Der Landtag sucht für neue Entscheidungen in der Corona-Krise den Rat von Experten. Nach einer ersten großen Anhörung im November wird es am Freitag eine zweite Runde für alle Abgeordneten geben. Der Fokus liegt diesmal auf dem Perspektivplan-Vorschlag der Landesregierung und den darin vorgeschlagenen Öffnungsschritten. Ab 10 Uhr wollen sich die 73 Abgeordneten ein Bild über Grundsatzfragen und Strategieempfehlungen machen. Die Sitzung wird per Livestream übertragen.
Bei der Anhörung handelt es sich wieder um eine Hybrid-Veranstaltung im Plenarsaal, zu der einige der Fachleute per Video zugeschaltet werden. Zunächst geht es um medizinische Aspekte unter besonderer Berücksichtigung von Virusmutationen und der Impfkampagne bei der Umsetzung des Perspektivplans. Der zweite Themenblock umfasst soziale und gesellschaftliche Folgen der vorgeschlagenen Öffnungsschritte. Deren Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche sowie auf den Bildungssektor behandeln die Abgeordneten und Fachleute im dritten Teil. Anschließend nehmen sie die wirtschaftlichen Aspekte hinsichtlich einer Umsetzung des Perspektivplans in den Blick sowie die daraus resultierenden rechtlichen Fragen als fünftes Themenfeld. Unter den Anzuhörenden sind unter anderem Helmut Fickenscher, Leiter der Infektionsmedizin an der Kieler Uni und Achim Theis, Richter am Landesverfassungsgericht sowie Präsident des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts. Für den Themenkomplex Kinder, Jugendliche und Bildung nimmt die Vorsitzende des Jungen Rats Kiel, Emma-Louisa Döhler teil.
Wie im vergangenen Jahr bildet die öffentliche Anhörung der Experten auch diesmal den Auftakt für weitere parlamentarische Beratungen zu den Themen. In den Fachausschüssen werden die Abgeordneten die verschiedenen Aspekte der Corona-Pandemie vertieft weiterbehandeln und sich mit weiteren Fachleuten und Betroffenen austauschen.
Perspektivplan made in S-H
Der sogenannte Perspektivplan der Kieler Landesregierung sieht vor, dass erste Lockerungen erfolgen sollen, wenn die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche in einem Bundesland sieben Tage lang stabil unter 100 liegt. Dann könnten Treffen von fünf Menschen aus zwei Haushalten und körpernahe Dienstleistungen (etwa bei Friseuren) möglich sein. Auch Öffnungen im Bildungsbereich sind vorgesehen. Je nach Infektionsgeschehen sollen Kitas und Grundschulen nach derzeitiger Planung am 22. Februar in den Regelbetrieb oder einen eingeschränkten Regelbetrieb gehen.
Liegt die Inzidenz 21 Tage unter 100, ist Individualsport im Außenbereich erlaubt, und auch Zoos und Wildparks dürften wieder öffnen. Bleibt die Inzidenz sieben Tage stabil unter 50, könnte der Einzelhandel unter Auflagen wieder öffnen – das Gleiche gilt für die Gastronomie, kosmetische Fußpflege und Nagelstudios. In Krankenhäusern und Pflegeheimen wäre wieder Besuch von zwei Personen gleichzeitig möglich.
Stufenweise Lockerungen je nach Inzidenz
Liegt die Inzidenz 21 Tage lang stabil unter 50, könnten laut dem Plan Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze wieder öffnen, in der Gastronomie gäbe es keine Beschränkung der Gästezahl mehr, Theater und Kinos würden für einzelne Schulkohorten öffnen. Der Besuch im Fitnessstudio wäre wieder möglich, wenn auch mit begrenzter Kapazität. Liegt die Inzidenz sieben Tage stabil unter 35, sollen Treffen von zehn Menschen mehrerer Haushalte möglich sein. Auch Bars und Kneipen dürften dann wieder öffnen. Gleiches gilt für Hallen- und Spaßbäder sowie Saunen. Theater, Kinos und Konzerthäuser würden wieder der Allgemeinheit offenstehen. Im Breitensport wäre Kontaktsport wieder erlaubt.
Der Landtag hat den „Perspektivplan“ bereits in seiner letzten regulären Tagung am 27. Januar diskutiert.
Zeitplan der Anhörung am Freitag, 19. Februar:
10:00 bis 11:00 Uhr – Medizinische Aspekte unter besonderer Berücksichtigung von Virusmutationen und der Impfkampagne bei der Umsetzung des Perspektivplans
- Prof. Dr. Helmut Fickenscher, Leiter des Instituts für Infektionsmedizin an der CAU
- Prof. Dr. Klaus Rabe, Ärztlicher Direktor und medizinischer Geschäftsführer der LungenClinic Großhansdorf
- Prof. Dr. Jan Rupp, Direktor der Klinik für Infektiologie und Mikrobiologie am Campus Lübeck
- Dr. Alexandra Barth, Leitende Amtsärztin des Gesundheitsamtes in Neumünster und Vorsitzende des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst e.V.
11:00 bis 12:00 Uhr – Soziale und gesellschaftliche Auswirkungen der vorgeschlagenen Öffnungsschritte
- Prof. Dr. Kamila Jauch-Chara, Direktorin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am UKSH
- Frank Roselieb, Geschäftsführender Direktor und Sprecher des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung
12:00 bis 13:00 Uhr – Auswirkungen der vorgesehenen Öffnungsschritte auf Kinder und Jugendliche sowie auf den Bildungssektor
- Emma-Louisa Döhler, Vorsitzende des Jungen Rats Kiel, Landeshauptstadt Kiel
- Prof. Dr. Gunda Voigts, Professorin für Grundlagen der Wissenschaft und Theorien Sozialer Arbeit sowie Theorie und Praxis der (offenen) Kinder- und Jugendarbeit an der HAW Hamburg
13:00 bis 14:00 Uhr – Wirtschaftliche Aspekte der Umsetzung des Perspektivplans
- Prof. Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft
14:00 bis 15:00 Uhr – Rechtliche Aspekte bei der Umsetzung des Perspektivplans
- Prof. Dr. Kerstin von der Decken, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Völkerrecht, Europarecht und Allgemeine Staatslehre und Direktorin des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht
- Achim Theis, Richter am Landesverfassungsgericht und Präsident des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts