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17. Juni 2021 – Juni-Plenum

Klimaschutz: Landesregierung setzt auf Sonnenenergie

Pflicht für Solaranlagen auf neuen Gewerbe-Immobilien und Ökostrom-Nutzung bei neuen Heizungen im Wohnhaus: Der Landtag berät kontrovers über das neue Klimaschutzgesetz von Grünen-Minister Albrecht.

Grünen-Umweltminister Jan Philipp Albrecht hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
Grünen-Umweltminister Jan Philipp Albrecht hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
© Foto: Michael August

Mit mehr Solaranlagen will Schleswig-Holstein den Klimaschutz voranbringen. Die Jamaika-Koalition will es beim Bau gewerblicher Immobilien zur Pflicht machen, Photovoltaik zu installieren. Das soll auch gelten, wenn Nicht-Wohngebäude ein neues Dach bekommen. Der Entwurf des Klimaschutzgesetzes von Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) sorgte in der Ersten Lesung im Landtag am Donnerstag aber für kontroverse Diskussionen in einer mehr zwei Stunden andauernden Debatte.

Albrecht fordert einen deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien. „Und das, obwohl wir bereits 160 Prozent unseres eigenen Stromverbrauchs mit erneuerbaren Energien decken.“ Neben der Windkraft spiele beim Ausbau vor allem die Photovoltaik eine zentrale Rolle. Schleswig-Holstein sei die Energie-Drehscheibe Europas. Und: Mit dem neuen Gesetz nehme das Land eine bundesweite Vorreiterrolle ein.

Öko-Anteil bei neuen Heizungen

Die Pläne haben auch für Eigenheim-Besitzer Folgen. Neu ist eine Pflicht zur Nutzung von Öko-Energie in der Wärmeversorgung bestehender Gebäude. Sie greift bei einem Wechsel der Heizungsanlage in Wohnhäusern, die vor 2009 gebaut wurden. Dann müssen Hausbesitzer künftig mindestens 15 Prozent des jährlichen Bedarfs durch Erneuerbare Energien decken. Zudem muss jeder neue Parkplatz ab 100 Stellplätzen mit Solaranlagen überdeckt werden.

Albrecht verwies darauf, dass das Ziel, die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, 2020 verfehlt worden sei. „Noch immer ist bei vielen nicht angekommen, dass der steigende Preis für fossile Energieträger keine Frage mehr von politischen Entscheidungen ist, sondern eine Tatsache, die bei der Wirtschaftlichkeit einbezogen werden muss.“ Er kündigte eine Anpassung des Gesetzes an, sobald das Bundesklimaschutzgesetz von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde.

SPD spricht von „Blamage“

Der SPD-Abgeordnete Thomas Hölck hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
Der SPD-Abgeordnete Thomas Hölck hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
© Foto: Michael August

Der SPD reichen die Pläne bei weitem nicht aus. „Wenn Sie Klimaschutz wollen, dann dürfen Sie nicht nur die Lippen spitzen, dann müssen Sie auch pfeifen“, sagte der Energiepolitiker Thomas Hölck. Im Gegensatz zur Landes- habe die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichts-Urteils ihre Klimaschutzziele deutlich verschärft und gebe nun 65 Prozent weniger Treibhausgas-Emissionen bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045 als Ziel aus. Den Gesetzentwurf nannte er eine Blamage. Beim Heizungswechsel erlaube er weiter Gasthermen, obwohl ein stärkerer Fokus auf Wärmepumpen notwendig sei. „Warum warten Sie ab, Sie können doch Vorreiter sein?“

CDU-Fraktionschef Tobias Koch forderte die schnellstmögliche Abschaltung des Heizkraftwerks Wedel an der Landesgrenze. „Hamburg darf seine Klimaziele nicht länger auf Kosten Schleswig-Holsteins erreichen.“  Mehr Ökostrom will er durch den Ersatz älterer Windräder durch leistungsstärkere erreichen. Neue Vorranggebiete für Windkraft lehnte Koch ab. Stromtrassen müssten schneller ausgebaut werden, damit Windräder im Norden nicht länger abgeschaltet werden müssten. „Was wir nicht brauchen sind symbolische Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen und ein Verbot von Kurzstreckenflügen.“

„Kein Klimaschutz ist unsozial“

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Eka von Kalben, machte deutlich, dass auch das Soziale beim Klimaschutz mitgedacht werden müsse. „Die Menschen dürfen nicht abgehängt werden.“ Gleichzeitig sei es aber notwendig, auch auf Veränderungen im Privaten zu pochen und dabei auf Effizienz und Einsparung zu setzen. Denn, so von Kalben: „Kein Klimaschutz ist auf jeden Fall unsozial.“

Oliver Kumbartzky (FDP) kritisierte, dass das bislang geltende, von der Vorgängerkoalition beschlossene Gesetz „handwerklicher Murks“ gewesen sei. Die Jamaika-Koalition wolle nun verbindlicher vorangehen und „vor der eigenen Haustür und auf dem eigenen Dach kehren“. Er wies darauf hin, dass es mit Blick auf Photovoltaik keine Zwangsverpflichtung von Privatpersonen geben dürfe.

SSW: EU-Vorgaben umsetzen

Christian Dirschauer (SSW) gab zu bedenken, dass der European Green Deal als zentraler Bestandteil der EU-Klimapolitik auch für Schleswig-Holstein richtungsweisend sei und damit auch das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. Die Visionen im neuen Klimaschutzgesetz seien gut, aber sie müssten auch umsetzbar und vor allem finanzierbar sein. Er sehe die Gefahr, dass bei den Menschen der Wille verloren geht, etwas für den Klimaschutz zu tun.

Der AfD-Abgeordnete Jörg Nobis sprach von „Grünem Staatsdrigismus in Reinform“. Er kritisierte vor allem die Pläne für neue Heizungsanlagen. Die geplante Ökoenergiepflicht greife in ruinöser Weise in die Freiheit von Hausbesitzern ein und bedeute immense Mehrkosten. Die AfD forderte Bestandsschutz für alle bestehenden Häuser.

Der Gesetzentwurf sowie ein SPD-Antrag zum Thema Photovoltaik und der turnusmäßige Klimaschutzbericht wurden an den Umwelt- und Agrarausschuss überwiesen.

Hinweis:
Eine im Europaausschusses erarbeitete Beschlussvorlage zum Antrag der SPD zum „European Green Deal“ wurde gegen die Stimmen der SPD sowie des AfD-Zusammenschlusses angenommen. Die Vorlage der Sozialdemokraten war zuvor abgelehnt worden.

Wer in Schleswig-Holstein eine gewerbliche Immobilie baut oder als Eigentümer von Nichtwohngebäuden ein neues Dach errichtet, soll künftig eine Solaranlage installieren müssen. Und wer sich eine neue Heizungsanlage anschaffen will, soll ein Gerät installieren, bei dem mindestens 15 Prozent des jährlichen Energiebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Das sind zwei Kernpunkte der von der Landesregierung vorgelegten Novelle des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes. Die Landesregierung hält die Maßnahmen für dringend nötig, um die Klimaziele im Land erreichen zu können – bis 2050 wird etwa eine fast völlige Treibhausgasneutralität angestrebt.

Auch bei neu errichteten Parkplätzen mit mehr als 100 Stellplätzen soll künftig eine Überdachung mit Photovoltaikanlagen zum Standard werden. Ferner sieht der Entwurf vor, größere Kommunen zur Erstellung eines kommunalen Wärmeplans zu verpflichten. Auf diese Weise könne bei etwa 45 Prozent der Haushalte im Norden die Umstellung auf Erneuerbare Energien besser geplant werden. Das Land will hierfür zusätzliches Geld und umfassende Förderprogramme bereitstellen.

Grünen-Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hält die Maßnahmen für dringend nötig, um die Klimaziele der Regierung erreichen zu können. Die sind in dem turnusmäßigen Klima- und Energiewende-Bericht, der in der Debatte mit beraten werden soll, nach verschiedenen Bereichen ausführlich skizziert.

SPD betont Ausbau von Photovoltaik

Die SPD bringt in die Aussprache einen Antrag mit einem eigenen Plan für den Ausbau der Solaranlagen ein. Die Fraktion fordert unter anderem ein Dachflächenkataster für Solaranlagen, um die Eignung und das Potenzial zu ermitteln. Dabei sollen auch Fassaden und Lärmschutzwände sowie Landesliegenschaften überprüft werden. „Photovoltaik ist eine der Zukunftstechnologien der Energiewende und ein wichtiges Element, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreichen zu können“, heißt es zur Begründung.

Ferner soll in der Debatte ein SPD-Antrag zur Klimainitiative der EU, dem „European Green Deal“ zur Sprache kommen. Der Green Deal soll auf verschiedenen Ebenen zu einer Klimaneutralität bis 2050 führen. Die Sozialdemokraten forderten, dass die Ziele des „Green Deal“ trotz der Corona-Pandemie „ambitioniert umgesetzt werden“ – unterstützt auch vom Land Schleswig-Holstein. Der Antrag war bereits im Januar eingebracht worden, eine Behandlung im Europaausschuss soll erst kurz vor der Debatte erfolgen.

(Stand: 14. Juni 2021)

Vorherige Debatten zum Thema:
November 2020
August 2020
Januar 2020

Debatte bei Antragstellung (Green Deal):
Januar 2021

Erste Lesung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes Schleswig-Holstein
Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 19/3061
(Federführend ist das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung)

Antrag

Den Ausbau von Photovoltaik gestalten – effizient, naturverträglich und flächenschonend
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/3089

Ausschuss-Bericht

European Green Deal muss auch in der Krise die sozialökologische Wende bringen!
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2608
Bericht und Beschlussempfehlung des Europaausschusses – Drucksache 19/3076

Regierungsbericht

Energiewende und Klimaschutz in Schleswig-Holstein – Ziele, Maßnahmen und Monitoring 2021
Bericht der Landesregierung – Drucksache 19/3063
(Federführend ist das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung)