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7. Mai 2020 – Mai-Plenum

Neue Corona-Lockerungen ab dem 18. Mai

Sicher geschützt vor möglichen Infektionen tagt das Plenum wieder vollzählig. Ministerpräsident Günther kündigt an: der Lockdown wird ab 18. Mai auch in Schleswig-Holstein gelockert.

Vor der Eröffnung der Plenartagung sprechen Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) stehend miteinander.
Vor der Eröffnung der Plenartagung sprechen Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) stehend miteinander.
© Foto: Michael August

Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie tritt Schleswig-Holstein in eine „neue Phase“ ein. Das betonte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vor dem Landtag und kündigte weitgehende Lockerungen bei den geltenden Einschränkungen in den Bereichen Kinderbetreuung, Gastronomie, Tourismus und Freizeit an. Entscheidendes Datum soll Montag, der 18. Mai sein. „Wir können heute feststellen, dass wir das Infektionsgeschehen weiter im Griff haben“, sagte Günther. Zugleich mahnte er die Menschen, die neue Situation „mit Augenmaß“ anzugehen und die Hygienevorschriften und das Abstandsgebot von 1,50 Meter weiter einzuhalten. Im Plenarsaal trennen durchsichtige Schutzwände aus Acrylglas die Abgeordneten voneinander. Damit können zum ersten Mal in der Corona-Krise wieder alle Parlamentarier an der Plenarsitzung teilnehmen.

Der neue Kurs der Landesregierung basiert auf den Absprachen der Ministerpräsidenten und der Bundesregierung vom Vortag. Konkret sollen die Kitas in mehreren Stufen hochgefahren werden. Ab 18. Mai sollen Gruppen mit bis zu zehn Kindern möglich sein, statt bisher fünf. Ab 1. Juni soll dann ein „eingeschränkter Regelbetrieb“ gelten, der es allen betroffenen Kindern ermöglichen soll, „eingeschränkt wieder in den Kitas zu sein“. Ab dem 25. Mai sollen alle Klassen in den Grundschulen „zumindest tageweise“ offenstehen, und für alle Schüler soll es bis zu den Sommerferien eingeschränkten Präsenzunterricht geben.

Auch Auswärtige dürfen wieder ins Land

Ebenfalls am 18. Mai sollen Restaurants, Gaststätten, Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze wieder in Betrieb gehen. Günther rief die Betreiber auf, bis dahin Hygienekonzepte zu erarbeiten und „sauber und seriös für den 18. Mai alles vorzubereiten“. Die Gastronomie darf dann bis 22 Uhr öffnen. Die bisherigen Betretungsverbote für Inseln und Halligen werden aufgehoben, und „touristische Verkehre nach Schleswig-Holstein werden wieder möglich sein“. Falls der Tagestourismus überhandnehme, seien jedoch ein „Kapazitätsbeschränkungen“ in Ostholstein oder an der Nordsee denkbar.

Weiterhin dürfen Fitnessstudios am 18. Mai wieder öffnen, ebenso wie Fahrschulen, und auch „Veranstaltungen mit Sitzcharakter bis 50 Personen“ sind dann möglich. Es gehe jetzt darum, „Verantwortung und Freiheit“ in Einklang zu bringen, so der Ministerpräsident: „Das wird alles nur funktionieren, wenn diejenigen, die die Freiheit bekommen, sich ihrer Verantwortung bewusst sind“. Dies sei eine „enorme Herausforderung“, aber, so Günther: „Ich bin mir sicher, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen können.“

Stegner: Respekt für Senioren, Pfleger und Erzieher

Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) nannte den Termin 18. Mai „vernünftig“ und lobte die Politik der Landesregierung im Grundsatz: „In Schleswig-Holstein sind wir im Großen und Ganzen auf einem guten Weg.“ Stegner wies auf die schwierige Situation vieler Menschen in Pflegeheimen hin und mahnte „Respekt für unsere Eltern und Großeltern“ an. Bei der staatlichen Unterstützung müssten jetzt das Pflegepersonal, die Erzieher und die Reinigungskräfte im Mittelpunkt stehen. „Es dürfen nicht diejenigen Gehör finden, die die größte PR- und Rechtsabteilung haben“, so der SPD-Fraktionschef mit Blick auf Großindustrie und Fußball-Bundesliga.

Die gestrige Vorlage aus Berlin mit der Gestaltung neuer Feiheiten in Länderregie, lobte er. Auch „der beschlossene Bremsmechanismus, mit dem regional auf neue Ansteckungshotspots schnell reagiert werden kann, ist darum eine kluge Regelung“, so Stegner. 

Koch fordert neues Konjunkturprogramm

CDU-Fraktionschef Tobias Koch erklärte, Schleswig-Holstein könne trotz aller negativen Auswirkungen mit der Entwicklung der Pandemie „vergleichsweise zufrieden“ sein. „Wir befinden uns in einem weitgehenden Gleichklang mit dem Musterbeispiel Österreich“, sagte er und lobte besonders die Ausweitung der Kita-Betreuung sowie die Öffnung von Hotels, Gaststätten und Campingplätzen ab dem 18. Mai. „Es ist wichtig, dass hier wieder eine Perspektive besteht, die sogar eine Sommersaison 2020 möglich macht“, sagte er.

Nun müssten die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise begrenzt werden, mahnte Koch. Die Weichen im kommenden Jahr sollten so gestellt werden, dass sie „neue Impulse für Aufschwung und Wirtschaftswachstum“ bringen. Koch forderte hierfür ein neues Konjunkturprogramm.

Grüne sehen „Raum für Optimismus“

Den emotionalen Aspekt der Corona-Krise in den Mittelpunkt stellte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Eka von Kalben. Sie mahnte, Politik müsse nachvollziehbar sein, „gerade in einer Zeit, in der wir den Bürgerinnen und Bürgern so viel zumuten“. Die Menschen müssten die Regeln verstehen, nur dann erführen diese auch Akzeptanz. „Die ersten Schritte geben Hoffnung und Perspektive und ermöglichen einen Einstieg in den Alltag mit Corona“, sagte sie.

In Schleswig-Holstein sei jetzt „ein guter Weg gefunden, der Raum für Optimismus ermöglicht“. Trotzdem betonte sie, alle müssten besonnen bleiben, denn die Krise sei noch lange nicht am Ende und es gebe noch viele Fragen zu klären. „Die Menschen wollen Plan, aber wir haben keine Glaskugel.“ Von Kalben hob zudem hervor, die Klima-Krise trete derzeit in den Hintergrund, sie sei aber nach wie vor vorhanden.

Vogt: Eigeninitiative ist gefragt

Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen Christopher Vogt lobte den „klaren Fahrplan“, der gestern im Kieler Kabinett erarbeitet worden ist. „Die Landesregierung macht einen wirklich guten Job“, konstatierte er. Die Lockerungen böten „klare Perspektiven“. Und das sei sehr wichtig. Denn, so Vogt, um das Infektionsgeschehen weiterhin unter Kontrolle halten zu können, müsse man sich darauf einstellen, seine „Lebensweise für eine lange Weile anzupassen“.

Es finde gerade eine Änderung der Strategie hin zu milderen Mitteln mit mehr Eigeninitiative statt. „Jeder Einzelne trägt Verantwortung für den Erfolg bei der Pandemiebekämpfung“, betonte Vogt. Nach der akuten Phase des Krisenmanagements in den vergangenen Wochen mahnte der Liberale zudem „die Gewaltenteilung wiederherzustellen“ und zukünftig auf „zielgerichtete, regionale Maßnahmen“ zu setzen, sollten die Infektionszahlen lokal stark ansteigen.

AfD verlangt mehr statistische Daten

„Eine gemeinsame Bundeslinie gibt es nicht mehr“, stellte der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis fest. Die Länder hätten in den vergangenen Tagen schon Fakten geschaffen, etwa als sich Ministerpräsident Günther bereits am Dienstag zum Fahrplan für den Tourismus geäußert hatte. „Wir begrüßen ausdrücklich, dass Schleswig-Holstein die Verantwortung wieder übernimmt“, sagte Nobis weiter.

Die Dynamik des Infektionsgeschehens sei regional sehr unterschiedlich und nicht einmal in Schleswig-Holstein gleich. Vor diesem Hintergrund forderte er Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) auf, „die Infektionszahlen jeder einzelnen Stadt und Gemeinde“ vorzulegen. Denn etwa über Schulöffnungen sei „von Ort zu Ort“ zu entscheiden. Die Zeit sei gekommen, wieder Perspektiven zu geben – „mit der gebotenen Übersicht und mit einem Blick für die Sorgen und Nöte der Bürger“.

Harms vermisst konkreten Ausstiegsplan

Lars Harms (SSW) ist der Meinung: Am härtesten trifft es den Tourismus im Land und die Branchen, die damit zusammenhängen. In der Gastronomie gebe es 99 Prozent Kurzarbeit, im Vermietungsgewerbe seien es 95 Prozent. „Geht es dem Tourismus schlecht, geht es vielen Menschen in unserem Land schlecht“, so Harms. Er kritisiert auch, die Landesregierung habe keinen konkreten Ausstiegsplan aus den Corona-Maßnahmen erarbeitet. „Alle hatten Ideen, nur die Landesregierung nicht.“

Aus seiner Sicht kommt der Neustart am 18. Mai zu spät. Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen hätten schneller gehandelt. „Warum müssen unsere Gastronomen noch eine Woche länger warten?“, fragte Harms. Die Landesregierung hätte schon Ende April einen Ausstiegsplan vorlegen müssen.

In dieser Woche werden in vielen Bundesländern die wegen der Corona-Pandemie geltenden Beschränkungen weiter gelockert. Friseure dürfen ihre Salons wieder öffnen, hunderttausende Schüler können wieder in Schulen lernen. Vergangene Woche hatten sich Bund und Länder bereits darauf geeinigt, Gottesdienste zu erlauben und Spielplätze zu öffnen. Auch Museen und Zoos sollen vielerorts wieder Besucher empfangen. Und die Diskussion über Lockerungen geht weiter. Am Mittwoch (6. Mai) beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder erneut. Der Landtag will sich dazu von der Landesregierung berichten lassen – genauer gesagt „zu den dort gefassten Beschlüssen und zu den Auswirkungen für das Land Schleswig-Holstein“.

Von dem Gespräch werden noch weitergehende Schritte erwartet als von dem am vergangenen Mittwoch, als die jetzigen Schritte beschlossen wurden. Vor allem die Wirtschaft macht angesichts des Konjunktureinbruchs massiven Druck. Am Dienstag vor der Tagung stellte auch Schleswig-Holsteins Landesregierung einen stufenweisen Neustart des Tourismus und der Gastronomie in Aussicht. Als Starttermin nannte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) Mitte Mai, noch vor Pfingsten.

Mindestabstände werden neu definiert

Vor Günther hatten bereits die Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen Lockerungen an Nord- und Ostsee verkündet. Details zu ersten möglichen Lockerungen im Norden nannte Günther nicht. Darüber werde die Jamaika-Koalition am Mittwoch nach den Gesprächen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin beraten. Am Donnerstag will Günther dann im Landtag den konkreten Zeitplan des Landes für die Gastronomie und den Tourismus im Plenum vorstellen.

Nach seinen Angaben geht es beim Wiederhochfahren der wichtigen Branche für den Norden um „den gesamten Bereich Gastronomie, Tourismus, Vermietung und Hotels“. Die Koalition wolle diese Bereiche in mehreren Phasen wieder hochfahren und konkrete Regelungen zu Mindestabständen und Hygienevorschriften für die einzelnen Bereich festlegen.

Folgende Themen dürften bei der Schalte von Merkel mit den Ministerpräsidenten auf der Tagesordnung stehen:

SCHULEN

In dieser Woche sollten klare Entscheidungen fallen, „in welcher Folge und in welcher Art und Weise Schule, Kita wieder möglich sind“, hatte Merkel nach der letzten Bund-Länder-Konferenz versprochen. Dabei werde ein paralleler Prozess der verschiedenen Altersgruppen angestrebt, zunächst aber mit keiner Gruppe komplett. Nordrhein-Westfalen zog daraufhin sein Konzept zurück, dass alle Grundschüler bereits ab der kommenden Woche tageweise wieder in die Schulen zurückkehren könnten. Inzwischen haben aber mehrere andere Bundesländer eigene Stufenpläne beschlossen – zuletzt am Dienstag Bayern und Hessen. Ein bundesweit abgestimmtes Vorgehen ist kaum noch realistisch - wobei man das in Sachen Bildung ja gewöhnt ist, da Schulen in Deutschland generell Ländersache sind.

KITAS

Anfang der Woche drohte NRW mit einem Alleingang bei der Kita-Öffnung, sollten Bund und Länder an diesem Mittwoch keinen einheitlichen Kurs finden. Inzwischen sind allerdings schon mehrere Länder NRW zuvor gekommen und haben auch hier eigene Stufenpläne erarbeitet - etwa Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Niedersachsen. Dabei hatte eine Arbeitsgruppe von Ländern, Bund und Experten zuvor gemeinsame Leitlinien und einen Vier-Stufen-Plan für eine schrittweise Öffnung der Kitas entwickelt. Zuerst sollte die Notbetreuung ausgeweitet werden, dann Stück für Stück immer mehr Kinder in die Kita gelassen werden. Einige Länder scheinen sich nun zumindest an dem Plan zu orientieren. So öffnet Mecklenburg-Vorpommern als erstes für die Vorschulkinder.

GASTRONOMIE UND HOTELLERIE

Konkrete Öffnungsschritte für Restaurants und Hotels sollten am Mittwoch eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung stehen. Die Rahmenbedingungen für eine schrittweise Öffnung in der Tourismusbranche sollten erst bei einer späteren Sitzung besprochen werden. Mit dem Vorpreschen der Urlaubsländer Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern könnte das aber obsolet sein. Schon vor Pfingsten sollen viele Angebote für Besucher öffnen – auch für solche aus anderen Bundesländern. Schleswig-Holstein zog am Dienstag nach. Der Druck auf Merkel und die anderen Ministerpräsidenten wächst damit enorm, weil sich Hotels und Gaststätten in anderen Regionen nun benachteiligt sehen dürften. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verteidigte sein Vorgehen: Die anderen Bundesländer könnten Bayerns Konzept ja als Blaupause nehmen.

LÄDENÖFFNUNG

Offiziell steht die Öffnung größerer Geschäfte noch nicht auf der Tagesordnung der Bund-Länder-Schalte. Es ist aber gut möglich, dass die Ministerpräsidenten auch darüber diskutieren, ob bald bundesweit Läden mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche öffnen dürfen. Der Handel dringt darauf, Bayern hat die Öffnung bereits erlaubt – nachdem ein Gericht im Freistaat das gefordert hatte. In anderen Bundesländern hatten Gerichte die Beschränkungen dagegen für rechtens erklärt.

SPORT UND FREIZEIT

Die Sportminister sollten für die Schalte ein gemeinsames Konzept für Vereins- und anderen Sport erarbeiten. Doch auch hier haben einige Länder schon vorgelegt. In Niedersachsen sollen Freizeitparks und Freibäder Ende Mai öffnen, Bayern erlaubt bestimmte Einzel-Sportarten wie Tennis, Golf und Segeln. In anderen Ländern waren bestimmte Sportarten dagegen von vornherein erlaubt, wie Segeln mit dem eigenen Boot unter Einhaltung der Kontaktregeln in Berlin und Sachsen. Hier gab es also von vornherein einen Länder-Flickenteppich.

FUßBALL-BUNDESLIGA

Hier könnte an diesem Mittwoch tatsächlich eine weitreichende Entscheidung anstehen. Möglicherweise dürfen die 1. und 2. Bundesliga noch im Mai wieder loslegen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) jedenfalls befürworteten zuletzt das von der Deutschen Fußball Liga ausgearbeitete Gesundheitskonzept für den Profi-Fußball. Einen Rückschlag könnte allerdings der Eklat um Hertha-BSC-Berlin-Profi Salomon Kalou bedeuten. Er hatte über Facebook ein Video veröffentlicht, bei dem mehrere Profis immer wieder gegen die Vorgaben der DFL verstoßen. Kalou wurde daraufhin von Hertha BSC suspendiert.

RÜCKFALLOPTION

Die Bundesregierung pocht darauf, dass mögliche Lockerungen bei einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen ganz schnell auch wieder zurückgenommen werden – allerdings wohl nicht für das gesamte Bundesgebiet, sondern lokal. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung pocht Merkel auf eine klare Obergrenze von Neu-Infektionen. Ein Plan des Kanzleramtes sieht demnach vor, dass ein Landkreis zu den harten Beschränkungen zurückkehren muss, wenn innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner zu verzeichnen sind – außer diese Neuinfektionen treten alle an einem Ort, etwa in einem Altenheim auf.

(Stand: 6. Mai)

Vorherige Debatten zum Thema:
April 2020
März 2020

Antrag

Bericht zu den Beschlüssen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom 06. Mai 2020
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Grünen und FDP – Drucksache 19/2148