Der Landtag will in dieser Tagung den vierten Nachtragshaushalt für dieses Jahr beschließen. Vorgesehen ist zum einen eine Erhöhung der Kreditermächtigung um 1,2 Milliarden Euro. Außerdem ist ein Notkredit von insgesamt 4,5 Milliarden Euro geplant. Auf diesen haben sich Jamaika mit den Oppositionsfraktionen von SPD und SSW bereits verständigt. Hierfür ist im Parlament eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Einen Notkredit von einer Milliarde Euro hatte der Landtag schon im Frühjahr beschlossen. Der Schuldenberg des Landes wird nach den aktuellen Planungen von 29 Milliarden Euro im vorigen Jahr bis 2024 auf 38 Milliarden wachsen.
Der Entwurf für den Nachtrag wird von einem interfraktionellen Antrag zur „Erweiterung des Corona-Nothilfeprogramms“ begleitet. Der Antrag sieht eine klare pandemiebedingte Notsituation als verfassungsrechtlich gegeben an. Demnach darf die zur Bewältigung der außergewöhnlichen Notsituation zulässige Kreditaufnahme für das Jahr 2020 um den Betrag von bis zu 5,5 Milliarden Euro überschritten werden. Die Tilgung erfolgt über einen Zeitraum von maximal 40 Jahren.
Investitionen auch in 2021
Im Landesetat für 2021, der ein weiterer Gegenstand der Haushaltsdebatte ist und in Erster Lesung aufgerufen wird, setzt die Landesregierung für das kommende Jahr trotz erwarteter Steuermindereinnahmen auf Investitionen. Geplanten Einnahmen in Höhe von knapp 13,3 Milliarden Euro sollen 2021 nach dem Willen der Regierung Ausgaben in Höhe von 13,6 Milliarden gegenüberstehen. „Die Verständigung auf einen Notkredit gibt uns Luft zum Atmen, aber keinen Spielraum für neue Projekte“, hatte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) Anfang Oktober bei der öffentlichen Vorstellung des Haushaltsentwurfs der Regierung gesagt. Sie plant 2021 mit neuen Schulden in Höhe von 346,2 Millionen Euro. Weitere 403 Millionen Euro werden aus dem geplanten Notkredit in den Haushalt überführt.
Heinold schloss im nächsten Jahr indes ein Sparprogramm aus, da abseits von den Corona-Kosten auch Investitionen in die Infrastruktur und die Daseinsvorsorge in Schleswig-Holstein nötig seien. Laut Steuerschätzung muss das Land in 2021 mit 779 Millionen Euro weniger an Steuern rechnen als vor der Corona-Krise erwartet. Zusätzlich belasten die Folgen des Verkaufs der ehemaligen HSH Nordbank weiter den Etat. 2021 muss Schleswig-Holstein Altschulden aus dem HSH Finanzfonds in Höhe von 287,5 Millionen Euro übernehmen. In den kommenden Jahren werden weitere 1,5 Milliarden Euro durch Verpflichtungen aus dem Verkauf fällig.
Investitionsquote knapp über zehn Prozent
Die Jamaika-Koalition will in Bildung, Digitalisierung, Klimaschutz und Infrastruktur investieren. Insgesamt stehen dem im Kabinett verabschiedeten Entwurf zufolge für Investitionen 1,38 Milliarden Euro bereit, das entspricht einer Investitionsquote von 10,1 Prozent – allerdings bereinigt um die Altlasten der ehemaligen Landesbank. Städte und Gemeinden erhalten im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs 1,88 Milliarden Euro. Die Mittel für Digitalisierung steigen um 33 auf 264 Millionen Euro. Für Sanierungen und Neubauten sind 121 Millionen Euro geplant, für Krankenhäuser 85 Millionen Euro, für Landesstraßen und Radwege 110 Millionen Euro.
Mehr als jeder dritte Euro des Haushalts fließt in das Personal. Die Personalausgaben betragen einschließlich Versorgung und Beihilfe 4,8 Milliarden Euro. Das sind knapp 180 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr. Die Personalquote liegt 2021 bei 34,5 Prozent. Es gebe großen Personalbedarf in den Bereichen Verwaltung, Polizei und Justiz, sagte Heinold. Eine Quote unter 40 Prozent sei vertretbar.
Der Landeshaushalt wird wegen der unübersichtlichen Haushaltssituation infolge der Corona-Pandemie voraussichtlich erst im Februar 2021 verabschiedet. Darüber hinaus plant die Koalition mit einer Kreditermächtigung für das laufende Jahr in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.
Rechnungshof warnt vor Schuldenlast
Unterdessen hat Schleswig-Holsteins Rechnungshof vor einer zukunftsgefährdenden Verschuldung gewarnt. Wenn der Landtag am Donnerstag wie erwartet weiteren Krediten in Höhe von 5,7 Milliarden Euro zustimme, steige die Gesamtsumme als Reaktion auf die Corona-Krise auf gewaltige 6,7 Milliarden Euro, sagte Präsidentin Gaby Schäfer vergangenen Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Damit gehöre der Norden bei der Neuverschuldung im Zuge der Pandemie gemessen an Bevölkerung, Wirtschaftskraft und Haushaltsvolumen zum Spitzentrio unter den Ländern.
Für 2020 habe der Rechnungshof Verständnis dafür, dass die hohen Ausgaben und Mindereinnahmen nicht im laufenden Haushalt eingespart werden können. Schäfer stellte aber infrage, ob mit der Pandemie begründete Kredite für die kommenden Jahre zum Beispiel für Kitas, Radwege, Digitalisierung oder Klimaschutz tatsächlich coronabedingt sind. Der Rechnungshof übt als oberste Landesbehörde die Finanzaufsicht über die Landesregierung, die Ministerien und sämtliche Landesbetriebe aus. Die oberste Rechnungsprüferin kritisierte auch die Absicht der Jamaika-Koalition, über einen Zeitraum von zehn Jahren die Modernisierung der Infrastruktur mit 2,5 Milliarden Euro neuen Schulden zu finanzieren.
Finanzplanung bis 2028
Bereits im September hatte die Landesregierung die Finanzplanung bis 2028 beschlossen. Demnach plant Heinold mit einer Steigerung der Ausgaben von rund 12,6 Milliarden Euro im Haushaltsjahr 2019 auf 15,8 Milliarden Euro in 2028. Die Ausgaben werden durch die ab 2020 verbindliche Schuldenbremse des Grundgesetzes begrenzt und vom Stabilitätsrat überwacht. Die Altverpflichtungen aus der mittlerweile verkauften HSH Nordbank sind in den Zahlen nicht enthalten.
Bis 2028 will die Regierung weiterhin jährlich mehr als eine Milliarde Euro für Investitionen vorrangig in Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung und Klimaschutz aufbringen. Die Personalausgaben steigen von rund 4,5 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf 5,8 Milliarden in 2028. Dabei nehmen allein die Pensionsausgaben von 1,5 Milliarden auf 1,8 Milliarden Euro zu.
Kita-Reform muss finanziert werden
Bei den Zinsausgaben kalkuliert Heinold mit einer Erhöhung von derzeit 458 Millionen Euro auf 734 Millionen im Jahr 2028. Die Berechnungen enthalten nach ihren Angaben auch eine Risikovorsorge für den Fall, dass die Zinssätze stärker als erwartet steigen. Die Ministerin geht derzeit von einem Anstieg der langfristigen Zinssätze auf zwei Prozent bis Ende 2023 aus. Die Risikovorsorge umfasst zusätzlich eine Spanne von etwa einem Prozentpunkt. Das Volumen des Kommunalen Finanzausgleichs wächst von derzeit rund 1,8 Milliarden Euro auf 2,4 Milliarden im Jahr 2028.
Zur Modernisierung der Infrastruktur will die Regierung die Mittel für das Investitionsprogramm „Impuls“ schrittweise erhöhen – von derzeit 150 Millionen Euro im Jahr von 2025 an auf 250 Millionen. Dazu fehlen für die Jahre 2021 bis 2023 noch 170 Millionen Euro, die auch mithilfe möglicher Haushaltsüberschüsse aufgebracht werden sollen. Ein weiteres zentrales Projekt ist die 2020 in Kraft tretende Kita-Reform. Die Koalition will damit Eltern wie Kommunen entlasten und die Betreuung verbessern. Die Mittel werden im Vergleich zu 2017 bis zum Ende der Legislatur (2022) mehr als verdoppelt.
Nachhaltigkeit bei Finanzanlagen
Im Zuge der Etatberatung legt Schleswig-Holsteins Regierung einen Entwurf vor, mit dem sie Finanzanlagen des Landes an strikte politische, ökologische und soziale Kriterien binden will. Das Gesetz soll verbindliche Grundsätze für Finanzanlagen ab einer Million Euro regeln. Die Kriterien beziehen sich auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Der Gesetzentwurf schließt den Erwerb von Finanzanlagen von Unternehmen aus, die fossile Brennstoffe fördern oder Atomenergie produzieren. Gleiches gilt für Unternehmen und deren Zulieferer, die systematisch Menschenrechte verletzen oder gegen Grundsätze verantwortungsvoller Unternehmensführung verstoßen. Ebenfalls betroffen sind Hersteller von Waffen, die nach internationalen Übereinkommen verboten oder geächtet sind.
Einen solchen Ausschlusskatalog gibt es auch für Staaten, die zum Beispiel die Todesstrafe systematisch anwenden, das jeweils aktuelle Klimaschutzprotokoll, die UN-Biodiversitätskonvention oder UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert haben. Ebenfalls herangezogen werden Normen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und Übereinkommen über verbotene oder geächtete Waffensysteme. Auch in besonders korrupten Staaten sowie in solchen, die Angriffskriege führen oder nicht ausreichend im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung kooperieren, soll kein Geld angelegt werden.
Die Grundsätze sind für neue Finanzanlagen vorgesehen. Bestehende Anlagen, die gegen die Ausschlusskriterien verstoßen, sollen laut Ministerium zu einem geeigneten Zeitpunkt „wertschonend“ verkauft werden.
Gewerbesteuern sinken
Ein weiteres Thema der Debatte sind die Gewerbesteuern. Das Land will in erheblichem Umfang Steuerausfälle der Kommunen kompensieren, um deren Handlungsfähigkeit zu sichern. Mit 275 Millionen Euro will das Land die voraussichtlich wegbrechenden Gewerbesteuern und Anteile von Städten und Gemeinden an der Einkommensteuer lindern. Auch hierzu liegt ein Gesetzentwurf vor. Die Gewerbesteuern in Schleswig-Holstein sind im zweiten Quartal dieses Jahres stark zurückgegangen. Das Aufkommen lag im Zeitraum April bis Juni 21 Prozent unter dem Wert der ersten drei Monate des Jahres, wie das Statistikamt Nord mitteilte. Im Vorjahresvergleich betrug der Rückgang sogar 34 Prozent.
Insgesamt nahmen die Kommunen im zweiten Quartal des laufenden Jahres 319 Millionen Euro ein. Von Januar bis März waren es noch 402 Millionen Euro gewesen, im Vorjahresquartal knapp 485 Millionen Euro. Nach Angaben des Statistikamtes ist das Gewerbesteueraufkommen im zweiten Quartal normalerweise am höchsten.
Resolution wird verabschiedet
Im Zuge der Haushaltsberatungen wird auch eine interfraktionelle Resolution aufgerufen, die der Landesregierung für ihren finanztechnischen Stabilisierungskurs mit den milliardenschweren Notkrediten Rückendeckung bekundet. Inhaltlich soll das zuvor im Zuge der Regierungserklärung zu Corona am Mittwoch debattierte Papier nun in der Etatberatung abgestimmt werden. In der Resolution heißt es: Sowohl Konjunkturprognosen als auch Steuerschätzungen würden deutlich machen, dass eine weitere Unterstützung von Wirtschaft, Kommunen und Gesellschaft notwendig ist, „um Schleswig-Holstein gestärkt durch die Krise zu führen“.
Weiterhin zu lesen: „Zugleich sei es verfassungsrechtlich geboten, die Finanzplanung aller staatlichen Ebenen mittelfristig auf einen reduzierten Ausgaberahmen auszurichten und einen verbindlichen Tilgungsplan für die Notkredite zu verabschieden.“ Nachfolgend werden mehrere konkrete Unterstützungsmaßnahmen genannt, die zum Teil bereits auch schon in dem Landeshaushalt für 2021 enthalten sind.
Schuldentilgungsplan überholt
Zu einem von der Regierung im März 2019 vorgelegten Schuldentilgungsplan, der durch die Corona-Pandemie überholt ist, empfiehlt der zuständige Finanzausschuss Kenntnisnahme. „Ab dem Jahr 2020 darf Schleswig-Holstein, wie alle Länder, in der Regel keine neuen Schulden mehr aufnehmen“, ist darin noch zu lesen.
(Stand: 26. Oktober 2020)
Vorherige Debatten zum Thema Haushalt:
September 2020 (Finanzplanung)
Dezember 2019 (Haushalt 2020)
März 2018 (Schuldentilgung)
Vorherige Debatten/Meldung zum Thema Nachtragshaushalt
September 2020 (Finanzplanung)
August 2020 (3. Nachtrag / ohne Aussprache)
Mai 2020 (2. Nachtrag)
März 2020 (1. Nachtrag)
Stichwort: Haushaltsplan
Im mehrere hundert Seiten starken Haushaltsplan sind alle Einnahmen und Ausgaben des Landes für ein Rechnungsjahr aufgelistet. Der Entwurf des Haushaltsplans wird zusammen mit dem Haushaltsgesetz von der Landesregierung in den Landtag eingebracht.
Nach der Ersten Lesung lässt der Landtag die Details durch seinen Finanzausschuss prüfen, der die Einzelpläne der Ministerien gemeinsam mit den zuständigen Fachausschüssen berät und schließlich eine Beschlussvorlage für das Plenum erarbeitet.
In der Regel legen die Oppositionsfraktionen eigene alternative Haushaltsvorschläge in der abschließenden Zweiten Lesung zur Abstimmung vor. Die Hoheit über den Haushalt gilt als "Königsrecht" des Parlaments.
Stichwort: Nachtragshaushalt
Wenn die im Landeshaushalt bewilligten Gelder nicht ausreichen oder wenn Ausgaben für Zwecke erforderlich werden, die im Haushaltsplan nicht vorgesehen sind, kann die Landesregierung dem Parlament einen Nachtragshaushalt vorlegen. Der Landtagspräsident hat die Möglichkeit, den Entwurf der Landesregierung ohne Erste Lesung unmittelbar an die betroffenen Ausschüsse zu überweisen. Entsprechend werden Nachtragshaushalte in der Regel nur einmal, bei der Zweiten Lesung, im Plenum beraten.