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16. Juni 2021 – Juni-Plenum

Schleswig-Holstein bekommt eigenes Integrationsgesetz

Ein von den Koalitionsfraktionen vorgelegtes und beschlossenes Integrationsgesetz für Schleswig-Holstein stößt bei Grünen und FDP auf Kritik im Detail. Die Opposition lehnt das Regelwerk für Migranten als unnötig und einfallslos ab.

Ein junger Flüchtling macht sich Notizen für den Schulunterricht.
Ein junger Flüchtling macht sich Notizen für den Schulunterricht.
© Foto: dpa, Hendrik Schmidt

Schleswig-Holstein hat nach langer Diskussion ein eigenes Integrations- und Teilhabegesetz für zugezogene und geflüchtete Menschen bekommen. CDU, Grüne und FDP beschlossen das zehnseitige Papier gegen die Stimmen der Opposition. Auch innerhalb der Regierungskoalition gab es einige kritische Anmerkungen in der Debatte. Von der SPD in einem Antrag vorgelegte Änderungen, unter anderem zur interkulturellen Öffnung der Landesverwaltung, wurden abgelehnt.

Das von der Jamaika-Koalition auf den Weg gebrachten Gesetz schreibt in sechzehn Paragrafen Ziele und Handlungsebenen fest. Dabei wird die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund als ein „gesamtgesellschaftlicher“, durch die Träger der öffentlichen Verwaltung unterstützter Prozess bezeichnet. Ein übergeordnetes Ziel des Gesetzes ist es, die Integration „in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, insbesondere in der lokalen Gemeinschaft, zu ermöglichen, zu fördern und zu gestalten.“

Grüne hätten sich „mehr Mut“ gewünscht

Es habe einer besonderen Kraft bedurft, Leitlinien in ein verbindliches Gesetz zu bringen, gab Barbara Ostmeier, CDU-Abgeordnete und Vorsitzende des Innen- und Rechtsausschusses, zu. Dafür habe sich auch die CDU bewegen müssen. Neben Integration sei nun erstmals auch der Aspekt der Teilhabe als Zielvorgabe formuliert. Damit sei das Gesetz „weit mehr als ein Papiertiger“. Es schaffe „gemeinsame Verantwortung und förderliche Rahmenbedingungen“ und werde immer „ein lebendes“ sein, das sich an aktuelle Gegebenheiten anpassen müsse, betonte Ostmeier.

Grüne und FDP reagierten deutlich zurückhaltender. Aminata Touré (Grüne) erklärte, das Gesetz „ist in Wahrheit okay“. Sie habe sich aber mehr Mut gewünscht. Die aktive Politik sei bereits weiter als das, was im Gesetz drinstehe. Als Beispiele nannte sie den vor der Verabschiedung stehenden Landesaktionsplan gegen Rassismus, die bereits erhöhten Mittel für Sprachkurse, die laufende Einbürgerungskampagne, die Stärkung des Ehrenamtes oder den Schutz für geflüchtete Frauen. Die Grünen hätten 47 Vorschläge zum ersten Entwurf „des Innenministeriums“ gemacht. „Wir haben nun eine gute Grundlage, an der man weiterarbeiten kann und muss“, so Touré.

Ähnlich äußerte sich Jan Marcus Rossa (FDP). Er hob hervor, seine Fraktion habe sich „ein gutes, klares, stringentes Artikelgesetz“ gewünscht, mit dem man zielgenau Integrationsarbeit geregelt hätte. Dennoch halte er den gefundenen Kompromiss nun für „den richtigen Weg“. Rossa wiederholte, Migranten müssten die Grundwerte des Rechtsstaates und der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland anerkennen. „Wer in diesem Land leben will, hat das zu akzeptieren.“ Er wies damit Missbilligungen nach seinen entsprechenden Äußerungen bei der Anhörung zum Gesetz zurück. „Es erschüttert mich, dass das so viel Kritik ausgelöst hat.“

Scharfe Kritik der Opposition

Der designierten SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli fehlten die neuen Ideen im Gesetz. Ihr Fazit: „Es ist einfach unnötig.“ Bei den 16 Paragrafen handele es sich lediglich um eine Aneinanderreihung von Maßnahmen, die schon längst im Land gemacht würden. „Bis auf die tolle Show, die sie jedes Mal machen, ist am Ende nichts drin, was Integration und Teilhabe voranbringt“, kritisierte sie.

Lars Harms (SSW) konstatierte, Schleswig-Holstein habe nun ein Gesetz, das „kaum integriert und nur bedingt teilhaben lässt“. Das Gesetz bleibe in vielem hinter den Forderungen aus den Anhörungen zurück, etwa bei Gesundheitsleistungen, Sprachkursen unabhängig vom Status oder der Anerkennung von sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten. Und Claus Schaffer (AfD) nannte Integration „eine Bringschuld des Migranten“. Das Gesetz kehre das zu einer „Last für die Gesellschaft“ um.

Ministerin weist auf Kosten hin

Bildungsministerin Karin Prien erklärte in Vertretung von Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (beide CDU), Schleswig-Holstein sei ein buntes und ein Zuwanderungsland. 15,3 Prozent der Menschen im Land hätten einen Migrationshintergrund, vor allem stammten diese aus der Türkei, aus Polen und Russland.  Das Gesetz enthalte viele Zielvorgaben, die die Landesregierung nun zum Leben erwecken müsse. Dabei gehe es um eine Querschnittsaufgabe. Prien unterstrich, das geforderte Integrations-Monitoring sowie der Integrationsbeirat bedürften zusätzlichen Personals. „Das muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen.“

Das lange diskutierte Integrations- und Teilhabegesetz für Schleswig-Holstein, das von den Koalitionsfraktionen erarbeitet wurde, geht auf die Zielgerade. Es soll in dieser Tagung in Zweiter Lesung beschlossen werden. In der Grundsatzberatung im August 2019 waren die Zielvorstellungen, wie das Regelwerk für die Integration zugezogener und geflüchteter Menschen gesetzlich festgeschrieben werden kann, auf Ablehnung bei der Opposition gestoßen. Und auch im Innen- und Rechtsausschuss stimmten SPD und SSW letzte Woche gegen die Endfassung des Gesetzes. Die Sozialdemokraten legten bereits einen umfangreichen Änderungsantrag zu der Beschlussfassung des Ausschusses vor.

Der Gesetzentwurf schreibt in sechzehn Paragrafen klare Ziele und Handlungsebenen fest. Dabei wird die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund als ein „gesamtgesellschaftlicher“, durch die Träger der öffentlichen Verwaltung unterstützter Prozess bezeichnet. Ein übergeordnetes Ziel des Gesetzes sei es, die Integration „in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, insbesondere in der lokalen Gemeinschaft, zu ermöglichen, zu fördern und zu gestalten.“ Weiter heißt es in dem Gesetzentwurf: „Das Engagement und der Wille zur Integration und Teilhabe werden erwartet.“ Ausdrücklich wird in dem Entwurf betont, dass das Gesetz gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und ethnischer Diskriminierung eintritt.

Turnusmäßige Berichterstattung

Als konkrete Integrationsziele führen die Fraktionen von CDU, Grüne und FDP etwa die Sprachförderung, den Zugang zu Schule, Ausbildung und Arbeit, die Einbindung in demokratische Strukturen oder die Stärkung „des Verständnisses für die freiheitlich demokratische Grundordnung“ an. Grundsätzlich soll es „mehr geflüchteten Menschen ermöglicht werden, die Voraussetzungen für eine Einbürgerung zu erfüllen“. Laut dem Gesetzentwurf seien die aufgeführten Maßnahmen auf den individuellen Bedarf der zugezogenen oder geflüchteten Ausländer beziehungsweise nach 1955 zugewanderten Deutschen ausgerichtet. Der Zugang zu den Integrationsangeboten von Land und Kommunen werde mit Beginn des Aufenthalts in Deutschland geschaffen; der aufenthaltsrechtliche Status bleibe davon unberührt.

In dem jetzt vorliegenden Gesetz wird betont, dass Menschen mit Migrationshintergrund an allen „Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen“ bei der Aufstellung der Integrationsmaßnahmen mitwirken sollen und dies in allen Gremien des Landes sicherzustellen sei. Außerdem sieht der Gesetzentwurf die Gründung eines beratenden Integrationsbeirates zur Unterstützung der Landesregierung in wesentlichen Fragen vor. Ferner wird die Regierung aufgefordert, dem Parlament in den ersten sechs Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes alle zwei Jahre einen Integrations- und Zuwanderungsbericht vorzulegen.

Der letzte Vorstoß für ein Integrationsgesetz stammt von der CDU aus dem Herbst 2016. Damals war noch von der Anerkennung einer deutschen Leitkultur die Rede. Die Union konnte damals keinen einzigen Zuspruch einer Fraktion gewinnen.

(Stand: 14. Juni)

Debatte Erste Lesung:
August 2019

Weitere vorherige Debatten zum Thema:
September 2020 (Zuwanderung)
November 2019 (Arbeitsmarkt)
Januar 2019 (Clearingstelle)

Zweite Lesung

Entwurf eines Gesetzes zur Integration und Teilhabe (Integrations- und Teilhabegesetz für Schleswig-Holstein – IntTeilhG)
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP – Drs. 19/1640
(Ausschussüberweisung am 28. August 2019)
Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses – Drucksache 19/2968

Änderungsantrag der SPD – Drucksache 19/3111