Ein Junge hat auf seinem Schreibtisch neben Schulheften und Federtasche einen Mundschutz liegen.
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Foto: dpa, Marijan Murat
Die Schulpolitik und insbesondere die Rolle von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) haben im Landtag zu einem heftigen Schlagabtausch geführt. In einer Regierungserklärung verteidigte Prien ihre Entscheidungen während der Corona-Pandemie. Der Start ins neue Schuljahr sei landesweit beinahe reibungslos verlaufen, so die Ministerin. Lediglich an 30 der 950 Standorte habe es für einige wenige „Kohorten“ zwischenzeitlich Distanzunterricht gegeben. Der SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat warf Prien im Gegenzug vor, das Vertrauen von Eltern und Lehrkräften verspielt zu haben. Seine Forderung nach einem Rücktritt der Ministerin wiederholte Habersaat im Plenum aber nicht.
Im neuen Schuljahr setze sie auf „so viel wie möglich Präsenzunterricht“, betonte Prien, denn die Schule sei „ein unverzichtbarer Ort des sozialen Miteinanders“. Deswegen sei es auch angemessen gewesen, dass hunderte Lehrer trotz ärztlicher Atteste nicht vom Präsenzunterricht befreit wurden, sagte Prien. Sie könne Lehrkräfte nicht anders behandeln als Polizeibeamte oder Busfahrer: „Jede Freistellung geht auf Kosten der Unterrichtsversorgung.“ Flächendeckende Schulschließungen, wie im Frühjahr, hätten „gravierende Folgen“ und dürften nur „das äußerste Mittel“ sein.
SPD: „Ministerin nimmt Verantwortung nicht wahr“
SPD-Mann Habersaat warf der „irrlichternden Bildungsministerin“ eine Reihe von Fehleinschätzungen vor. So habe Prien zunächst nur eine „dringende Empfehlung“ statt eine Pflicht zum Tragen einer Gesichtsmaske verfügt. Bei einer Empfehlung sei die Ministerin aber „juristisch nicht haftbar“, so Habersaat. „Den Ärger haben andere“, nämlich die Schulleitungen. Ähnlich verhalte es sich bei der Schülerbeförderung. Derzeit seien viele Kinder „in vollgestopften Bussen Nase an Nase“ unterwegs, „da hilft auch der schönste Mund- und Nasenschutz nichts“. Auch bei diesem Thema seien die Schulleitungen zuständig, während sich das Land aus der Verantwortung heraushalte.
CDU-Fraktionschef Tobias Koch bescheinigte Prien hingegen, einen „ausgezeichneten Job“ zu leisten. Die „dringende Empfehlung“ zum Tragen einer Maske sei vollkommen ausreichend gewesen, denn „der Infektionsschutz war jederzeit gewährleistet“. Koch attackierte die SPD scharf: „Sie verbreiten Hysterie, und das ist das letzte was die Leute brauchen können in dieser Situation.“
Grüne räumen Schwierigkeiten ein
Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben verbreitete wenig Hoffnung, dass sich an der Informations- und Kommunikationssituation während der Corona-Pandemie etwas ändern wird. „Wir müssen damit rechnen, dass alles so bleibt.“ Manchmal müsse es in der Krise schnelle Entscheidungen geben, auch ohne dass alle Beteiligten sofort mit eingebunden werden könnten. Aber: Niemand treffe leichtfertig Entscheidungen, betonte von Kalben. Es sei „schier unmöglich, es allen recht zu machen“ . Von der SPD forderte sie eine „andere politische Kultur“. Es kämen aus der Opposition wenig Vorschläge, was besser gemacht werden könnte.“
Anita Klahn (FDP) hielt Martin Habersaat vor, das „M in der Nudelsuppe“ zu suchen. Die Koalition behaupte gar nicht, alles richtig zu machen, so Klahn. Ihr zufolge gab es an den knapp 800 Schulstandorten bis gestern 16 Schulen, in denen es Einschränkungen beim Präsenzunterricht gibt oder gab und 37 positiv bestätigte Fälle bei den Schülern und in der Lehrerschaft. Klahn regte an, das Angebot der privaten Busunternehmer, beim Schultransport für einen begrenzten Zeitraum einzuspringen, ernsthaft zu prüfen. „So könnten wir einerseits das Problem der Überfüllung lösen und auch einer besonders in Bedrängnis geratenen Branche helfen.“
Eigenverantwortung wichtig
Übereinstimmend betonten Redner der Jamaika-Koalition, Präsenzunterricht an Schulen sei für Bildungsgerechtigkeit und das Kindeswohl unerlässlich. Ein Appell ging daher an die Eigenverantwortung der Bürger. Es funktioniere nicht, alles bis ins letzte Detail durch Regelungen und Erlasse zu bestimmen, jeder müsse seinen individuellen Beitrag leisten.
Die Opposition hielt der Ministerin hingegen „einen Schlingerkurs“ und fehlendes Krisenmanagement vor. Für den AfD-Abgeordneten Frank Brodehl greift die Maskenpflicht unverhältnismäßig in die Freiheitsrechte der Schüler ein. Er forderte die Ministerin auf, die Anordnung zurückzunehmen und auf Freiwilligkeit zu setzen. Kinder gehören nach Ansicht von Brodehl nicht zur Risikogruppe.
Lob für digitale Ausstattung
Jette Waldinger-Thiering (SSW) hielt der Ministerin vor „das reine Chaos“ an Schulen ausgelöst zu haben. Nötig sei hingegen eine Ressortchefin, die den Schulen den Rücken stärkt. „Schulen brauchen keine zögerliche Zurückhaltung mehr, sondern eine Ministerin, die ihre Lotsenfunktion umsetzt“, so Waldinger-Thiering. Schulen und Eltern seien schlecht informiert und nicht mitgenommen worden. Sie regte eine Verschlankung der Lehrpläne, weitere Lernferien und „Kompromisse“ bei Abschlussprüfungen an.
Positiv wurde von allen Fraktionen der laufende Ausbau der Digitalisierung an Schulen bewertet. Der digitale Unterricht sei auch nach der Pandemie eine gute Ergänzung im Lehrplan, so der Tenor.