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17. April 2020 – April-Plenum

Politik mahnt: Rückweg zur Normalität dauert Monate

Schleswig-Holstein hat ein Zwischenziel zur Überwindung der Corona-Krise erreicht, aber für eine Entwarnung ist es noch zu früh. Diese Einschätzung von Ministerpräsident Günther stieß im Landtag auf breite Zustimmung.

Landtagspräsident eröffnet die Sondersitzung mit einem Mundschutz.
Landtagspräsident eröffnet die Sondersitzung mit einem Mundschutz.
© Foto: Michael August

In einer Sondersitzung des Landtages hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) „das vorbildliche Verhalten der allermeisten Bürgerinnen und Bürger“ während der Corona-Krise gelobt und zugleich dazu aufgerufen, die Einschränkungen im persönlichen Bereich und die Hygiene- und Abstandsregeln weiter zu beachten. „Gemeinsam werden wir die Krise meistern“, sagte der Ministerpräsident in einer Regierungserklärung. Der Rückweg zur Normalität werde aber „nicht Tage oder Wochen, sondern Monate“ dauern. Oppositionsvertreter stützten den Kurs der Regierung im Grundsatz, äußerten aber auch punktuelle Kritik.

Einen besonderen Dank richtete der Ministerpräsident an „alle Menschen im Gesundheitswesen, alle, die unsere Versorgung sichern und die unser Gemeinwesen am Laufen halten“. Nur kleine Etappen in mehreren Schritten „führen zurück ins vertraute Leben“, unterstrich Günther. Angesichts einer positiven Entwicklung bei der Zahl der Infizierten gebe es „inzwischen Raum für Optimismus“, aber dennoch sei Vorsicht geboten: „Wenn wir zu vorschnell sind, brechen wir ein.“

Stegner: Staat und Parteien handlungsfähig

Der Regierungschef stellte noch einmal die für kommenden Montag vorgesehenen Lockerungen vor. Dazu gehören die Öffnung von Geschäften bis 800 Quadratmeter Fläche, dazu von Fahrradläden, Buchhandlungen und Autohäusern. Die Notbetreuung in den Kitas soll ausgeweitet werden auf berufstätige Alleinerziehende. Größere Veranstaltungen sollen ab dem 4. Mai schrittweise zugelassen werden. Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern bleiben aber bis 31. August untersagt. Schulabschluss- und Hochschulprüfungen sollen ab der kommenden Woche über die Bühne gehen, die übrigen Schüler und Kita-Kinder sollen ab dem 4. Mai zurückkehren.

In der aktuellen Krise, so Oppositionsführer und SPD Fraktionschef Ralf Stegner, „haben Staat und die demokratischen Parteien ihre Handlungsfähigkeit bewiesen“. Trotz der grundsätzlichen Gemeinsamkeit bleibe es Aufgabe der Opposition, Kritik zu üben, so Stegner. Er monierte das erfolglose „Vorpreschen“ von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) für eine Absage der Abiturprüfungen und die strengen Kontrollen an der Hamburger Stadtgrenze, die das gute Verhältnis der Nord-Länder belasteten. Stegner mahnte die rasche Öffnung der Spielplätze an und forderte eine „baldige Perspektive“ für die Gastronomie.

Koch warnt vor parteipolitischer „Profilierung“

Er könne den Wunsch und die Hoffnung nach der Rückkehr zu einem normalen öffentlichen Leben gut nachvollziehen, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch: „Aber die Krise ist noch nicht vorbei, das Virus ist noch nicht besiegt.“ Mit Blick auf die hohen Fallzahlen in einigen Seniorenheimen sei es nach wie vor nötig, die Schwächsten zu schützen. Angesichts der kontroversen bundesweiten Debatte über eine Exit-Strategie warnte Koch davor, die Krise zur „politischen Profilierung“ zu nutzen: „Eine Rollenverteilung, bei der die einen für harte Einschnitte zuständig sind, und die anderen auf Lockerungen drängen, das kann nicht funktionieren.“

Der Dank an die Menschen in der Pflege, im Einzelhandel, im Reinigungssektor oder in der Sicherheitsbranche dürfe nicht nur eine „Luftbuchung“ sein, so Eka von Kalben, Fraktionschefin der Grünen. Die Arbeitsbedingungen in diesen Jobs müssten dauerhaft besser werden. Sie verwies auf die schwierige Situation von kleinen Kindern in engen Wohnungen. Deswegen hätten die Grünen auf eine Ausweitung der Notbetreuung in Kitas gedrängt. Am meisten Hoffnung mache ihr die weit verbreitete Solidarität und Nachbarschaftshilfe, so von Kalben: „Wir haben so viele Heldinnen und Helden in Schleswig-Holstein.“

Kritik an Größen-Vorgabe

„Wir wollen schnellstmöglich zur Normalität zurückkehren“, unterstrich Christopher Vogt (FDP). Es müsse darum gehen, „die wirtschaftliche Existenz der Menschen zu schützen“. Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft dürften keinen Schaden nehmen. Die Begrenzung der Ladenöffnung auf 800 Quadratmeter „leuchtet mir nach wie vor nicht ein“, kritisierte Vogt. Er nahm den Vorschlag auf, für begrenzte Zeit Sonntagsöffnungen von Läden zu erlauben: „Man muss darüber sprechen.“ Mit Blick auf die Kontrollen an der Hamburger Grenze machte sich Vogt dafür stark, den „kleinen Grenzverkehr“ von Joggern und Spaziergängern zu erlauben.   

„Die Richtung stimmt“, lobte Jörg Nobis (AfD) den Kurs der Landesregierung. Allerdings habe die Regierung nicht gelernt, „wenigstens ein paar Tage voraus zu planen“. So sei es nicht nachvollziehbar, warum Ausnahmen von der 800-Quadratmeter-Regel für Buchläden und Autohäuser gelten sollten, nicht aber für Möbelhäuser. Hier habe „undurchdachter Aktionismus“ geherrscht. Zudem müssten die Kommunen nun übers Wochenende die Schutzkonzepte der Läden prüfen, damit diese am Montag öffnen könnten.

Mit Mundschutz in den Plenarsaal

Die Politik handele parteiübergreifend und funktioniere gut, urteilte Lars Harms vom SSW. Er rief dazu auf, die Regierung und die Verwaltung erstmal arbeiten zu lassen und nach der Krise eine Bilanz zu ziehen. Harms forderte Unterstützung für finanziell angeschlagene Sportvereine, für Tourismusbetriebe und für die Gastronomie. Und er rief Bund und Land auf, die Grenze nach Dänemark wieder zu öffnen, denn Familien und Pendler hätten derzeit „Riesenprobleme“. Harms appellierte: „Herr Ministerpräsident, sprechen Sie das in einer der nächsten Sitzungen an, damit wir wieder freie Fahrt bekommen!“

Die Beschränkungen waren auch während der Landtagssitzung sichtbar. Lediglich etwas mehr als die Hälfte der Abgeordneten waren anwesend. Sie trugen beim Eintritt in den Plenarsaal Mundschutz, und zwischen ihnen blieb jeweils ein Platz als Sicherheitsabstand frei.

Die Landesregierung hat eine Regierungserklärung angekündigt, die sich mit den aktuellen Entwicklungen in der Corona-Krise beschäftigt. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wird unter dem Titel „Unser Weg aus der Krise – Perspektiven für Schleswig-Holstein“ dem Parlament unter anderem eine Einschätzung abgeben, wie lange die Einschränkungen im öffentlichen Leben noch andauern werden, ab wann Lockerungen zu erwarten sind. Erwartet werden in der Sondersitzung des Landtages landespolitische Details, nachdem Bund und Länder am gestrigen Mittwoch die Grundrichtung für den weiteren Umgang mit der Eindämmung des Coronavirus vereinbart haben.

Günther hatte gestern nach einer Telefonkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Länderchefs bereits angekündigt, dass die seit Wochen geltenden Kontaktbeschränkungen für die Menschen auch in Schleswig-Holstein bis mindestens 3. Mai verlängert werden. Zudem bleibe das nördlichste Bundesland für Touristen und Zweitwohnungsbesitzer gesperrt. Im gesamten Bereich Tourismus, Gastronomie und Restaurants bleiben die Regelungen „genauso fortbestehen“, sagte der Regierungschef in Kiel. Als Lockerung werden aber Einzelhandelsgeschäfte bis 800 Quadratmeter ab 20. April öffnen können. Großveranstaltungen sollen bis 31. August bundesweit nicht stattfinden. 

Langsame Öffnung der Schulen

Schulen und Kitas bleiben bis 4. Mai grundsätzlich geschlossen. Wie geplant sollen aber die Abiturprüfungen ab 21. April in Schleswig-Holstein beginnen. Die Kultusminister der Länder streben nach Angaben von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) in der Corona-Krise einen schrittweisen Wiedereinstieg in den Schulunterricht an. Darin seien sich die Fachminister der Kultusministerkonferenz (KMK) bei ihrer Telefonkonferenz am Mittwochabend einig gewesen, sagte Prien nach der Konferenz. Die KMK soll bis zum 29. April ein Konzept für weitere Schritte vorlegen, wie der Unterricht unter besonderen Hygiene- und Schutzmaßnahmen insgesamt wieder aufgenommen werden kann.

Die Betreuungsangebote für Kinder von Eltern, die in sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiten, sollen künftig „deutlich“ auch auf weitere Berufsgruppen ausgeweitet werden, kündigte Günther an.

Aktuell: Einige Detailfragen geklärt

Am späten Donnerstagabend, nach sechseinhalbstündigen Beratungen, gab die Jamaika-Koalition Details bekannt, wie sie die Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern in Schleswig-Holstein umsetzen will. Zu den von Montag an vorgesehenen Lockerungen gehören die Öffnung von Geschäften bis 800 Quadratmeter Größe, dazu von Fahrradläden, Buchhandlungen und Autohäusern. Die Notbetreuung in den Kitas soll ausgeweitet werden auf berufstätige Alleinerziehende. Zudem dürfen Tierparks wieder aufmachen. Größere Veranstaltungen sollen ab dem 4. Mai schrittweise zugelassen werden, wobei die Höchstzahl der Besucher stufenweise neu festgelegt werden soll – entsprechend der Entwicklung der Corona-Krise. Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern bleiben bis 31. August untersagt.

(Stand: Fr., 16.04., 10.00 Uhr)


Stichwort: Regierungserklärung
Der Ministerpräsident und die Mitglieder der Landesregierung haben die Möglichkeit, während einer Plenarsitzung des Landtages eine Regierungserklärung, das heißt, eine Stellungnahme zu einem aktuellen politischen Thema, abzugeben. Traditionell stellt ein frisch gewählter Regierungschef zum Beginn einer Wahlperiode sein Regierungsprogramm in einer ausführlichen Regierungserklärung vor. Die anschließende Aussprache des Landtages wird in der Regel durch den Oppositionsführer eröffnet. In der vergangenen 18. Wahlperiode (2012 bis 2017) hat die Landesregierung insgesamt 17 Regierungserklärungen auf die Tagesordnung gehoben.

Regierungserlärung

...zum Thema „Unser Weg aus der Krise – Perspektiven für Schleswig-Holstein“
Bekanntmachung des Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages – Drucksache 19/2114