Umweltminister Jan Philipp Albrecht hält eine Rede im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
©
Foto: Michael August
Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hat mit klaren Worten ein düsteres Zukunftsbild gezogen. Sollten die Treibhausemissionen nicht sofort und konsequent reduziert werden, würden bis zum Ende des Jahrhunderts Teile der Erde „unbewohnbar und nicht mehr nutzbar“ sein. Auch in Schleswig-Holstein würden Städte und Landschaften verschwinden. „Der Klimawandel schlägt voll zu. Mit jedem Tag, an dem wir weiter auf hohem Niveau Treibhausgase ausstoßen, schließt sich das Fenster für eine Begrenzung des Schadens“, sagte der Minister bei der Vorstellung der Regierungsberichte zur Energiewende und zum Biologischen Klimaschutz und. In der 90-minütigen Debatte ging es sehr emotional her.
„Auf dem bisherigen Kurs werden wir die Klimaziele des Pariser Abkommens krachend verfehlen und statt bei 1,5 bis 2 Grad Erwärmung eher bei 3 bis 4 Grad allein bis zum Jahr 2100 landen“, sagte Albrecht und kündigte eine Änderung des Klimaschutz- und Energiewendegesetzes mit Maßnahmen an, mit denen die Pariser Ziele noch erreichet werden könnten. So könne es notwendig werden, die bisher im Gesetz vorgesehenen Reduktionsziele von 55 Prozent bis 2030 und 70 Prozent bis 2040 anzuheben und die Maßnahmen schon jetzt an einem „ambitionierteren Reduktionspfad“ auszurichten. Das geht über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von CDU, Grünen und FDP hinaus.
Landwirte sollen Klimawirte werden
Ziel sei eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050. Albrecht kündigte an, auch Landwirte müssten ihren Teil beitragen. Sie sollen künftig als Klimawirte entlohnt werden, wenn sie entsprechend handelten. „Ich werde in den kommenden Wochen eine Reihe von weiteren Maßnahmen vorstellen“, kündigte Albrecht einen Klimaschutzplan an.
„Die Pro-Kopf-Emissionen lägen im Land zwar unter dem Bundesschnitt, sagte Albrecht. Sie lägen aber noch weit oberhalb der Vorgaben des Pariser Abkommens. Trotz aller Bemühungen sei es nicht gelungen, das Ziel für 2020 zu erreichen. „Und wir sehen auch für die Folgejahre mögliche Verfehlungen.“ Das sei enttäuschend und alarmierend.
FDP kritisiert EEG
Die Koalitionspartner CDU und FDP legten sich auf ehrgeizigere Klimaschutzziele nicht fest. Der CDU-Abgeordnete Heiner Rickers forderte unter anderem, das Kohlekraftwerk Wedel, das 1,6 Tonnen CO2 pro Jahr ausstößt, abzuschalten. „Wir müssen bei großen Emittenten ran, die nicht lebensnotwendig sind“. Aber: Bei Flächenabbau für die Landwirtschaft müsse genauer geschaut werden, damit Probleme nicht „in Länder exportiert werden, wo die Umstände deutlich schlechter sind.“ Rickers nannte hier Brasilien, wo große Waldflächen gerodet oder abgebrannt werden.
Oliver Kumbartzky (FDP) mahnte Pragmatismus statt Fingerzeigen an. Schleswig-Holstein sei auf einem guten Weg. Er monierte, der Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Sektorenkopplung würden vor allem durch das Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) verhindert. Moorflächen, die für Landwirtschaft genutzt werden, sollen wieder vernässt werden. Klimaschutz ist mehr als die Aufstellung von Windrädern, sagte Kumbartzky.
SPD will „größere Schritte“
Für den SPD-Abgeordnete Thomas Hölck ist der Klimaschutz ein „notwendiges epochales Unterfangen“. Es gehe nicht mehr um das ob, sondern um das wie. Der Landesregierung warf er zu wenig Aktionismus vor. „Die Energiewende und der Klimaschutz stagniert.“ Nötig seien größere Schritte, „das haben wir schon einmal geschafft, das ist möglich“, so Hölck.
„Das Eis wird auch sprichwörtlich extrem dünn“, sagte Bernd Voß (Grüne) mit Blick auf schmelzende Polkappen der Erde. Es gehe nicht mehr darum, Ökonomie und Ökologie zu harmonisieren. „Eine Ökonomie hat überhaupt nur dann Zukunft, wenn man die Ökologie schützt“, sagte er und forderte „ein Vielfaches an erneuerbaren Energien“. Zudem sprach sich Voß für „verbindliche kommunale Klimaschutzagenturen“ aus.
AfD: „Widerlicher Klima-Aktivismus“
Der SSW lobte viele Bereiche des Berichtes. „Wir müssen neue Wege und Mittel gehen, um den biologischen Klimaschutz voranzubringen und auch da ist der Bericht sehr aufschlussreich“, sagte das neue Mitglied des Landtag, Christian Dirschauer. Der Sektor Landwirtschaft könne dabei „eine wichtige Rolle“ einnehmen, so der SSW-Politiker.
Für den AfD strotzen die Berichte „vor Grünphantastereien und Wunschvorstellungen“. Ihr Fraktionsvorsitzender Jörg Nobis sprach von einem „widerlichen Klima-Aktivismus“. Die Menschheit lebe lediglich in einer „Warmphase einer Eiszeit, und die angegebenen Ziele seien abseits aller Realitäten und machten die Energiepreise unnötig teuer.
CDU-Pellwormer kritisiert Minister
Für seinen Vergleich, in einigen Jahren würden die Kinder im Meer nach Spuren des untergegangenen Pellworms suchen, erhielt Minister Albrecht scharfe Kritik des auf der Nordseeinsel lebenden CDU-Abgeordneten Claus Jensen. Das sei „voll daneben“ und eines Ministers, der auch für den Küstenschutz zuständig ist, nicht würdig, so Jensen. Der Minister entschuldigte sich am Ende der Debatte bei dem Inselpolitiker. Seine Aussage sei falsch rübergekommen, „wir müssen mit allen Mitteln, die wir haben, für den Erhalt dieser Insel kämpfen“, betonte Albrecht
Die Berichte wurden zur abschließenden Beratung an den Umwelt- und Agrarausschuss überwiesen.