Die SPD-Abgeordnete Serpil Midyatli und der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch führen im Plenarsaal des Landtages ein Gespräch.
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Foto: Michael August
Um 17:54 Uhr war es geschafft: Nach fast achtstündiger Debatte bewilligt das Parlament der Landesregierung ihren 14,6-Milliarden-Etat für das kommende Jahr. Nach hartem Schlagabtausch zwischen Koalitionsfraktionen und Opposition stimmen CDU, Grüne und FDP für das von Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) vorgelegte Zahlenwerk. Auch der SSW schließt sich der Regierungskoalition an. SPD und AfD-Zusammenschluss sowie ein fraktionsloser Abgeordneter stimmen dagegen.
Der Etat ist weiterhin von der Corona-Krise geprägt. Das Finanzministerium rechnet mit Einnahmen von 13,9 Milliarden Euro und Ausgaben von 14,6 Milliarden. Nach der positiven Steuerschätzung vom November will das Land Schulden von 259 Millionen Euro tilgen. Um die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen, sollen Mittel aus dem im Vorjahr bewilligten Corona-Notkredit und aus Rücklagen für Investitionen genutzt werden. Die Investitionsquote beträgt 10,9 Prozent. Gut ein Drittel der Ausgaben entfallen auf Personalkosten. Der Landtag begann seine Haushaltsdebatte am Morgen mit den Statements der Fraktionsvorsitzenden und Finanzministerin Heinold. Anschließend nahmen die finanzpolitischen Experten der Fraktionen Stellung zu einer Vielzahl an Einzelplänen.
Koch: „Herausforderungen extrem hoch“
Das laufende Jahr sei besser gelaufen als angenommen, allerdings habe sich der Ausblick auf das kommende Jahr „eingetrübt“, erklärte CDU-Fraktionschef Tobias Koch, der als erster Redner der fast ganztägigen Haushaltsberatung an das Mikrofon trat. Er sei stolz darauf, was Jamaika selbst unter schwierigen Bedingungen der Pandemie geschafft habe. Positiv sei, dass der ursprünglich geplante Notkredit in Höhe von 5,5 Milliarden Euro nicht voll ausgenutzt wurde. Hier stünden 350 Millionen weniger Schulden auf der Liste.
Durch weitere Einsparungen könne die Verschuldung des Landes insgesamt um 3,4 Milliarden Euro geringer ausfallen als zuvor gedacht, betonte Koch: „Dennoch bleiben die Herausforderungen für den Landeshaushalt extrem hoch.“ Kritik der SPD an Ausgaben wies er als „in der Sache falsch“ zurück. Die Investitionen kämen an der richtigen Stelle, die Weichen für die Zukunft würden gestellt. Die Vorschläge der Opposition seien hingegen nicht umsetzbar: „Für finanziell Unmögliches bleibt die SPD zuständig“, so Koch.
Midyatli: „Jamaika hat fertig“
SPD-Oppositionsführerin Serpil Midyatli nutzte die Haushaltsdebatte für eine Attacke auf die Koalition: „Jamaika hat fertig.“ Die Menschen seien bereit für einen Aufbruch, „aber diese Landesregierung hat keinen Plan und gibt keine Richtung vor.“ Insbesondere die CDU sei ein „Bremser“ und gehöre in die Opposition. „Sie verfehlen ihre eigenen Klimaziele“, warf Midyatli dem Regierungslager vor. Der Haushalt enthalte „mehr Mittel für Straßenbau als für Klimaschutz“. Die Digitalisierung der Schulen komme nicht voran, und „Ihre halbgare Kita-Reform hat keines der Probleme gelöst“. Schleswig-Holstein sei immer noch das einzige Nordland, das von den Eltern Beiträge für den Kita-Besuch verlange. Midyatlis Fazit: „Sie sind nicht in einer Haushaltskrise, Sie sind in einer Schaffenskrise.“
Die Sozialdemokraten fordern 20 Millionen Euro für eine kostenlose fünfstündige Krippenbetreuung sowie fünf Millionen für die Rückkehr zur Kita-Beitragsfreiheit für Kinder mit Behinderung. Die Finanzierung der Frauenhäuser und Beratungsstellen soll nach Willen der Sozialdemokraten dauerhaft um 1,7 Millionen Euro erhöht werden. Das Förderprogramm für Innenstädte und Ortszentren soll mit fünf Millionen Euro verlängert werden. Zudem will die SPD 40 zusätzliche Stellen für die Digitalisierung der Landesverwaltung schaffen. Insgesamt haben die SPD-Haushaltsanträge ein Volumen von 69,1 Millionen Euro, die nach Angaben der Fraktion durch Kürzungen an anderer Stelle gegenfinanziert sind.
Eka von Kalben: Jamaika macht das Land grüner
Die Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben wehrte sich gegen die Kritik ihrer Vorrednerin. In einer Koalition müsse man Kompromisse machen. „Der Haushalt spiegelt wider, wofür eine breite Mehrheit der Bevölkerung ihre Stimme abgegeben hat“, so von Kalben. Und: „Allen Unkenrufen zum Trotz haben wir dieses Land in schwierigen Jahren gestaltet“, resümierte sie. Aktuell gebe die Koalition „unheimlich viel Geld für Bildung“ aus, 610 Millionen Euro stünden für Kitas bereit, gegenüber 253 Millionen im Jahr 2017. An den Schulen seien mehr als 720 neue Lehrerstellen geplant, 184 Millionen Euro sollen in den Schulbau fließen und 72 Millionen für digitale Endgeräte. Weitere 10 Millionen Euro investiere die Jamaika-Koalition in Perspektivschulen.
Als weiteren Schwerpunkt nannte die Grünen-Politikerin den Klimaschutz. Der Haushalt 2022 sei auch der Start der Biodiversitätsstrategie. Vier Millionen Euro seien dafür eingeplant. In der laufenden Wahlperiode seien fast drei Milliarden Euro Bundes-, Landes- und EU-Gelder in Klimaschutz, Energiewende und Anpassung an den Klimawandel geflossen, betonte sie. Das Land sei unter der Jamaika-Koalition grüner geworden.
Vogt: „Alles geht nicht“
Christopher Vogt, der Fraktionsvorsitzende der FDP, gab sich kämpferisch: „Wir bringen unser Land bestmöglich durch die Krise“, sagte er. „Gesundheitlich, wirtschaftlich und gesellschaftlich“ stehe Schleswig-Holstein aktuell so gut da wie kaum eine andere Region. Und Jamaika investiere weiter in die Zukunftsfähigkeit des Landes. Auch er hob die Kita-Reform als Schwerpunkt hervor. Eine Milliarde sei in dieser Wahlperiode zusätzlich für die Kitas ausgegeben worden.
Neben Schulbau und mehr Lehrerstellen nannte Vogt mehr Investitionen in die Krankenhäuser als einen weiteren Schwerpunkt des Haushalts 2022. Diese müssten „dringend saniert werden“, ebenso wie die Infrastruktur. Und Vogt gab zu bedenken: „Es geht eben nicht alles, das Land hat enorme Altlasten.“ Nach der Krise werde das Land mehr Haushaltsdisziplin brauchen.
SSW kann mit Haushalt „gut leben“
Er könne mit dem Haushalt insgesamt „gut leben“, erklärte der Vorsitzende des SSW im Landtag, Lars Harms. Er hielt allerdings fest, es gebe „Licht und Schatten“. Insgesamt sei Schleswig-Holstein in finanzieller Sicht „ganz gut“ durch die Corona-Pandemie gekommen. Das stimme ihn vorsichtig optimistisch. Der SSW, so Harms, stehe für „skandinavisch-geprägte und pragmatische Haushaltspolitik“.
Harms kritisierte aber auch Punkte, in denen die Jamaika-Koalition „nicht ehrlich“ sei. Das betreffe zum einen das seit Jahren zugesagte Weihnachtsgeld für die Beamten, das nach wie vor nicht eingeplant sei – ebensowenig wie die zugesagte E-Sport-Akademie an der Fachhochschule Westküste, die nun nicht komme. Zudem wandte er sich klar gegen die Abschiebehaftanstalt in Glückstadt. Der Bau müsse so schnell wie möglich wieder geschlossen werden. „So könnte man mit einem Schlag mehrere Millionen Euro Steuergelder einsparen und für wichtigere Projekte einsetzen“, sagte Harms.
AfD-Politiker prangert „Taschenspieler-Tricks“ an
Für den Zusammenschluss der AfD hob Jörg Nobis hervor, „ein verfassungswidriger Haushalt bleibt ein verfassungswidriger Haushalt“. Die Verwendung von Teilen von Notkrediten für Maßnahmen wie die E-Mobilität nannte er „Taschenspieler-Tricks“. Zudem sprach er von einem „völlig unsoliden“ Budget.
Schleswig-Holstein habe kein Problem mit Einnahmen, sondern mit Ausgaben, so Nobis. Die AfD reichte 83 Änderungen ein. So könne es „Einsparungen in Höhe von 105 Millionen Euro“ geben, ohne dass dabei Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie litten, erklärte Nobis. Er forderte, statt Geld für „staatlich geförderte Insektenhotels“ oder den Klimaschutz auszugeben, müsse dafür gesorgt werden, dass die Strompreise bezahlbar blieben.
Heinold hebt Kita-Politik hervor
Grünen-Finanzministerin Monika Heinold hält eine Rede im Plenarsaal des Landtages.
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Foto: Thomas Eisenkrätzer
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) sprach von einem „starken Haushalt“, der weder „ein Wahlkampf-Haushalt noch ein Wolken-Kuckucksheim“ sei. Neben der Bewältigung der Pandemie gehe es vor allem um den Ausbau der Infrastruktur, die Digitalisierung und die Modernisierung des Landes. Sie halte es für richtig, dass „wir den Notkredit weiter nutzen können, denn wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt“, so die Ministerin.
Sie verwies auf eine „deutliche Schwerpunktsetzung“, die die Vorstellungen der Jamaika-Koalition zusammenführe. Die Ausgaben setzten Impulse „wo es um Dynamik, nachhaltige Entwicklung und das Zusammengehen von Ökonomie und Ökologie geht“. Als bisherige Erfolge nannte Heinold etwa das Jobticket, das Semesterticket, die Nachhaltigkeit bei Sanierung der Landesliegenschaften, ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz, grüne Wasserstoffstrategie, Biodiversität sowie den Netzausbau.
Besonders ging Monika Heinold auf die Kita-Reform ein. Sie sei nicht einfach gewesen, „ein riesen Kraftakt“, der aber letztlich alle Parteien und vor allem die Eltern entlastet habe. „Diesen Erfolg lasse ich mir hier auch nicht madig machen“, sagte die Ministerin.
Hinweis:
Die Debatte dauert derzeit noch an. Der Bericht wird fortlaufend aktualisiert. Mit der Endabstimmung ist zwischen 16 und 17 Uhr zu rechnen.