Oberstufen-Schüler der Kieler Max-Planck-Schule sitzen in großem Abstand zueinander in einem Prüfungsraum zu Beginn einer Abiturprüfung.
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Foto: dpa, Frank Molter
Der Landtag will mit einem Gesetz sicherstellen, dass alle Schüler in Schleswig-Holstein trotz eventuell stark ansteigender Corona-Infektionszahlen ein Abschlusszeugnis erhalten. „Wir müssen vorbereitet sein für alle möglichen Szenarien“, sagte Bildungsministerin Karien Prien (CDU) bei der Vorstellung eines 105seitigen Gesetzentwurfs, der neben Regelungen im Bildungs- und Kitabereich auch Anpassungen bei der Pflege- und der Heilberufekammer sowie in der Sozialgesetzgebung beinhaltet. Im Plenum fand der Vorstoß breite Unterstützung. Nach der Ersten Lesung wurde der Gesetzentwurf am Freitag (8. Mai) nach einer kurzen Sitzung des Bildungsausschusses in Zweiter Lesung einmütig verabschiedet.
Prien dankte zu Beginn ihrer Rede allen „an Schule und Hochschulen Beteiligten“ sowie den Eltern. Sie erlebten eine schwierige Zeit. Schleswig-Holstein habe mit einem Phasenplan für den Wiedereinstieg in den Schulbetrieb in Deutschland aber eine Vorreiterrolle übernommen, sagte die Ministerin. Ziel sei es, jedem Schüler und jede Schülerin im Land bis zu den Sommerferien wieder Unterricht in den Schulen zu ermöglichen. Prien kündigte zudem „attraktive Angebote für Schüler über den Sommer“ an.
AfD: „Überbehütung ist fatal“
Das konkretisierte Tobias von der Heide (CDU). „Mit außerschulischen Partnern wollen wir unter dem Motto „Sommer der Möglichkeiten“ Bildungsangebote ermöglichen“, sagte er. Dafür stünden fünf Millionen Euro im Nachtragshaushalt bereit. Wie Prien betonte auch von der Heide, Schule sei deutlich mehr als ein Lernort. Sie gebe Jungen und Mädchen auch eine Strukturierung des Alltags, ermögliche einen Austausch mit Gleichaltrigen sowie eine Rückmeldung ihres Lernstandes. Die Wertschätzung auch für die Lehrer wachse, stellte er fest.
Schule sei sicher, erklärte Frank Brodehl (AfD) und forderte, Schüler müssten schnell und mit mehr Stunden wieder in die Schule zurückkehren. Dafür könne man auch „einen Schichtunterricht“ einführen. Das Risiko für Kinder sei höher bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, als an Corona zu sterben, sagte er und konstatierte, es existiere kein wissenschaftlicher Nachweis darüber, dass Schulen Corona verbreiteten. „Behutsamkeit ist gut, aber Überbehütung ist fatal“, so Brodehl.
SPD: Kitas wichtiger als Fußball
„Corona ist vor allem eine soziale Krise“, sagte die SPD-Abgeordnete Serpil Midyatli. Öffentlich werde zwar viel über die Bundesliga, Kaufprämien für Autos und Kredithilfen diskutiert, aber man habe es nicht mit einer wirtschaftlichen Krise wie etwa 2008 zu tun. „Viele Eltern sind in großer Not“, betonte Midyatli. Bei Familien stoße es auf großes Unverständnis, wenn über den Neustart der Bundesliga diskutiert werde, nicht aber über Perspektiven für die bundesweit 3,7 Millionen Kita-Kinder.
„Es war wichtig, dass wir von vornherein klargemacht haben, dass das Jahr 2020 kein verlorenes Schuljahr sein darf“, betonte die Sozialdemokratin mit Blick auf die Schulen. Der Erste und der Mittlere Schulabschluss sowie das Abitur könnten auch in diesem Jahr regulär erworben werden. Bei der Benotung forderte sie einen Nachteilsausgleich. „Das heißt natürlich nicht, dass die Abschlüsse entwertet werden sollen“, betonte Midyatli.
Grüner Aufruf für mehr digitale Infrastruktur
„Corona hat den Bildungsbereich durcheinander gewirbelt“, sagte die Bildungsexpertin der Grünen, Ines Strehlau. Durch die Schließung der Schulen hätten Lehrkräfte von einem Tag auf den anderen auf das Lernen auf Distanz umschwenken müssen. Videokonferenzen, digitale Materialien und Erklärvideos – die Umstellung auf digitale Lehre sei schnell und relativ geräuschlos vonstattengegangen.
Dennoch drohe „die Bildungsgerechtigkeit auf der Strecke zu bleiben“, warnte die Grünen-Abgeordnete. Denn nicht alle Lehrkräfte seien firm in digitalem Lernen, nicht alle Schulen hätten eine gute digitale Infrastruktur. „Außerdem hat nicht jedes Kind einen Laptop oder ein Tablet. Einigen fehlt auch zu Hause eine stabile Internetverbindung“, sagte Strehlau. Es gebe noch immer „Nachholbedarf bei der Digitalisierung“.
„Stück für Stück hochfahren“
Für Anita Klahn (FDP) sind durch das Artikelgesetz, das die größten Härten abzumildern versuche, „lebhafte Debatten“ zustande gekommen. „Besonders hart scheint es die Familien getroffen zu haben“, stellte die dreifache Mutter fest. Dass Eltern drei Monate lang keine Kita-Beiträge zahlen müssten sei darum ein wichtiges Signal. Um die Kommunen nicht zu überlasten, musste die Reform in Teilen aber auf Anfang 2021 verschoben werden. Grundsätzlich sieht Klahn den Zeitpunkt gekommen, das bildungspolitische Leben „Stück für Stück hochzufahren und sich der Normalität anzunähern“.
Auch Jette Waldinger Thiering (SSW) fand lobende Worte für das Artikelgesetz. „Es ist erleichternd, dass jetzt für alle Klarheit in Prüfungsabläufen und Ersatzleistungen herrscht, soweit es geht“, sagte sie. Die Beitragsfreistellung für Kita und auch für schulische Betreuungsangebote sei eine direkt merkbare, unbürokratische Hilfe, die sofort bei den Eltern ankomme. Sie zeigte sich erfreut, dass die Freistellung und die damit verbundenen Mittel automatisch auf die Dänischen Schulen und die Schulen in freier Trägerschaft ausgeweitet worden seien.
Kurzer Disput zu Obduktionen
In einem Kurzbeitrag nahm der AfD-Abgeordnete Claus Schaffer einen Alternativantrag von Jamaika zur Obduktion von Covid-19-Toten aufs Korn. Das Papier sei in weiten Teilen „nahezu identisch“ mit dem von seiner Fraktion eingereichten Ursprungsantrag. Ein Unterschied zwischen beiden Anträgen bestehe darin, dass sich die regierungstragenden Fraktionen scheuten, Obduktionen gegen den Willen der Hinterbliebenen anzuordnen. Die AfD fordert diese Möglichkeit, auch wenn sie eine Anordnung als letztes Mittel sieht.
Trotzdem unterstützte die AfD den Koalitionsantrag dann doch und er konnte einstimmig angenommen werden. Ebenfalls fraktionsübergreifende Zustimmung fanden zwei weitere Anträge von CDU, Grünen und FDP: Den Aufruf zur vorübergehenden Verlängerung des BAföGs sowie die Unterstützung für eine digitaler werdende Bildungslandschaft und etwaig anzuberaumende Schul-Sonnabende.