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24. November 2021 – November-Plenum

Neues Gesetz: Schleswig-Holstein soll 2045 klimaneutral sein

Mit ambitionierteren Schritten will die Landesregierung zur Klimaneutralität kommen. Das soll das heute verabschiedete Klimschutzgesetz möglich machen. Der SPD reichen die Reformschritte nicht aus. 

In der Abenddämmerung: Windräder stehen hinter den Solarzellen einer Solarkraftanlage.
In der Abenddämmerung: Windräder stehen hinter den Solarzellen einer Solarkraftanlage.
© Foto: dpa, Josef Hildenbrand

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz der Jamaika-Koalition soll Schleswig-Holstein bundesweit zum Vorreiter werden. CDU, Grüne und FDP wollen das Land schrittweise bis 2045 klimaneutral umrüsten. „Schleswig-Holstein ist das Klimaschutz- und Energiewendeland Nummer eins, und dabei wird es auch bleiben“, betonte Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne). Der Norden baue damit seinen ersten Platz im Bundesvergleich weiter aus. Der SSW enthielt sich bei der Schlussabstimmung, und die Sozialdemokraten votierten dagegen. Der SPD reicht die Reform nicht aus. Sie strebt die Klimaneutralität bereits für 2040 an.

Für Hausbesitzer von Interesse: Wer in seinem vor 2009 gebauten Haus die Heizungsanlage wechseln will, muss bei der Wärmeversorgung ab Juli 2022 auch auf erneuerbare Energien setzen. Konkret müssen mindestens 15 Prozent des jährlichen Bedarfs durch Öko-Energie gedeckt werden. Weitere Kernpunkte: Die Wärme- und Stromversorgung der Landesliegenschaften soll bis 2040 CO2-frei gestaltet werden. Bis 2030 sollen mit wenigen Ausnahmen alle Fahrzeuge der Landesverwaltung emissionsfrei sein. „Wir setzen uns ehrgeizige Ziele, um der Vorreiterfunkton der Landesverwaltung gerecht zu werden“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch. Dabei seien auch die neuen, schärferen Klimaschutzziele der EU und des Bundes mit eingeflossen.

Marschbahn schnell elektrifizieren

Weitere Detailpunkte: Auf zwei Prozent der Landesfläche sollen Windanlagen stehen. Kleinere Kommunen erhalten eine Beratung, wie sie ihre Wärmeversorgung von fossilen auf erneuerbare Energien umstellen. Für Städte und größere Gemeinden wird die kommunale Wärmeplanung verbindlich. Gewerbegebäude und Parkhäuser sollen Photovoltaikanlagen auf dem Dach haben, und an großen Parkplätzen müssen Ladesäulen für Elektrofahrzeuge stehen.

Der Schienennahverkehr soll bis 2030 treibhausgasneutral werden. Die „Elektrifizierungsoffensive im Bahnverkehr“, so Oliver Kumbartzky (FDP), müsse als erstes die Marschbahn nach Sylt in den Blick nehmen. „Planungsbeschleunigung und Klimaschutz können Hand und Hand gehen“, merkte Kumbartzky an.

SPD: Land schöpft sein Potenzial nicht aus

„Was Sie hier wortreich aufschreiben, ist nicht geeignet, Schleswig-Holstein voranzubringen“, sagte SPD-Oppositionsführerin Serpil Midyatli an die Adresse der Koalition. Es sei „ambitionslos“, nur die Bundesziele einzuhalten. Der Norden habe die Voraussetzungen, mehr zu schaffen, „nicht nur das, was nötig ist, sondern das, was möglich ist“. Schleswig-Holstein habe ein „riesengroßes Potenzial“ und müsse für ganz Deutschland „den Überschuss bereitstellen“. Sie kündigte an, das Gesetz im Falle eines Sieges bei der Landtagswahl im kommenden Mai „nachzuschärfen“.

„Jede Tonne CO2 zählt“, sagte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben: „Jede Ebene muss ihre Hausaufgaben machen, und das tun wir.“ Die SPD setze zwar hohe Ziele, nenne aber keine konkreten Maßnahmen. Das sei keine Grundlage für eine mögliche rot-grüne Koalition nach der Landtagwahl, so von Kalben.

Sozialen Aspekt beachten

Christian Dirschauer (SSW) hält viele Maßnahmen des Gesetzes für sinnvoll und richtig. Er mahnte, beim Klimaschutz „den sozialen Aspekt nicht außer Acht zu lassen“. Jörg Nobis (AfD) nannte das Gesetz „in Paragrafen gegossenen grünen Staatsdirigismus“. Die Vorgaben, etwa zur Photovoltaik auf dem Dach, seien „teuer für Eigentümer, teuer für Mieter, teuer für Unternehmer“.

Ein Änderungsantrag der Koalition mit redaktionellen Klarstellungen wurde ebenfalls mit Jamaika-Mehrheit angenommen. Der SPD-Änderungsantrag fand nur beim SSW Unterstützung und wurde abgelehnt. 

Knapp zwei Wochen nach der Expertenanhörung zum Klimaschutz im Landtag will Schleswig-Holstein seine Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel verstärken. Als Kernziele ihres zur Verabschiedung vorliegenden Entwurfs für ein neues Klimaschutzgesetz gibt die Landesregierung weniger Treibhausgase durch Heizen und Verkehr sowie mehr Photovoltaik an.

Der zuständige Umwelt- und Agrarausschuss hat bei Enthaltung der SPD bereits grünes Licht gegeben. Zuvor änderten die Ausschussmittglieder einige Zielvorgaben. So wurde unter anderem gegenüber dem Ursprungsentwurf festgeschrieben, dass die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 bis zum Jahr 2030 um mindestens 65 Prozent, bis zum Jahr 2040 um mindestens 88 Prozent und bis zum Jahr 2045 so weit gemindert werden, dass national eine Treibhausgasneutralität erreicht wird. Als Zwischenziel ist eine Minderung der Emissionen um mindestens 65 Prozent bis 2030 gegenüber dem Durchschnitt der Referenzperiode 2015 bis 2017 festgelegt. Und: Grüner Wasserstoff soll mit in den Kanon der Erneuerbaren Energien aufgenommen.

Kommunale Wärmeplanung auf dem Prüfstand

Die Jamaika-Regierung reagiert mit der Reform des Klimaschutzgesetzes auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Ende April und neue gesetzliche Regelungen auf Bundesebene. Das Gericht hatte vom Bund Nachbesserungen verlangt, um die Freiheitsrechte jüngerer Generationen zu schützen.

Die Reform in Schleswig-Holstein sieht vor, dass in der kommunalen Wärmeplanung analysiert werden soll, wie durch schrittweise Umstellung von zumeist fossilen auf Erneuerbare Energien eine nachhaltige, kostengünstige und sichere Wärmeversorgung bis 2050 erreicht werden kann. Über die Möglichkeit der freiwilligen Erstellung eines kommunalen Wärmeplans hinaus wird dies für größere Gemeinden (Mittel- und Oberzentren sowie Unterzentren mit Teilfunktion von Mittelzentren) verbindlich gemacht. Damit werde ein Anteil von 45 Prozent der Bevölkerung des Landes abgedeckt, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Mehr Solaranlagen im öffentlichen Bereich

Der Ausbau von Photovoltaik soll forciert werden. Das gilt auch an großen Parkplätzen, auf denen künftig Ladesäulen für Elektrofahrzeuge Pflicht werden könnten. Der öffentliche, aber auch der private Verkehr soll umweltfreundlicher gestaltet, die Nutzung von Erneuerbaren Energien bei der Wärmeversorgung in bestehenden Gebäuden als gesetzlicher Standard festgelegt werden.

Ein weiterer Kernpunkt der Novelle: Bis 2040 soll zudem die verbleibende Strom- und Wärmeversorgung von Landesliegenschaften durch die Nutzung Erneuerbarer Energien realisiert werden. Bei Baumaßnahmen an Landesliegenschaften sollen nachwachsende, recycelte oder recyclingfähige Baumaterialien standardmäßig verwendet werden.

Windkraft wieder auf Wachstumskurs

Wenige Tage vor der Tagung sagte Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne), er rechne bis Jahresende mit Windrad-Genehmigungen etwa auf Rekordniveau in Schleswig-Holstein. „Mit dem neuen Klimaschutzgesetz werden die größeren Kommunen im Land verpflichtet, entsprechende Pläne aufzustellen. Die Kommunen beim Bau der Netze auch infrastrukturell strukturell zu unterstützen, halte ich für einen grundsätzlich sinnvollen Vorschlag“, so Albrecht. In dieser Hinsicht sei Schleswig-Holstein bundesweit Vorreiter.

(Stand: 22. November 2021)

Debatte Erste Lesung:
Juni 2021
Weitere vorherige Debatte/Meldung zum Thema:
November 2020
August 2020
Januar 2020
Weitere Infos:
Expertenanhörung des Landtages am 15. November

Zweite Lesung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes Schleswig-Holstein
Gesetzentwurf der Landesregierung ‒ Drucksache 19/3061
(Ausschussüberweisung am 17. Juni 2021)
Bericht und Beschlussempfehlung des Umwelt-, Agrar- und Digitalisierungsausschusses ‒ Drucksache 19/3415
Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP ‒ Drucksache 19/3445
Änderungsantrag der Fraktion der SPD ‒ Drucksache 19/3447