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23. September 2020 – September-Plenum

Landtag will Flüchtlingen aus Moria helfen

Mit Ausnahme der AfD betonen die Landtagsfraktionen ihre Bereitschaft zur Aufnahme der Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager Moria. Zugleich wird eine Reform des Asylrechts auf europäischer Ebene gefordert.

Die SPD-Abgeordnete Serpil Midyatli hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
Die SPD-Abgeordnete Serpil Midyatli hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
© Foto: Michael August

Der Landtag hat mit breiter Mehrheit erneut seine Bereitschaft bekräftigt, Flüchtlinge aus besonderen Notlagen in Schleswig-Holstein aufzunehmen. Vor dem Hintergrund des abgebrannten Lagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos forderten CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW in einem gemeinsamen Antrag zudem die Landesregierung auf, sich auf Bundes- und EU-Ebene für eine schnelle Verteilung der Geflüchteten aus Moria auf weitere europäische Länder einzusetzen sowie die Hilfe vor Ort zu unterstützen. Einzig die AfD wandte sich gegen erneute Aufnahme von Flüchtlingen.

Die Große Koalition in Berlin hatte sich in der vergangenen Woche darauf verständigt, mehr Geflüchtete von den griechischen Inseln aufzunehmen. Demnach dürfen 1553 bereits Asylstatus besitzende weitere Menschen aus 408 Familien nach Deutschland einreisen. Diese Flüchtlinge sollen zusätzlich zu den geplanten bis zu 150 unbegleiteten Minderjährigen nach Deutschland kommen. Auch einige hundert kranke Kinder und ihre Familien – insgesamt rund 1000 Personen – will die Bundesregierung einreisen lassen.

CDU warnt vor Alleingang

Im Landtag wurde das als positiver Schritt nach der „bedrückenden Tragödie“ in Moria gewertet. Schleswig-Holstein habe aber Platz für mehr hilfesuchende Menschen, viele Kommunen hätten bereits ihre Bereitschaft für eine Aufnahme der Flüchtlinge angeboten, lautete der Tenor. Diese Aufnahmebereitschaft in Schleswig-Holstein beeindrucke sie sehr, dankte Barbara Ostmeier (CDU): „Humanität ist das Gebot der Stunde.“ Sie sprach sich aber zugleich gegen eigenmächtiges Handeln der Bundesländer bei dem Thema aus. Ein „Selbsteintrittsrecht der Länder ohne Beteiligung des Bundes“ dürfe es nicht geben.

In diesem Punkt widersprach die SPD-Abgeordnete Serpil Midyatli (SPD). „Leider haben wir bis heute keinen einzigen Ton von Bundesinnenminister Seehofer dazu gehört, warum er Bundesländern und Kommunen verweigert, geflüchtete Menschen bei sich aufzunehmen“, sagte sie. Sie forderte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) gemeinsam den Druck auf CSU-Minister Horst Seehofer zu erhöhen. Midyatli erinnerte daran, dass es bereits seit 2015 eine unwürdige Unterbringung auf den griechischen Inseln gebe. Sie forderte ein einheitliches Asyl-System in Europa, denn: „Dublin 3 ist gescheitert.“

„Gesamteuropäisches Versagen“

Von den bewilligten Menschen kämen 50 Geflüchtete nach Schleswig-Holstein, erklärte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. Sie kritisierte, dass es Europa nicht hinbekomme, eine Unterbringung „für die Schwächsten und Schwachen“ zu organisieren. Jan Marcus Rossa (FDP) sprach ebenfalls von einem „Trauerspiel“ und einem „gesamteuropäischen Versagen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik“. Der Bundesregierung hielt er „bloße Symbolpolitik“. Denn: Die aufgenommenen Flüchtlinge kämen gar nicht aus Moria. Das sei „ohne jede Wirkung für die Menschen, die unsere Hilfe brauchen“. Lars Harms (SSW) forderte die Bundesregierung auf, die derzeitige EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, um gesamteuropäische Lösungen voranzutreiben.

Claus Schaffer (AfD) meinte hingegen, die Flüchtlinge hätten selbst das Feuer gelegt, um ihre Weiterreise nach Europa zu erzwingen. Dem dürfe man nicht nachgeben, um nicht „den sozialen Frieden in Deutschland“ zu gefährden und „dieselben Fehler wie 2015“ zu machen. Man müsse jetzt die Griechen „tatkräftig vor Ort“ unterstützen, so Schaffer.

Ministerin würdigt Engagement der Kommunen

Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) erklärte, Schleswig-Holstein werde mindestens 3,4 Prozent der Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen – „egal wie viele es insgesamt sind“. Das Engagement der Kommunen im Land unterstütze die Regierung dabei, Menschen in Not zu helfen. Wichtig sei aber auch, sich auf europäischer Ebene auf eine „humanitär geprägte und faire Asylpolitik“ zu verständigen, so die Ministerin.

Über die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Camp in Moria auf der griechischen Insel Lesbos wird bereits seit Jahren diskutiert. Nach dem Brand in dem Lager Anfang September fordern CDU, Grüne und FDP nun von der Landesregierung, „sich mit Nachdruck“ beim Bundesinnenministerium dafür einzusetzen, dass Schleswig-Holstein „unverschuldet in Not geratenen Flüchtlingen“ einen sicheren Aufenthalt zur Durchführung eines Asylverfahrens gewähren kann. Auf eine europäische Lösung zu warten, wäre „fatal“, so die Jamaika-Fraktionen. Insbesondere Familien mit Kindern müsse „schnell und unkompliziert“ geholfen werden. Anschließend müsse die „seit langem überfällige Reform der europäischen Migrationspolitik auf den Weg gebracht werden“.

Die SPD-Fraktion stellt ähnliche Forderungen in einem eigenen Antrag. Sie fordert die Landesregierung auf, „alles in ihrer Kompetenz Mögliche zu veranlassen“, um Menschen aus dem Flüchtlingslager Moria „schnellstmöglich humanitäre Hilfe zukommen zu lassen“. Bei einer Reform der europäischen Asylpolitik, für die sich auch die SPD stark macht, müsse ein Ziel sein, „die Lager auf den griechischen Inseln aufzulösen und einen gerechten europäischen Verteilmechanismus der Geflüchteten in Europa zu vereinbaren“. Außerdem müsse „ein einheitliches europäisches Asylsystem mit einheitlichen Verfahren und einheitlicher Rechtsanwendung“ geschaffen werden.

Bundesregierung: Deutschland nimmt 1500 Menschen auf

Die Bundesregierung hatte nach der Brandkatastrophe zunächst angekündigt, Deutschland werde von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen aus dem griechischen Flüchtlingslager bis zu 150 Jugendliche aufnehmen. Anfang vergangener Woche verständigten sich Union und SPD darauf, 1553 zusätzliche Flüchtlinge von fünf griechischen Inseln aufzunehmen. Es handele sich dabei um 408 Familien mit Kindern, die in Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannt wurden.

Bereits vor dem Brand hatte Deutschland zugesagt, minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen. Dabei handelt es sich um unbegleitete Minderjährige ‒ vorwiegend Kinder ‒ sowie um kranke Kinder und ihre Angehörigen. Nach Angaben des parlamentarischen Staatssekretärs Stephan Mayer (CSU) sind von den insgesamt rund 1000 Schutzsuchenden, die zu dieser Gruppe gehören, bisher 574 Personen in Deutschland angekommen.

(Stand: 21. September 2020)

Vorherige Debatte zum Thema:
Mai 2020 (Flüchtlinge Griechenland)

Anträge

Humanitäres Aufnahmeprogramm für Geflüchtete aus Moria, Lesbos jetzt! – EU-Asylpolitik endlich reformieren
Antrag der Fraktion der SPD und der Abg. des SSW – Drucksache 19/2434(neu)

Humanität geht vor – Hilfe für die Flüchtlinge aus Moria jetzt!
Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, FDP und der Abg. des SSW – Drucksache 19/2437(neu)