Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

28. Oktober 2020 – Oktober-Plenum

Medikamente: EU stärken und Abhängigkeit von Importen mindern

Corona ist eine internationale Krise und muss europaweit gemeinsam angegangen werden. Darüber herrscht breite Einigkeit. Zudem warnen alle Fraktionen davor, Ängste vor einem Impfstoff zu schüren.

Ein medizinischer Mitarbeiter bereitet in Moskau eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff "Sputnik V" vor.
Ein medizinischer Mitarbeiter bereitet in Moskau eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff "Sputnik V" vor.
© Foto: Jr/AP/dpa, Alexander Zemlianichenko

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie muss Europa enger zusammenrücken. Das haben Vertreter aller Fraktionen im Landtag gefordert. Eine zentrale Lehre aus der ersten Pandemie-Phase sei, dass die EU unabhängig von der Arzneimittelproduktion in Drittstaaten wie China werden müsse, so der Abgeordnete Bernd Heinemann. Seine SPD-Fraktion hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Heinemann machte sich zudem für mehr gemeinsame Forschung und für grenzüberschreitende Perspektiven für Fachkräfte stark: „Wir brauchen die europäische Gesundheitsunion.“

Im Grundsatz stieß der SPD-Vorstoß auf breite Zustimmung. Die Mitgliedsstaaten müssten Medikamente und Ausrüstung gemeinsam beschaffen und „nicht in eine Konkurrenzsituation gehen“, mahnte Marret Bohn (Grüne): „Wir dürfen es nie wieder zulassen, dass wir keine Schutzausrüstung für die Mitarbeiter in den sozialen Berufen haben.“ „Das Virus macht vor keinen Grenzen halt“, merkte Sozialminister Heiner Garg (FDP) an. Die EU baue bereits strategische Vorräte an medizinischer Ausrüstung auf. Zudem stellte Garg klar: „Wir brauchen in Europa mehr Anreize für Unternehmen, Arzneimittel und Arzneimittelrohstoffe in der EU zu produzieren.“

Warnung vor „Panikmache“ wegen Impfstoff 

Während der SPD-Antrag an den Europa- und den Sozialausschuss überwiesen wurde, stieß ein Antrag des fraktionslosen Abgeordnete Claus Schaffer (AfD) auf breite Ablehnung. In dem Papier wandte sich Schaffer gegen die beschleunigte „Fast-Track-Zulassung“ von Corona-Impfmittel. „Lieber langsam und sicher als schnell und mit unbekannten Nebenwirkungen“, sagte Schaffer. Hans Hinrich Neve (CDU) warf dem Fraktionslosen daraufhin vor, „Ängste schüren“ zu wollen. Die hohen deutschen und europäischen Qualitätsstandards würden nicht umgangen, sondern es werde Bürokratie abgebaut. Eine solche Beschleunigung sei bereits vor Corona überfällig gewesen.

Auch Dennys Bornhöft (FDP) kritisierte Schaffer scharf: „Sie bedienen sich Verschwörungsfantasien, als ob jemand vorhätte, nicht zugelassene Präparate an die Bevölkerung auszugeben“. Dies sei Deutschland und nicht Putin-Russland, unterstrich Bornhöft mit Blick auf das dort im Eilverfahren genehmigte Mittel „Sputnik V“.

Der Antrag von Schaffer war im Spätsommer bereits wortgleich von der inzwischen aufgelösten AfD-Fraktion vorgelegt worden.

Die Corona-Krise hat nach Ansicht der SPD die Notwendigkeit einer europäischen Gesundheitsstrategie gezeigt. „Europa muss als Gesundheitsunion gestärkt werden“, betonte Regina Poersch, europapolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Mitte September bei Vorstellung eines Landtagsantrags. Wenn es um die Gesundheit gehe, müssten die Mitgliedstaaten stärker zusammenarbeiten. Das sei wichtig, so Poersch, um die aktuelle Situation zu bewältigen. Die EU verfüge dafür noch nicht über ausreichend starke Instrumente. Konkret fordert die SPD: Die Landesregierung solle sich während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auch auf Bundesebene für eine Stärkung der EU-Gesundheitspolitik einsetzen.

Die Europäische Kommission hatte als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie die Einrichtung eines neuen EU-Förderprogramms „EU4Health“ in Höhe von 9,4 Milliarden Euro vorgeschlagen. Bisher habe der Rat jedoch nur 1,7 Milliarden Euro im mehrjährigen Finanzrahmen beschlossen, kritisierte Poersch. Der von der Kommission vorgeschlagene verbleibende Anteil von 7,7 Milliarden Euro aus dem Aufbaufonds sei vom Rat ersatzlos gestrichen worden. Die Staats- und Regierungschefs des Europäischen Rats müssten hier dringend nachsteuern.

Wann kommt ein verträglicher Impfstoff?

Die EU und der Bund haben im Zuge der Corona-Pandemie die Zulassungsverfahren für neue Medikamente beschleunigt. Das könnte auch einen möglichen Impfstoff gegen das SARS-CoV2-Virus betreffen. Der fraktionslose AfD-Abgeordnete Claus Schaffer wendet sich gegen die „Fast-Track-Zulassung“ eines möglichen Corona-Impfmittels und drängt darauf, potentielle Impfstoffe intensiv zu testen. Zudem wird in einem entsprechenden Antrag eine Impfpflicht abgelehnt.

Üblicherweise kann die Entwicklung eines Impfstoffes bis zu 15 Jahre dauern. Vor der Zulassung werden die Verträglichkeit, die Dosierung und die Wirksamkeit des Medikaments in mehrjährigen Testläufen abgeklopft. Bevor die Wirkung auf den menschlichen Körper untersucht wird, gibt es normalerweise Tierversuche.

Deutschland peilt Zulassung Anfang 2021 an

Seit dem Corona-Ausbruch wird weltweit mit Hochdruck nach einem Impfstoff geforscht. Im August hat der russische Staatspräsident Wladimir Putin die Vakzine „Sputnik V“ vorgestellt. Nach angeblich erfolgreichen Tests an Menschen soll sie nach russischen Angaben ab 1. Januar 2021 für den „zivilen Verkehr“ freigegeben werden. Regierungsvertreter und Forscher aus anderen Ländern haben verhalten auf die Ankündigung reagiert. Der britisch-schwedische Pharmakonzern Astra Zeneca hat seine klinische Studie zur Erforschung eines Covid-Impfstoffs Anfang September vorübergehend gestoppt, nachdem bei einem Probanden gesundheitliche Probleme aufgetreten waren. 

Die Ständige Impfkommission (Stiko) beim Berliner Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass es in Deutschland mehrere unterschiedliche Impfstoffe gegen das neue Coronavirus geben wird. Es sei wahrscheinlich, dass am Ende mehrere Impfstoffe in Deutschland zugelassen werden, hieß es Mitte September. Es könne sein, dass einzelne Impfstoffe insbesondere für bestimmte Bevölkerungsgruppen geeignet wären ‒ zum Beispiel für Ältere. Die Bundesregierung erwartet, dass ein Impfstoff in Deutschland für Teile der Bevölkerung in den ersten Monaten des nächsten Jahres zur Verfügung steht, für die breite Masse voraussichtlich Mitte des Jahres.

Hinweis: Der Antrag von Schaffer war wortgleich bereits von der inzwischen aufgelösten AfD-Fraktion vorgelegt worden.

(Stand: 26. Oktober 2020)

Antrag

Europäische Gesundheitspolitik stärken – EU-Bürgerinnen und Bürger besser vor grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren schützen
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2399

Antrag

Keine Fast-Track-Zulassung für Impfstoffe gegen COVID 19
Antrag des Abgeordneten Claus Schaffer – Drucksache 19/2495