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17. Juni 2020 – Juni-Plenum

Sorge über Verschwörungs­theorien bleibt

Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut der Demokratie – so viel steht für den Landtag fest. Sorge bereiten dennoch Verschwörungs­theoretiker und Rechts­extreme, die Demos unterwandern. Der Bildungs­ausschuss befasst sich weiter mit dem Thema.

Der Grünen-Abgeordnete Lasse Petersdotter hält eine Rede im Plenarsaal des Kieler Landtages.
Der Grünen-Abgeordnete Lasse Petersdotter hält eine Rede im Plenarsaal des Kieler Landtages.
© Foto: Michael August

Mit etwa 250 Personen in der Spitze sei die Zahl der Teilnehmer bei sogenannten Grundrechte- und Hygienedemos in Schleswig-Holstein bislang vergleichsweise „überschaubar“ gewesen, so Bildungsministerin Karin Prien in einem von den Jamaika-Fraktionen geforderten mündlichen Bericht, den sie in Vertretung für Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (beide CDU) vortrug. Die Teilnehmer solcher Veranstaltungen stammten nach bisheriger Einschätzung aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten: Neben einem hohen Anteil von Personen aus dem bürgerlichen Milieu seien auch Anhänger von Verschwörungstheorien, Esoteriker oder Impfgegner dabei gewesen.

Als freier und demokratischer Rechtsstaat „müssen wir das aushalten“, räumte Prien ein. Sie machte deutlich: „Wir leben auch weiterhin nicht in einer Corona-Diktatur. Es kann frei und friedlich demonstriert werden.“ Meinungs- und Versammlungsfreiheit umfasse auch, dass „absurde Dinge“ behauptet werden können. Hier sei nun Aufklärung und gute Bildung besonders wichtig. Ebenso sei der Verfassungsschutz gefordert, die „Gefahr von rechts“ ins Visier zu nehmen. Rechtsextremisten würden die Proteste unterwandern und so ihren Einfluss ausweiten – „wir müssen wachsam sein und genau hinschauen“.

Unterschied zwischen Sorgen und Verachtung

Die nachfolgenden Redner waren sich im Grundsatz einig, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit als hohes Gut eines demokratischen Staates besonders schützenswert sei. Es gebe allerdings einen Unterschied „zwischen berechtigten Sorgen“ etwa von Gastronomen oder Reiseveranstaltern und „Verachtung für Verantwortungs- und Entscheidungsträger“, betonte Tim Brockmann (CDU). Die Corona-Maßnahmen seien die „stärksten Einschnitte ins Leben in der Geschichte der BRD“, so der SPD-Abgeordnete Tobias von Pein. Auch er könne Sorgen einiger Menschen verstehen. Vieles von dem, was auf Hygienedemos geäußert würde, jedoch nicht. Dabei gebe es bei diesen Protesten nicht nur „Menschen, die schwer zu erreichen sind“. Vor allem rechtsextreme Kräfte würden versuchen, „diese Bewegung vor ihren Karren zu spannen“. Unterwanderung sei der „gemeinsame Nenner zwischen Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretikern“.

Auch Lasse Petersdotter (Grüne) wies eindringlich auf die Gefahr von Verschwörungstheorien hin, die bereits junge Leute über Internetplattformen erreichten. Rechtsextremismus und Verschwörungsideologien seien eng miteinander verwoben – „das ist nicht ungefährlich“, so Petersdotter. Auch wenn die Szene sich aus unterschiedlichen Gruppierungen zusammensetze, seien sich alle einig: „Wir sind gegen den Staat.“ Daher sei politische Bildung besonders wichtig. Jette Waldinger-Thiering (SSW) forderte dazu auf, „Verschwörungserzählungen ernst zu nehmen“ und auch im privaten Umfeld „nicht zu ignorieren, sondern dagegen zu argumentieren“.

Der SPD-Antrag zum Thema, der in der Debatte mitberaten wurde, wurde an den Bildungsausschuss überwiesen.

Weitere Redner:
Jan Marcus Rossa (FDP), Claus Schaffer (AfD)

Sowohl die regierungstragenden Fraktionen als auch die SPD sind besorgt über sogenannte Grundrechte- und Hygienedemonstrationen, auf denen die Teilnehmer gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie protestieren. Teilweise würden die Versammlungen missbraucht, „um die Verbreitung von Verschwörungserzählungen, die Abqualifizierung medizinischer Fachkompetenz, rechtspopulistische Stimmungsmache und Aufrufe zu ‚Widerstand‘ und Gewalt zu propagieren“, so die SPD. Verschwörungstheorien sowie nationalistische, antisemitische, rassistische Stereotypen und Denkweisen würden dadurch Auftrieb erhalten, schreiben CDU, Grüne und FDP.

Die Koalitionsfraktionen fordern daher einen mündlichen Bericht, in der die Landesregierung „über die aktuelle Situation in Schleswig-Holstein zu sogenannten Grundrechte- oder Hygienedemonstrationen“ berichten soll. CDU, Grüne und FDP wollen insbesondere erfahren, „ob diese Demonstrationen gezielt von Gruppierungen beziehungsweise Einzelpersonen, die von den Sicherheitsbehörden des Landes als extremistisch eingestuft sind, genutzt werden, um verfassungsfeindlichen Zielen Vorschub zu leisten“. Zudem solle in dem Bericht dargestellt werden, wie Versammlungen „vor einer Unterwanderung durch extremistische Personen geschützt werden können“.

Aufklärung durch Bildungsangebote

Die Sozialdemokraten legen den Schwerpunkt in ihrem Antrag auf gezielte Maßnahmen, um die Verbreitung von Verschwörungstheorien zu stoppen. Dazu sollen zum einen politische Bildungsangebote erarbeitet werden, „die Verschwörungserzählungen und -mythen aufdecken und Faktenchecks unterziehen“. Zum anderen will die SPD Medien- und Demokratiekompetenz an Schulen voranbringen. Insbesondere solle dabei Medienkompetenz im Netz im Mittelpunkt stehen. Außerdem müssten die „Versuche von Rechtsextremisten und Demokratiefeinden“, die Corona-Proteste zu unterwandern, stärker beobachtet werden, heißt es in dem Antrag weiter.

Demonstrationen sind in der Corona-Krise in allen Bundesländern erlaubt, es gelten jedoch einige Auflagen wie etwa Abstands- und Hygieneregeln. Die Länder entscheiden weitgehend in eigener Verantwortung über schrittweise Lockerungen, deshalb ist die Lage in jedem Bundesland unterschiedlich. Schleswig-Holstein erlaubt aktuell bis zu 100 Menschen.

Zulauf zu Demos sinkt

Parallel zur Aufhebung von Beschränkungen in der Corona-Krise gehen die Beteiligung an Demonstrationen gegen die staatlichen Auflagen derzeit zurück. Das meldet die Deutsche Presse-Agentur bereits Anfang Juni. Bei größeren Demonstrationen in vielen Orten Deutschlands hatten sich in den vergangenen Wochen bis zu 10.000 Menschen beteiligt. Teilweise waren die Aufzüge auf deutlich weniger Teilnehmer begrenzt gewesen, am Rande der genehmigten Veranstaltungen hatten sich jedoch viele weitere Menschen versammelt. Zuletzt lagen die Teilnehmerzahlen aber oft unter den angemeldeten Werten.

(Stand: 15. Juni 2020)

Vorherige Debatten zum Thema Corona:
Mai 2020 (Lockerungen S-H)
Mai 2020 (Nachtragshaushalt)
Mai 2020 (Pflegebereich)
April 2020
März 2020

Antrag

Mündlicher Bericht zu sogenannten Grundrechte- oder Hygienedemonstrationen in Schleswig-Holstein
Antrag der Fraktionen von CDU, B´90/Die Grünen und FDP– Drucksache 19/2219

Antrag

Verschwörungserzählungen stoppen
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2239