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27. Januar 2021 – Januar-Plenum

EU-Fördermittel: Länder sollen mitreden dürfen

Um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern, gibt es milliardenschwere EU-Hilfen. Bei der Verwendung sollen die Länder mitentscheiden dürfen, fordern Parlament und Landesregierung.

EU-Flaggen wehen vor dem Gebäude der EU-Kommission.
EU-Flaggen wehen vor dem Gebäude der EU-Kommission.
© Foto: dpa, Inga Kjer

Der Landtag ist sich in großen Teilen einig: Auch im Schatten der Corona-Pandemie dürfen der Klimawandel und die sozial-ökologische Wende in der Europäischen Union nicht vernachlässigt werden. Europaminister Claus Christian Claussen (CDU) betonte in einer von der Jamaika-Koalition und der SPD angestoßenen Debatte, es gehe allerdings nicht, dass Mittel aus europäischen Strukturfonds ausschließlich an den Bund fließen. Die Verwendung müsse mit den Ländern abgestimmt werden. 

Diskutiert wurde vor allem über die milliardenschweren EU-Hilfen des European Green Deals und des Aufbauinstruments Next Generation. Der Green Deal sei ein „sehr guter Schritt in die richtige Richtung“, erklärte Heiner Rickers (CDU). Es gehe darum, spätestens im Jahr 2050 klimaneutral in allen Bereichen der Produktion und des Konsums in Europa zu sein und nur das zu verbrauchen, was nachwächst oder ausgeglichen werden kann. Rickers warb für die heimische Landwirtschaft.

SPD rückt soziale Auswirkungen in den Fokus

Ähnlich äußerte sich Eka von Kalben (Grüne). Wirtschaftliche Erholung sei nur möglich, wenn auf nachhaltige Infrastruktur und Zukunfts-Technologien gesetzt werde und nicht auf fossile Technologien, betonte sie. „Ein langfristiger wirtschaftlicher Erfolg braucht ein stabiles Ökosystem und ein soziales Gemeinwesen, sonst fehlt der soziale Frieden.“

Der Green Deal müsse „das Fundament für alle EU-Ausgaben“ sein und dürfe angesichts der Corona-Pandemie nicht aus den Augen verloren werden, forderte auch Regina Poersch (SPD). Je ambitionierter die Ziele sind, desto wichtiger seien auch die sozialen Auswirkungen in der Arbeitswelt. Arbeitnehmer dürften nicht abgehängt werden. „Wir haben jetzt die Chance, die Wirtschaft nachhaltig zu gestalten.“

FDP wirbt für Emissionshandel

Die SPD ging darüber hinaus in einem eigenen Antrag auf eine Initiative des Europäischen Parlaments ein, die den „Just Transition Fund“ betrifft. Dieser ist als Instrument gedacht, mit dem gezielt Regionen bei der Umsetzung der Energiewende unterstützt werden sollen, die derzeit besonders von fossilen Brennstoffen oder treibhausgasintensiven industriellen Prozessen abhängig sind.

Während der Ansatz der SPD die Unterstützung von CDU und Grünen fand, lehnte die FDP ihn ab. Der SPD-Antrag sei weder innovativ noch kreativ, meinte Stephan Holowaty (FDP). Die Menschen dürften Veränderungen nicht als Bedrohung wahrnehmen, sondern als Chance. „Genau dazu sagen Sie in Ihrem Antrag herzlich wenig. Sie bieten nur eines an: Umschulungs- und Weiterbildungsprogramme“, hielt er der SPD vor. Statt Steuererhöhungsspiralen müsse es einen Emissionshandel geben – „mit einem CO2-Deckel, der Jahr für Jahr sinkt und damit Innovation befeuert“, so Holowaty.

Ausschüsse beraten weiter

Jette Waldinger-Thiering (SSW) bedauerte, dass die EU von den angedachten Zielen noch weit entfernt sei. „Und dabei fließt der Löwenanteil der EU-Gelder ja nach wie
vor in die auch für uns bedeutsame Agrarpolitik und die Strukturfonds. Hier müssen wir also besser werden“, sagte sie.

Volker Schnurrbusch (AfD-Zusammenschuss) forderte, der Wettlauf um eine weitest gehende Klimaforderung müsse endlich beendet werden. Die Bekämpfung der Lockdown-Folgen brauche „absolute Priorität“. In einem Alternativantrag forderte der Zusammenschluss, statt einen Teil der Mittel pauschal für sogenannte Klimaschutzmaßnahmen abzuzweigen, „Aufwendungen für den Umwelt- und Naturschutz sachgerecht und im Einzelfall begründet zu tätigen“. Das wurde abgelehnt.

Die anderen Anträge werden nun im Europaausschuss, der Antrag zum European Green Deal zusätzlich im Umwelt- und Agrarausschuss weiter beraten.

Mit dem Aufbau-Fonds „Next Generation“ hat die EU im Juli ein Hilfspaket im Umfang von 750 Milliarden Euro geschnürt, um die Corona-Krise zu bewältigen. Die Mittel daraus sollen unterschiedlich verteilt werden. Kernstück ist die sogenannte Aufbau- und Resilienzfazilität zur Bewältigung der Corona-Krise, mit der 672,5 Milliarden Euro aus dem Aufbau-Fonds direkt an die Mitgliedstaaten fließen sollen. Die Voraussetzung: Es müssen Entwürfe vorgelegt werden, die im Einklang mit den politischen Zielen der EU wie etwa Klimaschutz, Digitalisierung und die Modernisierung der Wirtschaft stehen. Weitere zehn Milliarden sind für den „Just Transition Fund“ vorgesehen, der als ein Instrument zur Umsetzung des „European Green Deal“ geschaffen wurde.

Die Koalitionsfraktionen setzen sich nun dafür ein, „dass die Länder in die Entscheidung der Beantragung und Verwendung von Mitteln aus dem ‚Just Transition Fonds‘ und aus der ‚Aufbau- und Resilienzfazilität‘“ einbezogen werden. Denn: Notwendige Maßnahmen seien in den Ländern „durchaus unterschiedlich“. Daher sollten nach Willen von CDU, Grünen und FDP „die regionalspezifischen Unterschiede“ bedacht und „länderspezifisch sinnvolle Investitionsprogramme“ angemeldet werden.

Als Vorschläge für den Einsatz der Hilfsgelder nennen die Antragsteller etwa Wiederaufbau und Krisenbewältigung, Förderung privater Investitionen und die Aufstockung von EU-Programmen „zur Stärkung und Stabilisierung des Binnenmarktes und zur Beschleunigung der Energiewende und des digitalen Wandels“. Aufgelaufene Defizite sollen dagegen nicht damit ausgeglichen werden.

SPD: „Soziale Dimension der Krise“ beachten

In ihrem Alternativantrag stellt die SPD die Forderung nach mehr Mitsprache der Länder über die Verwendung der von der EU zur Verfügung gestellten Corona-Hilfen ebenfalls auf. Sie betont dabei insbesondere die „soziale Dimension der Krise“. So müssten die Mittel aus den Förderinstrumenten „konsequent dafür verwendet werden, die sozialen Härten, die sich aus der Umstrukturierung des Arbeitsmarktes ergeben, abzufedern und sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu unterstützen“.

Die Sozialdemokraten gehen darüber hinaus auf eine Initiative des Europäischen Parlaments ein, die den „Just Transition Fund“ betrifft. Dieser ist als Instrument gedacht, mit dem gezielt Regionen bei der Umsetzung der Energiewende unterstützt werden sollen, die derzeit besonders von fossilen Brennstoffen oder treibhausgasintensiven industriellen Prozessen abhängig sind. Die SPD regt an, die Ausschüttung des Fonds nicht auf Kohleregionen zu beschränken, „sondern ihn auch auf Regionen mit anderen Energiewirtschaftszweigen auszuweiten, die im Sinne ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit klimaneutral und ressourceneffizient umgestaltet werden müssen“.

„Green Deal“ ambitioniert umsetzen

In einem weiteren SPD-Antrag, der in der Debatte mitberaten wird, geht es um den „European Green Deal“. Dieser ist von der Europäischen Kommission im Dezember 2019 auf den Weg gebracht worden und hat zum Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Die Sozialdemokraten fordern, dass die Ziele des „Green Deal“ trotz der Corona-Pandemie „ambitioniert umgesetzt werden“. Die zu bewältigenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise dürften nicht dazu führen, dass die „Bekämpfung des Klimawandels“ und die „sozialökologische Wende, wie sie der European Green Deal skizziert“, aus dem Blick geraten. Damit der Deal gelingen könne, müssten die „angestrebten Reformen“ vor Ort umgesetzt werden, so die Antragsteller.

Als Maßnahmen für Schleswig-Holstein werden etwa „ehrgeizigere Reduktionsziele“, eine Strategie für nachhaltige Lebensmittelproduktion, Meeresschutz und eine europäische Wasserstoffstrategie genannt.

Der „European Green Deal“

Der „Green Deal“ ist ein Kernvorhaben der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen. Die EU soll bis 2050 „klimaneutral“ werden, es sollen also keine neuen Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangen. Was nicht eingespart werden kann, muss gespeichert werden. Die Landwirtschaft trägt vor allem in der Viehzucht erhebliche Mengen Klimagase bei. Andererseits kann Aufforstung große Mengen Kohlendioxid binden.

In ihrer „Vom-Hof-auf-den-Teller“-Strategie nimmt die EU-Kommission nun die gesamte Produktionskette von Lebensmitteln in den Blick. Die EU solle weltweit zum Vorbild für gesunde, umweltschonende und wirtschaftlich verträglich Ernährung werden. Die Pläne sehen unter anderem vor, dass der Einsatz gefährlicher oder schädlicher Pflanzenschutzmittel innerhalb von zehn Jahren halbiert wird.

Weniger Dünger und Nährwertlogo

Außerdem sollen bis 2030 mindestens 20 Prozent weniger Dünger benutzt und der Verkauf antimikrobieller Mittel wie Antibiotika etwa für Nutztiere um 50 Prozent reduziert werden. Um digitale Innovation in der Landwirtschaft voranzutreiben, soll bis 2025 in allen ländlichen Gebieten schnelles Internet verfügbar sein.

Unmittelbare Auswirkung auf das Verhalten von Verbrauchern soll ein verpflichtendes Nährwertlogo auf der Vorderseite von Lebensmitteln haben. Deutschland will noch in diesem Jahr ein Logo für Fertigprodukte einführen – allerdings auf freiwilliger Basis der Hersteller. Bei dem System handelt es sich um den aus Frankreich stammenden Nutri-Score. Dieser bezieht neben Zucker, Fett und Salz auch empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe in die Bewertung ein und gibt einen Wert auf einer fünfstufigen Skala an.

Weniger Müll, mehr Artenvielfalt

Damit in der EU künftig weniger Lebensmittel im Müll landen, will die EU-Kommission bis 2023 Gesetzesvorschläge vorlegen. So sollen die Lebensmittelabfälle im Einzelhandel und von Verbrauchern in Einklang mit bestehenden UN-Zielen bis 2030 halbiert werden.

Die Strategie für mehr Artenvielfalt soll Bienen, Vögel und andere Tiere vor dem Aussterben bewahren. Dafür sollen 30 Prozent der Land- und Meeresfläche in Europa bis 2030 unter Schutz gestellt werden. Derzeit sind es im Rahmen des europäischen Netzwerks Natura 2000 rund 18 Prozent. Solche Flächen dürfen zwar genutzt werden, aber mit Beschränkungen. Ein Drittel der geschützten Fläche soll besonders geschützt und quasi naturbelassen werden.

Weiteres Ziel der Biodiversitätsstrategie 2030 sind verbindliche Regeln zum Erhalt und zur Wiederherstellung geschädigter natürlicher Flächen. Mindestens 25.000 Kilometer Flüsse sollen renaturiert werden. Zudem sollen bis 2030 drei Milliarden Bäume gepflanzt werden. Landwirte sollen künftig auf mindestens 25 Prozent der Ackerfläche in Europa Ökolandbau betreiben. Die nötigen Investitionen zur Umsetzung der Strategie beziffert die Kommission auf jährlich 20 Milliarden Euro.

Weniger EU-Mittel für Schleswig-Holstein?

Unterdessen rechnet die Landesregierung in der aktuellen Förderperiode mit weniger Geld für Schleswig-Holstein aus den europäischen Töpfen. Darauf wies Europaminister Claus-Christian Claussen in einer Sitzung des Europaausschusses Mitte Januar hin. Konkret erwartet das Land für die Jahre von 2021 bis 2027 zwar 303 Millionen Euro aus dem Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Das seien 32 Millionen Euro mehr als in der vorigen Förderperiode. Aber: Dem stünden „deutliche“ und „spürbare“ Kürzungen in anderen Bereichen gegenüber, etwa beim Sozialfonds (ESF) und bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (INTERREG). Die Landesregierung wolle deswegen EFRE-Mittel in andere Programme umschichten, so der Minister.

(Stand: 25. Januar 2021)

Vorherige Debatten zum Thema:
Oktober 2020 (EU-Fördermittel)
Juni 2020 (Europabericht)
November 2020
August 2020 (Klimaschutzziele S-H)

Weitere Infos:
Sitzung des Europaausschusses am 13. Januar 2021

Anträge

Bundesländer in die Mittelvergabe im Rahmen des Aufbauinstruments Next Generation EU einbeziehen
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2561
Alternativantrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2627

European Green Deal muss auch in der Krise die sozialökologische Wende bringen!
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2608
Alternativantrag des AfD-Zusammenschlusses – Drucksache 19/2651