Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) ist im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtags im Gespräch mit CDU-Ministerpräsident Günther.
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Foto: Michaele August
Der Landtag hat zum Auftakt seiner Februar-Tagung mit einer Aussprache über den Landeshaushalt 2021 Jahres seine Beratungen begonnen. Der Etat ist von der Corona-Krise geprägt. Rund eine Milliarde Euro sind aus dem Notkredit von 5,5 Milliarden eingeplant, den das Parlament 2020 für die nächsten Jahre beschlossen hatte. Dazu kommen noch rund 260 Millionen Euro an konjunkturell bedingten Schulden und 287 Millionen an Altlasten aus der HSH Nordbank. CDU-Fraktionschef Tobias Koch hob zu Beginn der ganztägigen Haushaltsberatung hervor, der Etat 2021 stehe „ganz im Zeichen der Corona-Pandemie“, und die Milliardenkredite, die das Land zur Nothilfe aufnehmen will, müssten „die absolute Ausnahme“ bleiben.
CDU-Fraktionschef Tobias Koch hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Michael August
Die Möglichkeit, in Krisenzeiten mehr Schulden zu machen, dürfe „nicht zu einer Laissez-faire Politik verleiten“, mahnte Koch, denn die Schuldenbremse in der Landesverfassung sei nach wie vor in Kraft. Trotz der angespannten Lage sei es der Jamaika-Koalition aber gelungen, inhaltliche Schwerpunkte zu setzen, unterstrich der Christdemokrat, etwa in den Bereichen Digitalisierung, energetische Gebäudesanierung und Kita-Reform. Zudem sollen hunderte Lehrerstellen erhalten bleiben oder neu geschaffen werden, und auch das Personal bei Polizei und Justiz werde aufgestockt.
SPD kündigt Enthaltung an
„Meine Fraktion ist sich ihrer Verantwortung in dieser Zeit bewusst“, betonte Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD). Er verwies darauf, dass die Sozialdemokraten bei den vier Nachtragshaushalten im vergangene Jahr stets zugestimmt habe und damit die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag gesichert habe. In den aktuellen Haushaltsberatungen habe er sich aber mehr Gemeinsamkeit gewünscht, so Stegner.
Er warf der Koalition vor, SPD-Forderungen nach kostenlosen FFP2-Masken, nach mehr Unterstützung für Landgasthöfe oder nach Hausbesuchen bei Senioren „weggestimmt“ zu haben – um stattdessen „großzügige Zuwendungen an Lieblingsprojekte einzelner Koalitionspartner“ zu verteilen. Die SPD werde sich in der Schlussabstimmung enthalten, kündigte Stegner an und betonte: „Wir reichen Ihnen ausdrücklich die Hand für die kommenden Monate. Es liegt auch an Ihnen, was daraus wird.“
Der Haushalt in Zahlen
Insgesamt sieht der Haushaltsentwurf laut Finanzministerium bereinigte Einnahmen von 12,8 Milliarden Euro und Ausgaben von 14,4 Milliarden vor. Die Ausgaben für das Personal steigen auf knapp 4,83 Milliarden Euro. Damit beträgt die Personalkostenquote 33,6 Prozent. Wegen der besonderen Lage in der Corona-Krise beschließt das Parlament den Haushalt erst jetzt und nicht wie sonst üblich im Dezember des Vorjahres. Die Investitionsquote ist mit 10,6 Prozent veranschlagt.
Trotz der Belastungen aus der Corona-Krise ist die Schaffung von 800 neuen Stellen vorgesehen, unter anderem für Bildung, Digitalisierung, Polizeinachwuchs und in der allgemeinen Verwaltung. Die Gesamtverschuldung des Landes steigt mit dem Etat auf 32,3 Milliarden Euro.
„Das Land gibt richtig Geld aus“
Der Haushaltsexperte der Grünen, Lasse Petersdotter, stellte sich gegen Aussagen des Landesrechnungshofes, wonach staatliche Ausgaben angesichts der Corona-Pandemie dauerhaft heruntergefahren werden sollten. „Das Land gibt richtig Geld aus, macht keinen Sparhaushalt, und das ist auch richtig“, erklärte er. Der Staat sei deutlich leistungsfähiger als manche glauben. Eine Rhetorik, den Gürtel enger zu schnallen „gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, mahnte Petersdotter.
Trotzdem, fuhr der Grünen-Politiker fort, müsse man schauen, wie Mittel ausgegeben werden und zudem langfristiger planen. Der Haushalt begegne aktuellen Herausforderungen, blicke aber auch auf kommende Generationen. Als Schwerpunkte nannte er Bildung und Bildungsgerechtigkeit, Klimaschutz und Waldaufbau sowie die Digitalisierung. Petersdotter: „Wir müssen jetzt Widerstandsfähigkeit aufbauen für folgende Krisen.“
„Folgen der Krise werden wir noch lange spüren“
Der „Krisenhaushalt“ sei zwar durch Corona gestaltet, er verliere die Generationengerechtigkeit aber nicht aus den Augen, hob FDP-Fraktionschef Christopher Vogt hervor. „Somit können auch die künftigen Jahrgänge politisch handlungsfähig bleiben“, sagte der Liberale. Er betonte, die Neuverschuldung solle eine Ausnahme bleiben. Seine Fraktion bekenne sich zur Schuldenbremse und sei optimistisch, schnell wieder zu Haushalten ohne Neuverschuldung zurückkehren zu können.
Wichtig sei nun eine Stärkung der wirtschaftlichen Basis. „Wir müssen das Erfüllen staatlicher Kernaufgaben besser berücksichtigen“, so Vogt. Er zeigte sich erfreut, dass es trotz Krise eine hohe Investitionsquote von 10,5 Prozent gibt, warnte aber auch: „Die Folgen der Krise werden wir noch lange spüren.“ Zudem belasteten zunehmend Pensionen und „Altlasten“ wie die HSH Nordbank den Haushalt.
„Ganz wichtiges Signal“ für Minderheiten
Der Vorsitzende des SSW im Landtag, Lars Harms, hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Thomas Eisenkrätzer
Mit Blick auf die bis in den Februar hineinreichenden Haushaltsberatungen sagte der Vorsitzende des SSW im Landtag, Lars Harms: „So langwierig und kompliziert war die Haushaltsberatung wohl noch nie.“ Seine Landtagsgruppe habe fünf Anträge erfolgreich einbringen können. „Zunächst einmal freuen wir uns natürlich, dass die Zuschüsse für die Dänen, die Friesen sowie die Sinti und Roma für die nächsten Jahre gesichert sind“, sagte Harms. Für die Minderheiten sei dies „ein ganz wichtiges Signal“ und biete „gewisse finanzielle Planungssicherheit in diesen schweren Zeiten“.
Zudem profitierten weitere „sehr wertvolle Angebote“ von den SSW-Anträgen. So erhält etwa das Friesische Kulturzentrum an der Risem Schölj eine Finanzspritze aus Landesmitteln in Höhe von 100.000 Euro. Die Förderung der Regional- und Minderheitensprachen in Kindertageseinrichtungen wird um 75.000 Euro auf nunmehr 575.000 Euro aufgestockt. Auch die Landesstelle für Suchtfragen (LSSH) und das Zentrum für selbstbestimmtes Leben (ZsL) für Menschen mit Behinderung sowie die Givat Haviva, eine israelische Einrichtung im Bereich der jüdisch-arabischen Verständigungsarbeit, erhalten bis zu 50.000 Euro Unterstützung aus Landesmitteln. „Das ist nicht nur in Zeiten wie diesen richtig gut eingesetztes Geld“, zeigte sich der SSW-Mann zufrieden.
„Sie missbrauchen die Corona-Notkredite“
Der Vorsitzende des Zusammenschlusses der AfD, Jörg Nobis, kritisierte die Aufnahme von Notkrediten in Höhe von 5,5 Milliarden Euro als „finanzpolitisches Ermächtigungsgesetz“. „Sie missbrauchen die Corona-Notkredite“, sagte er an Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) gerichtet. Das „süße Gift des günstigen Geldes“ verführe die Landesregierung. Ein Bezug zu Corona sei bei vielen Maßnahmen nicht erkennbar. „Nur 1,3 Milliarden Euro entfallen auf Maßnahmen der Krisenbewältigung“, so Nobis. Der Landesrechnungshof zweifle darum die Rechtmäßigkeit des der Notkredite an.
Der AfD-Mann witterte „viel Luft im Haushalt, die man problemlos ablassen kann“. „Schaffen Sie den Flüchtlingsbeauftragten ab“, forderte Nobis etwa. Und es gebe weiteres Einsparungspotential im Bereich der Integration, so etwa die 750.000 Euro, die im Haushalt für die Beratung Ehrenamtlicher vorgesehen sind, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren.
Die fraktionslose Abgeordnete Doris von Sayn-Wittgenstein wiederholte die Kritik vom Landesrechnungshof. Die Summe von 5,5 Milliarden Euro und der davon finanzierte Haushalt „überdehnt den Begriff der Notlagenverschuldung. Im bundesweiten Vergleich liege Schleswig-Holstein mit seiner Notlagenverschuldung an zweiter Stelle.
Finanzministerin: „Sparkurs ist nicht angebracht“
Trotz der derzeitigen Unsicherheiten sei der Haushalt 2021 von „Entschlossenheit, Mut und einer klaren Ansage“ geprägt, stellte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) nach den Debattenbeiträgen der Fraktionen klar. „Gerade jetzt wollen wir Verantwortung wahrnehmen und handeln.“ Es sei die richtige Zeit, sich großen Herausforderungen wie Klimaschutz, Digitalisierung, Infrastruktur und Bildung anzunehmen. Ein Sparkurs sei nicht angebracht. Richtig sei allerdings auch, so die Ministerin, vorsichtig zu sein: „Wir dürfen die Vorsorge nicht aus dem Haushalt nehmen.“
Den 5,5 Milliarden-Notkredit lobte Heinold als „großartigen parlamentarischen Schulterschluss“, der auch in Teilen die Handschrift von SPD und SSW trage. „Das hat uns stark gemacht als Land.“ An den Bund gerichtet kritisierte sie, dass gerade vor dem Hintergrund der Pandemie-Kosten zwar „inhaltlich gute Beschlüsse“ gefasst würden. Einige würden jedoch die Frage aufwerfen: „Wie soll das finanziert werden?“ In Berlin müsse wieder das Prinzip gelten, „wer bestellt, bezahlt und nicht, wer bestellt, reicht die Rechnung weiter“. Außerdem müssten die vereinbarten Wirtschaftshilfen auch in Schleswig-Holstein ankommen. Lob sprach Heinold für die Bundesregelungen etwa zum Kurzarbeitergeld, die Grundsicherung und das Kinderkrankengeld aus.
Gesamtabstimmung: Koalitionsfraktion und SSW Hand in Hand
Erstmals wurden nach der knapp zweistündigen Grundsatzdebatte zu dem neuen Haushalt am Vormittag die Einzelpläne separat aufgerufen und nacheinander einzeln abgestimmt. Zu mehreren Einzelplänen hatten die Fraktionen Redezeit angemeldet.
Am Ende des Haushaltstages verabschiedete das Plenum schließlich nach über sechsstündiger Beratung um 18:25 Uhr den Landeshaushalt für das laufende Jahr in einer Gesamtabstimmung. Für den 14-Milliarden-Euro-Etat stimmten die Koalitionsfraktionen von CDU, Grünen und FDP sowie der SSW. Die SPD enthielt sich, ebenso der fraktionslose Abgeordnete Frank Brodehl. Der Zusammenschluss der AfD und die Fraktionslose Doris von Sayn-Wittgenstein lehnten den Haushalt ab.