Ministerpräsident Daniel Günther spricht zum neuen Lockdown.
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Foto: Thomas Eisenkrätzer
Im Kampf gegen das Coronavirus hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) die Menschen in Schleswig-Holstein um „erhebliche Disziplin“ gebeten. „Treffen Sie sich möglichst in den nächsten drei Wochen mit niemanden“, so Günther in einer Regierungserklärung vor dem Landtag. Es gehe jetzt darum, „alles Mögliche“ zu tun, um den Menschen im Lande ab Anfang Februar wieder eine Perspektive zu geben, warb der Regierungschef für die weitreichenden Einschränkungen, die ein Bund-Länder-Gipfel zwei Tage zuvor auf den Weg gebracht hatte. Ziel sei eine Sieben-Tages-Inzidenz von weniger als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Am Morgen der Debatte lag der Wert im Lande bei 79.
„Die Lage in den Krankenhäusern wird dramatischer“, mahnte Günther. Seit dem 1. Dezember habe sich die Zahl der Corona-Toten im Lande annähernd verdoppelt: „In den ersten neun Monaten der Pandemie hatten wir genauso viele Tote wie in den letzten fünf Wochen.“ Wenn die Zahl der Neuinfektionen drastisch gesunken sei, dann sollen als erstes die Kitas und die Schulen wieder geöffnet werden, kündigte Günther an. Auch Sportvereine und die Gastronomie hätten dann Aussicht auf Erleichterungen. „Aber bis Ostern wird das noch ein richtig schwieriger Prozess.“
Organisation der Impf-Termine in der Kritik
Beim Thema Impfen wehrte sich Günther gegen die Kritik der Bundes-SPD an einem angeblich verschleppten Impf-Start. Es sei „vorbildlich“ gewesen, das Vakzin europaweit zu bestellen. Für das Impfen im Lande kündigte der Regierungschef Nachbesserungen an: „Es wird ein Informationsschreiben aus dem Gesundheitsministerium geben“, das sich an alle Bürger, aber insbesondere an die über 80-Jährigen richte. Den Älteren kündigte er an: „Sie werden definitiv als erste drankommen, Sie werden in den Wintermonaten geimpft werden!“
Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) unterstütze „ausdrücklich die Prioritätensetzung“ der Landesregierung. Der Gesundheitsschutz habe „allererste Priorität, dazu gibt es keine verantwortbare Alternative.“ Es gebe zurzeit einen „Wettlauf“, um die Ausbreitung der zuerst in England aufgetretenen Corona-Mutation zu verhindern. Stegner kritisierte die Organisation der Notfallbetreuung für Kita-Kinder als zu bürokratisch. Er forderte, dass das Land die Kita-Beiträge nicht nur für den Januar übernimmt, sondern auch für weitere Monate, falls das Betreuungsangebot eingeschränkt bleibe. Und er prangerte die Organisation der Impftermine an: „Dieses Verfahren sorgt für enormen Frust und gefährdet die Impfbereitschaft.“
„Schnelltests eröffnen Perspektiven“
CDU-Fraktionschef Tobias Koch nannte den Jahresauftakt „eine Fortsetzung des Horrorjahres 2020“. Es gebe aber „Lichtblicke“, etwa das besonnene Verhalten der meisten Menschen über die Feiertage. Die Möglichkeit von Schnelltests in Apotheken und mobilen Teststationen eröffne neue Perspektiven, etwa für den Tourismus und einen eventuellen Osterurlaub im Lande. Auch Koch wies die Kritik an dem „vermeintlichen Impfdebakel“ als „Besserwisserei“ zurück. Die EU habe zwei Milliarden Dosen bei verschiedenen Anbietern geordert, „da kann doch niemand ernsthaft kritisieren, dass das auf europäischer Ebene passiert“. Ein „Impf-Nationalismus“ sei „das letzte was wir brauchen können“. Koch unterstrich, dass der Impf-Auftakt in Schleswig-Holstein besser gelaufen sei als im Bundesschnitt.
Stufenplan „möglichst für alle Bereiche“
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen Eka von Kalben sagte: „Es ist richtig, den Lockdown bis Ende Januar zu verlängern. Hier hat der Ministerpräsident unsere volle Unterstützung.“ Aber es brauche endlich eine Strategie, eine „Art Leitfaden, an dem sich Lockerungen, Schließungen, Lockdown oder Shutdown orientieren“. Dafür brauche es einen Stufenplan „möglichst für alle Bereiche“. Schleswig-Holstein habe etwa bereits ein detailliertes Stufenkonzept für Kita, Schule und Veranstaltungen erarbeitet. „Das wäre durchaus eine gute Grundlage für ein bundesweit abgestimmtes Verfahren“, so von Kalben.
Dabei sei vor allem die Frage zu klären, welche Zahlen dabei berücksichtigt werden sollen. Die Hürden für eine verlässliche Strategie bei einem unbekannten Virus seien groß. „Aber wir sollten wirklich, auch um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten, alles dafür tun, da einen Schritt weiterzukommen“, so von Kalben.
Impfbereitschaft „erfreulich hoch“
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt mahnte „dass das Lagebild derzeit nicht ganz eindeutig ist, auch was die mögliche Ausbreitung von Virusmutationen betrifft“. Dies bereite vielen Menschen und auch Experten zunehmend Sorge. Eine ganz besondere Herausforderung sei die Situation wie schon im Frühjahr für Familien. „Ich bin sehr dankbar, dass wir uns in der Koalition bei den Kontaktbeschränkungen immerhin auf eine Ausnahme für die familiäre Kinderbetreuung verständigen konnten“, so Vogt. Dennoch könnten Kitas und Schulen nicht allzu lang weitestgehend geschlossen bleiben.
Es müsse jetzt alles dafür getan werden, dass zeitnah mehr Impfstoff geliefert und die Impfkapazität erhöht werde. Anfang der Woche seien in Schleswig-Holstein 15.000 Impftermine in nur 24 Minuten vergeben worden. „Das zeigt, dass die Impfbereitschaft in Schleswig-Holstein erfreulich hoch zu sein scheint und dass die Terminvergabe funktioniert,“ so Vogt weiter.
SSW sieht „Licht am Ende des Tunnels“
„Das Gesundheitssystem muss vor einem Kollaps bewahrt werden“, sagte Jette Waldinger-Thiering (SSW). Der SSW sei angesichts der Belastungen und Zumutungen dennoch kein Lockdown-Anhänger. Leider hätten die bisherigen Maßnahmen „nicht den gewünschten Effekt“ erzielt. Waldinger-Thiering nannte das sogenannte „Bewegungsverbot“, das in Landkreisen mit einer Inzidenz von über 200 gelten soll, „einen erheblichen Eingriff in die Bewegungsfreiheit und damit ins Grundrecht“.
„Aber wir sehen ein Licht am Ende des dunklen Tunnels.“ Die ersten Impfungen seien angelaufen, „wenn auch holprig“. Wo es hake, müsse nachgebessert werden, etwa bei den Anmeldewegen. Niemand, der geimpft werden wolle, dürfe „durch das Raster fallen, nur, weil die Anmeldekapazitäten zu gering sind“. Ein kompletter Systemwechsel aber, wie ihn die SPD-Fraktion gefordert habe, „lässt uns wertvolle Zeit verlieren“, so die SSW-Abgeordnete.
AfD spricht von Aktionismus und Symbolpolitik
Jörg Nobis vom Zusammenschluss der Abgeordneten der AfD war der Meinung, mit der Verlängerung des Lockdowns webe Günther am Leichentuch der Wirtschaft. Die Regierung handle planlos, betreibe Aktionismus und Symbolpolitik.
In den Kurzbeiträgen im Anschluss an die Debatte entbrannte eine emotionale Diskussion zum seniorengerechten Verfahren bei der Vergabe von Impfterminen, die etwa eineinhalb Stunden in Anspruch nahm. Über den SPD-Antrag zum Thema Impfstrategie und einen entsprechenden Alternativantrag der Koalitionsfraktionen berät der Sozialausschuss weiter. Der Antrag der Abgeordneten des AfD-Zusammenschlusses zur Bewegungsfreiheit wurde von den übrigen Abgeordneten geschlossen abgelehnt.