Ministerpräsident Daniel Günther hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtags.
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Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat seinen Kurswechsel in der Corona-Politik verteidigt und um Verständnis für die drastischen Maßnahmen geworben, die die Landeschefs am Vortag mit der Bundeskanzlerin auf den Weg gebracht haben. „Wir befinden uns auf dem Weg in eine nationale Gesundheitsnotlage“, sagte Günther in einer Regierungserklärung vor dem Landtag: „Wir müssen uns alle vier Wochen lang erheblich disziplinieren.“
Die Corona-Fallzahlen im Lande hätten sich allein von Dienstag auf Mittwoch verdoppelt, betonte der Regierungschef. Er habe die gemeinsame Linie von Bund und Ländern aus „staatspolitischer Verantwortung“ mitgetragen, auch wenn ihm dies beim Thema Gastronomie schwergefallen sei.
Günther: Gegenkurs geht nicht
Am Tag vor dem Video-Gipfel mit der Kanzlerin hatte Günther noch angekündigt, dass die Gaststätten im Lande geöffnet bleiben sollten – mit einer Sperrstunde um 23.00 Uhr. Stattdessen soll die Gastronomie nun aber im gesamten November geschlossen bleiben. „Wenn 15 andere Lände Gastronomie und Hotels schließen“, so Günther, dann könne Schleswig-Holstein nicht als einziges Land auf Gegenkurs gehen.
Er verwies darauf, dass „alle, die von der Schließung betroffen sind“, vom Bund 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019 als Entschädigung bekommen sollen. Dies sei „unabdingbar, sonst hätten wir nicht zugestimmt“. An die Bevölkerung appellierte er: „Halten Sie sich mit Kontakten zu anderen Menschen zurück.“ Zugleich betonte der Ministerpräsident, dass es keine Kontrollen in Privatwohnungen geben werde.
SPD unterstützt „nationalen Kraftakt“
Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) stützte die Linie von Bund und Ländern. Die bundesweite Einigung sei begrüßenswert, es gehe um einen „nationalen Kraftakt“ und nicht um „Kleinstaaterei“. Stegner kritisierte Günthers „Alleingang“ vom Wochenanfang. Dieser sei „kein Beitrag zur Klarheit“ gewesen. Über die angekündigten Hilfsmaßnahmen hinaus forderte der SPD-Fraktionschef weitere Hilfen für die Veranstaltungsbranche und für Solo-Selbständige sowie mehr Schulbusse und Luftreinigungsanlagen in den Schulen. „Wer Milliarden für die Lufthansa hat, muss auch das stemmen können“, so Stegner.
CDU-Fraktionschef Tobias Koch lobte den in Berlin beschlossenen „Kraftakt“ und auch den „historischen Schulterschluss zwischen Regierung und Opposition“ in Schleswig-Holstein bei der Bekämpfung der Corona-Folgen. Er betonte zugleich, die Politik habe ihre Lehren aus dem Frühjahr gezogen. So blieben etwa Schulen und Kitas offen.
CDU kritisiert Berliner Senat
Koch ging mit anderen Bundesländern, vor allem Berlin, hart ins Gericht. Es gebe Landesregierungen, die Vorschläge der Kanzlerin „jedes Mal in der Ministerkonferenz abgeschwächt oder verwässert“ hätten. „Was wir an verantwortungslosen und übertriebenen Lockerungen in anderen Bundesländern erlebt haben, darf sich nicht wiederholen“, mahnte er.
Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben versuchte Optimismus zu streuen. „Wir sind nicht hilflos, wir haben es selbst in der Hand“, erklärte sie und zeigte sich überzeugt: „Wir werden nach der Pandemie eine andere Wertschätzung haben für Gemeinschaft und Gemeinsamkeit.“ Politik müsse das Paradoxon des gleichzeitigen Wunschs nach Einheitlichkeit und Individualität der Menschen lösen. Das gehe nur durch einheitliche Kriterien. „Nutzen wir die kommenden vier Wochen, um eine Langfriststrategie auf Inzidenzen beruhend zu entwickeln“, so von Kalben.
Liberale mit inhaltlichen und rechtlichen Bedenken
Der Frakionsvoritzende der FDP, Christopher Vogt, hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
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Foto: Michael August
Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christopher Vogt, äußerte zum bundesweiten Vorgehen „erhebliche inhaltliche und rechtliche Bedenken“. Noch sei die Pandemie in Schleswig-Holstein nicht außer Kontrolle geraten. Aufgrund der vergleichsweise geringeren Infektionszahlen hätte es seiner Auffassung nach differenziertere Lösungen geben können, etwa ein regionales Stufenmodell. Maßnahmen müssten „zielgenau, nachvollziehbar und rechtssicher“ sein.
Aber, so Vogt: Trotz „erheblicher Bauchschmerzen“ werde er „aus Verantwortung für unser Land“ die beschlossenen Maßnahmen mittragen. Sein Demokratieverständnis basiere auf dem mündigen Bürger. „Die allermeisten von ihnen handeln nach wie vor diszipliniert“, sagte Vogt. Die Menschen bräuchten jetzt klare Ziele und Perspektiven.
„Augenmaß statt Holzhammer“
Für den fraktionslosen Jörg Nobis „atmet der Lockdown anti-rechtsstaatlichen Geist.“ Es gebe einen regelrechten Wettbewerb bei der Aussetzung von Grundrechten. Einschränkungen müssten begründet werden und könnten nicht pauschal verhängt werden. Nobis forderte „Augenmaß statt Holzhammer“ bei der Pandemiebekämpfung. Mit „dem großen Hammer“ zerstöre die Regierung ganze Wirtschaftszweige. Darum lehne seine AfD-Partei den „Lockdown 2.0“ ab, so Nobis.