterstrich Günther den Plan der Koalition, das Land bis 2040 klimaneutral zu gestalten: „Wir wollen die ersten sein, die das schaffen.“ Der Ausbau der erneuerbaren Energien könne „zum entscheidenden Standortfaktor“ werden. Daneben kündigte er mehr Geld für Personal in den Kitas und erweiterte Ganztagsangebote an. Eine Eigenheimzulage soll Häusle-Bauer unterstützen. Der ÖPNV soll ausgebaut werden, ebenso wie die Fahrradwege und die Ladesäulen für E-Autos. Der Kampf gegen den Fachkräftemangel in Handwerk und Pflege sowie eine rasche Digitalisierung der Verwaltung nannte der Regierungschef als weitere Schwerpunkte. Bis 7. Oktober sollen bereits „wesentliche Meilensteine“ umgesetzt sein, so Günther.
„Fortschrittsopposition gegen schwarz-grüne Gemütlichkeit“
SPD-Oppositionsführer Thomas Losse-Müller hält eine Rede im Plenarsaal des Landtages
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Foto: Michael August
Der Ministerpräsident biete den Menschen „keine Orientierung in herausfordernden Zeiten“, kritisierte Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD). So habe Schwarz-Grün keine Antworten auf die angespannte Lage am Wohnungsmarkt und auf den Fachkräftemangel. „Wir leben in zwei verschiedenen Ländern“, merkte der SPD-Fraktionschef an: „ein Land, für das Schwarz-Grün Politik macht, und ein Land, das sich Sorgen macht“. Viele Menschen hätten nichts von Zuschüssen für die energetische Sanierung von Eigenheimen oder von der Unterstützung für E-Autos.
Losse-Müller warf der Regierung „soziale Kitt-Folklore“, „Wohlfühl-Populismus“ und „gönnerhafte Almosen“ vor. Bei konkretem Problemen erkläre sich die Koalition hingegen für nicht zuständig, etwa bei Pendlern, die unter den hohen Spritpreisen leiden, oder bei Familien, die ihren Kindern keinen Laptop für die Schule kaufen könnten. Für diese Menschen wolle die SPD Politik machen: „Wir sorgen dafür, dass alle wissen, wie Zusammenhalt funktioniert.“ Gemeinsam mit FDP und SSW werde es eine „Fortschrittsopposition gegen die schwarz-grüne Gemütlichkeit“ geben, kündigte Losse-Müller an.
CDU-Fraktionschef sieht Kriegswinter heraufziehen
Tobias Koch wies einen weiteren von der Opposition erhobenen Vorwurf der Spaltung der Koalition klar zurück. Zugleich forderte er die Bundesregierung auf, Worten Taten folgen zu lassen. „Was wir in Krisenzeiten brauchen, ist ein klarer Kurs und Geschlossenheit“, sagte der CDU-Fraktionschef in Schleswig-Holstein mit Blick auf Berlin. Den Deutschen stehe „der erste Kriegswinter seit Ende des Zweiten Weltkriegs bevor“, fügte er mit Blick auf die Auswirkungen des russischen Angriffkriegs auf die Ukraine an.
Der Ausbau der Energie-Infrastruktur gehe im Land gut voran, erklärte Koch und verwies hier auf den geplanten Flüssiggasterminal in Brunsbüttel. Er versprach unter anderem eine Evaluation und einen Personalergänzungsfonds für Kitas, eine Cyberhundertschaft bei der Polizei, eine verkehrsübergreifende Mobilitäts-App, ein virtuelles Bauamt, ein Wellcome-Center für neue Fachkräfte aus dem Ausland und Programme gegen Kindesmissbrauch. Weiter soll seinen Worten zufolge die Corona-Notlage beendet, die Düngemittelverordnung in den Fokus genommen und Flächenstilllegungen ausgesetzt werden.
Grüne: Geschlossen und fokussiert in schwieriger Zeit
„Diese Regierung startet fokussiert und geschlossen in eine schwierige Zeit“, schloss Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter an. Er stellte den Klimaschutz in den Mittelpunkt. Hier müsse Schleswig-Holstein „Pionierregion“ und damit schneller werden. Daher werde das Thema auch in die Landesverfassung geschrieben. Ziel sei es, bis 2040 „klimaneutrales Industrieland“ zu werden.
Petersdotter äußerte ebenfalls deutliche Kritik an der Politik auf Bundesebene. Während Grüne als Regierungspartei in Berlin in vielen Bereichen „über ihren Schatten“ springen würden, blockiere FDP-Bundesfinanzminister Lindner „alles“. Zudem ziehe sich der Bund aus der finanziellen Verantwortung von Projekten zurück, „die Sprach-Kitas sind nur ein Beispiel von vielen“, so Petersdotter. Für Schleswig-Holstein kündigte er „erste Schritte Richtung Nationalpark Ostsee“ an, ein Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete, einen Landesaktionsplan „Echte Vielfalt 2.0“ sowie einen „Kulturpakt 2030“.
Liberale sehen „Bündnis ohne Esprit“
Die FDP reagierte auf die Regierungserklärung und die Beiträge der Koalitionsfraktionen enttäuscht und sprach von einem „erstaunlich passiven Start“ und einem „Bündnis ohne Esprit“. Das Kabinett sei über Wochen in Krisenzeiten „abgetaucht“ und der Ministerpräsident habe in der Regierungserklärung nur den Koalitionsvertrag wiedergegeben, monierte Fraktionschef Christopher Vogt: „Das ist wie ein Schiff, das keinen Motor mehr hat.“ Auch das Land habe eine große Verantwortung bei der Entlastung der Bürger. „Immer nur auf den Bund zu zeigen, ist ganz dünne Soße“, so Vogt.
Der Liberale sprach sich für Beitragsfreiheit in Kitas als „klares Entlastungssignal an die jungen Familien im Land“, die Stärkung von grünen Wasserstoff, ein Solarkataster für landeseigene Gebäude und gegen die „Aufblähung der Landesregierung“ und die neue Ressourcenzuordnung im Kabinett aus.
SSW: Nicht nur prüfen und Absichten erklären
Ähnlich ernüchtert äußerte sich SSW-Fraktionschef Lars Harms. Man könne über das Programm der Regierungskoalition „eigentlich nur mit dem Kopf schütteln.“ Außer Prüfaufträgen oder Absichtserklärungen zur Fortführung von bestehenden Projekten stehe nicht viel drin. Dabei sei es notwendig, die Bürger jetzt schnell zu entlasten, hob er hervor. In diesem Zusammenhang warnte Harms davor, Kommunalvertretungen zu verkleinern oder kommunale Bürgerbegehren zu beschränken.
Harms verlangte eine Mietpreisbremse, eine Planung für Photovoltaikanlagen in der Fläche, eine „Entlastung bei den Kindertagesstätten-Preisen“, die Fortsetzung des Neun-Euro-Tickets sowie eine festgeregelte Gleichbehandlung von freien und dänischen Schulen. Hier sei es bisher von politischen Mehrheiten abhängig, ob Kosten übernommen werden. Zudem mahnte der SSW-Mann eine Reform im Planungsrecht an, auch um Klimaschutzmaßnahmen schneller vorantreiben zu können.