Die Grünen-Abgeordnete Marret Bohn hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Michael August
Mehr Impfstoff muss her. Darin sind sich die Fraktionen im Landtag einig. Fragen zu Impfstrategie, Terminvergabe oder möglichen Sonderrechten für Geimpfte würden angesichts viel zu knapper Impfstoffmengen in den Hintergrund rücken. Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) äußert sich wütend über die misslungene Impfstoffbeschaffung der EU. „Mir platzt der Kragen“, sagte er in einer emotionalen Rede.
Es hätte eine Erfolgsgeschichte werden können, so Garg, nun stünden intransparente Bestellvorgänge und nicht eingelöste Optionen im Fokus. Es sei eine Schande für die Europäischen Union, dass die Vorgänge nicht transparent gemacht würden. „Ich erwarte eine lückenlose Aufklärung, was sich seit Sommer abgespielt hat“, sagte der Minister.
Knapp 90.000 Schleswig-Holsteiner geimpft
Im Anschluss an die Debatte wurde ein interfraktioneller Antrag mit breiter Mehrheit verabschiedet. Das Papier thematisiert Erleichterungen bei der Impfterminvergabe etwa für über 80-Jährige. Ein Antrag der SPD-Fraktion, der Maßnahmen zur Akzeptanz der Impfstrategie zum Inhalt hatte, wurde abgelehnt, ebenso wie ein Antrag des fraktionslosen Abgeordneten Frank Brodehl (LKR) zur Ungleichbehandlung nicht geimpfter Personen.
Bis einschließlich Dienstag wurden im Norden laut Robert Koch-Institut 91.500 Impfungen vorgenommen. Mit einer Quote von 3,0 bei den Erstimpfungen hat das Land den dritthöchsten Wert nach Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz.
Garg: Impfstruktur steht
Das Land habe die nötige Impfstruktur in Form von Impfzentren und mobilen Impfteams bereitgestellt, betonte Minister Garg. „300.000 Schleswig-Holsteiner könnten wir jeden Monat impfen“. Bis Ende Februar stünden aber nur 190.000 Impfdosen von BioNtech/Pfizer zur Verfügung, um 80.000 Menschen zu impfen. „Wir könnten deutlich mehr. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass alles unternommen wird, damit ihre Zusage eingehalten wird“, sagte er mit Blick auf das Ziel der Bundesregierung, jedem Bürger bis zum kommenden Sommer ein Impfangebot zu machen.
Es sei erfreulich, dass binnen kürzester Zeit 29 Impfzentren im ganzen Land aufgebaut worden seien, unterstrich die CDU-Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann. Aber sie seien alle nicht ausgelastet, einige „laufen gar nicht“. Dennoch zeigte sich Rathje-Hoffmann optimistisch: „Sobald mehr Impfstoff zur Verfügung steht, wird sich die Lage entspannen.“ Zuversichtlich gab sich auch ihre Koalitionskollegin Marret Bohn von den Grünen. „Gemeinsam kommen wir durch die Krise“, sagte die Ärztin. Das Impfen sei aber nur ein Baustein. Abstandhalten, Hygiene, Masken und Testen gehörten unter anderem auch dazu.
„Es ist keine Zeit zum Pokern“
„Der Vertragsbruch der Firma AstraZeneca gegenüber der EU ist ein Skandal“, sagte Birte Pauls (SPD). Jetzt müsse es darum gehen, den Impfstoff so schnell wie möglich herzustellen und zu liefern. Dabei dürfe ausschließlich der Gesundheitsschutz im Vordergrund stehen und nicht eine egoistische Gewinnmaximierung. „Die Pharmaindustrie muss sich ihrer humanen Verantwortung bewusst sein. Es ist keine Zeit zum Pokern“, so die SPD-Abgeordnete.
Frank Brodehl (fraktionsloser Abgeordneter LKR) befürchtet einen „Impfzwang durch die Hintertür“. Es werde zunehmend ein gesellschaftlicher Druck aufgebaut, sich impfen zu lassen. Nicht dazu bereit zu sein gelte als „unsolidarisch“.
Weitere Stimmen aus dem Plenum:
Dennys Bornhöft (FDP):
„Was nützt es uns als Gesellschaft oder als Staat, wenn eine Impfdosis nun eher zwölf statt 20 Euro kostet, wir aber den Lockdown entsprechend deutlich länger aushalten müssen?“
Christian Dirschauer (SSW):
„Meiner Erfahrung nach ist eine gute Kommunikation in Pandemiezeiten das A und O. Die Geduld der Menschen ist keine unendliche Ressource.“
Claus Schaffer (Abgeordneter des AfD-Zusammenschlusses):
„Mit uns wird es keine allgemeine Impfpflicht geben. Grund- und Freiheitsrechte werden nicht gewährt. Sie bestehen.“