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28. August 2020 – August-Plenum

Onlinezugangsgesetz: Digitalisierung fährt hoch

Elterngeld oder Personalausweis online beantragen – das soll spätestens 2022 möglich sein. So sieht es das Onlinezugangsgesetz des Bundes vor. Schleswig-Holstein ist laut einem Update der Landesregierung im Zeitplan.

Ein Mann tippt die Linke Taste seiner Computermaus an (Aufnahme mit Blitzlicht und Langzeitbelichtung).
Ein Mann tippt die Linke Taste seiner Computermaus an (Aufnahme mit Blitzlicht und Langzeitbelichtung).
© Foto: dpa, Christophe Gateau

Im Jahr 2023 sollen Bürger in Deutschland alle 6000 Verwaltungsdienstleistungen in 575 Fachverfahren auch online in Anspruch nehmen können. Die Umsetzung des dahinterstehenden, 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetzes (OZG) sei „eine echte Mammutaufgabe“, aber Schleswig-Holstein spiele „im Konzert der Länder ganz vorne“ mit, erklärte Digitalisierungsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) in einem von der Jamaika-Koalition geforderten mündlichen Bericht zum Sachstand. Schon jetzt richten sich seinen Worten nach andere Länder an Schleswig-Holstein aus. Die Opposition zeigte sich skeptisch. Die SPD mahnte mehr Bürgernähe an, der SSW sprach von einem unrealistischen Zeitplan.

Die Bundesländer haben sich nach Angeben des Ministers die Aufgaben geteilt. Was ein Land erarbeitet, soll in die anderen Länder übernommen werden. Laut Albrecht gehe die Landesregierung mit vier zentralen Handlungsfeldern „mit hoher Motivation“ ins zweite Jahr. So sei Schleswig-Holstein primär seit 2018 für die Umsetzung von Umweltleistungen im digitalen Verfahren zuständig. Dazu zählten Verwaltungsdienstleistungen beim Strahlenschutz, die Anlagengenehmigung oder die Fischerei. Auch beim Online-Wohngeld oder bei Einheitlichen Ansprechpartner sei das Land führend.

Importkonzept erfolgreich erprobt

Zudem trage das Land Sorge dafür, dass Leistungen anderer Länder hier einsetzbar werden, sagte Albrecht. Dafür sei ein Importkonzept erarbeitet und erprobt worden. Partner seien der IT-Verbund Schleswig-Holstein und die Industrie- und Handelskammern. „So funktioniert effiziente Digitalisierung im echten Norden“, erklärte der Minister.

Unterstützung fand er in der Jamaika-Koalition. Mit der Digitalisierung könne man Standardabläufe vereinfachen, Zeit und Weg sparen, sagte Ole-Christopher Plambeck (CDU). „Das ist ökonomisch und ökologisch der richtige Kurs“. Wichtig sei aber, dass Plattformen verständlich gestaltet werden, sicher sind und funktionierten. „Wir denken den Verwaltungsablauf zwischen Verwaltung und Bürger neu“, schloss Joschka Knuth von den Grünen an. Stephan Holowaty (FDP) betonte, das OZG sei erst „der Start in eine digitale Welt“.

SPD: Bürger werden nicht mitgenommen

Die Opposition sah das nicht ganz so optimistisch. Das Ziel in zwei Jahren, alles online machen zu können, sei „unrealistisch“, erklärte Lars Harms (SSW). Es fehlten etwa Geräte und qualifiziertes Personal. Heiner Dunckel (SPD) forderte ein Management, das für Verständnis der technischen Prozesse wirbt. Bürger, Kommunen und Beschäftigte müssten transparent und auf allen Ebenen transparent mitgenommen werden. Das sei bisher nicht der Fall. Dem Minister hielt er vor „nur einen technischen Bericht“ gehalten zu haben.

Schleswig-Holstein sei nach wie vor „ein digitales Entwicklungsland“, konstatierte auch Claus Schaffer (AfD). Noch immer warteten viele Menschen in Behörden stundenlang „quasi analog“ auf ihre Dienstleistung. 

Bereits im vergangenen Frühjahr war sich der Landtag einig: Die digitale Verwaltung muss zügig vorangebracht werden. Das sieht auch das Onlinezugangsgesetz des Bundes vor, das in Schleswig-Holstein bis spätestens 2022 umgesetzt werden muss. Nun fordern die Koalitionsfraktionen von der Landesregierung erneut einen mündlichen Bericht über „Verfahrensstand, die anstehenden Schritte der Umsetzung sowie die daraus resultierenden Folgen des Gesetzes“ in Schleswig-Holstein.

Der für Digitalisierung zuständige Minister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hatte in seinem letzten Bericht angekündigt, Schleswig-Holstein zur „digitalen Vorzeigeregion“ machen zu wollen. Geplant seien unter anderem ein einheitliches „Bürger-Log-In“ und die „automatisierte Verarbeitung von Standardleistungen“ auf Online-Verwaltungsportalen. Dabei gehe es um rund 1500 Verwaltungsleistungen in 575 Themengruppen aus nahezu „allen Bereichen des täglichen Lebens“, die in Zukunft im Netz erledigt werden können sollen.

Wohngeld kann bereits online beantragt werden

Seit vergangenen Dezember können Bürger in Schleswig-Holstein als erstem Bundesland ihre Wohngeldanträge online stellen. Ein entsprechendes Pilotverfahren im Kieler Rathaus wurde für zunächst sechs Kommunen freigeschaltet: Kiel, Flensburg, Lübeck, Neumünster, Pinneberg und Reinbek. Das Verfahren soll auch bundesweit eingeführt werden.

Deutschlandweit sind die Unterschiede bislang noch sehr groß. Eine Untersuchung im Februar dieses Jahres hat ergeben, dass es in deutschen Städte bei digitalen Dienstleistungen und Informationen noch viel Luft nach oben gibt. Auf das beste Angebot können demnach die Berliner zurückgreifen, Schlusslicht ist Gera in Thüringen, wie das Beratungsunternehmen IW Consult ermittelte.

Im EU-Vergleich kommt Deutschland schlecht weg

Deutschland hinkt bei digitalen Behördengängen den meisten EU-Staaten deutlich hinterher, dies hatte ein Bericht der EU-Kommission schon im vergangenen Jahr deutlich gemacht. Nicht einmal jeder zweite deutsche Internetnutzer nutzt demnach Formen des E-Government, im EU-Schnitt sind es fast zwei Drittel.

(Stand: 25. August 2020)

Vorherige Debatte zum Thema:
März 2019

Antrag

Bericht zum Umsetzungsstand des Onlinezugangsgesetzes in Schleswig-Holstein
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2283