Landtagspräsident eröffnet die Sondersitzung mit einem Mundschutz.
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Foto: Michael August
In einer Sondersitzung des Landtages hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) „das vorbildliche Verhalten der allermeisten Bürgerinnen und Bürger“ während der Corona-Krise gelobt und zugleich dazu aufgerufen, die Einschränkungen im persönlichen Bereich und die Hygiene- und Abstandsregeln weiter zu beachten. „Gemeinsam werden wir die Krise meistern“, sagte der Ministerpräsident in einer Regierungserklärung. Der Rückweg zur Normalität werde aber „nicht Tage oder Wochen, sondern Monate“ dauern. Oppositionsvertreter stützten den Kurs der Regierung im Grundsatz, äußerten aber auch punktuelle Kritik.
Einen besonderen Dank richtete der Ministerpräsident an „alle Menschen im Gesundheitswesen, alle, die unsere Versorgung sichern und die unser Gemeinwesen am Laufen halten“. Nur kleine Etappen in mehreren Schritten „führen zurück ins vertraute Leben“, unterstrich Günther. Angesichts einer positiven Entwicklung bei der Zahl der Infizierten gebe es „inzwischen Raum für Optimismus“, aber dennoch sei Vorsicht geboten: „Wenn wir zu vorschnell sind, brechen wir ein.“
Stegner: Staat und Parteien handlungsfähig
Der Regierungschef stellte noch einmal die für kommenden Montag vorgesehenen Lockerungen vor. Dazu gehören die Öffnung von Geschäften bis 800 Quadratmeter Fläche, dazu von Fahrradläden, Buchhandlungen und Autohäusern. Die Notbetreuung in den Kitas soll ausgeweitet werden auf berufstätige Alleinerziehende. Größere Veranstaltungen sollen ab dem 4. Mai schrittweise zugelassen werden. Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern bleiben aber bis 31. August untersagt. Schulabschluss- und Hochschulprüfungen sollen ab der kommenden Woche über die Bühne gehen, die übrigen Schüler und Kita-Kinder sollen ab dem 4. Mai zurückkehren.
In der aktuellen Krise, so Oppositionsführer und SPD Fraktionschef Ralf Stegner, „haben Staat und die demokratischen Parteien ihre Handlungsfähigkeit bewiesen“. Trotz der grundsätzlichen Gemeinsamkeit bleibe es Aufgabe der Opposition, Kritik zu üben, so Stegner. Er monierte das erfolglose „Vorpreschen“ von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) für eine Absage der Abiturprüfungen und die strengen Kontrollen an der Hamburger Stadtgrenze, die das gute Verhältnis der Nord-Länder belasteten. Stegner mahnte die rasche Öffnung der Spielplätze an und forderte eine „baldige Perspektive“ für die Gastronomie.
Koch warnt vor parteipolitischer „Profilierung“
Er könne den Wunsch und die Hoffnung nach der Rückkehr zu einem normalen öffentlichen Leben gut nachvollziehen, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch: „Aber die Krise ist noch nicht vorbei, das Virus ist noch nicht besiegt.“ Mit Blick auf die hohen Fallzahlen in einigen Seniorenheimen sei es nach wie vor nötig, die Schwächsten zu schützen. Angesichts der kontroversen bundesweiten Debatte über eine Exit-Strategie warnte Koch davor, die Krise zur „politischen Profilierung“ zu nutzen: „Eine Rollenverteilung, bei der die einen für harte Einschnitte zuständig sind, und die anderen auf Lockerungen drängen, das kann nicht funktionieren.“
Der Dank an die Menschen in der Pflege, im Einzelhandel, im Reinigungssektor oder in der Sicherheitsbranche dürfe nicht nur eine „Luftbuchung“ sein, so Eka von Kalben, Fraktionschefin der Grünen. Die Arbeitsbedingungen in diesen Jobs müssten dauerhaft besser werden. Sie verwies auf die schwierige Situation von kleinen Kindern in engen Wohnungen. Deswegen hätten die Grünen auf eine Ausweitung der Notbetreuung in Kitas gedrängt. Am meisten Hoffnung mache ihr die weit verbreitete Solidarität und Nachbarschaftshilfe, so von Kalben: „Wir haben so viele Heldinnen und Helden in Schleswig-Holstein.“
Kritik an Größen-Vorgabe
„Wir wollen schnellstmöglich zur Normalität zurückkehren“, unterstrich Christopher Vogt (FDP). Es müsse darum gehen, „die wirtschaftliche Existenz der Menschen zu schützen“. Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft dürften keinen Schaden nehmen. Die Begrenzung der Ladenöffnung auf 800 Quadratmeter „leuchtet mir nach wie vor nicht ein“, kritisierte Vogt. Er nahm den Vorschlag auf, für begrenzte Zeit Sonntagsöffnungen von Läden zu erlauben: „Man muss darüber sprechen.“ Mit Blick auf die Kontrollen an der Hamburger Grenze machte sich Vogt dafür stark, den „kleinen Grenzverkehr“ von Joggern und Spaziergängern zu erlauben.
„Die Richtung stimmt“, lobte Jörg Nobis (AfD) den Kurs der Landesregierung. Allerdings habe die Regierung nicht gelernt, „wenigstens ein paar Tage voraus zu planen“. So sei es nicht nachvollziehbar, warum Ausnahmen von der 800-Quadratmeter-Regel für Buchläden und Autohäuser gelten sollten, nicht aber für Möbelhäuser. Hier habe „undurchdachter Aktionismus“ geherrscht. Zudem müssten die Kommunen nun übers Wochenende die Schutzkonzepte der Läden prüfen, damit diese am Montag öffnen könnten.
Mit Mundschutz in den Plenarsaal
Die Politik handele parteiübergreifend und funktioniere gut, urteilte Lars Harms vom SSW. Er rief dazu auf, die Regierung und die Verwaltung erstmal arbeiten zu lassen und nach der Krise eine Bilanz zu ziehen. Harms forderte Unterstützung für finanziell angeschlagene Sportvereine, für Tourismusbetriebe und für die Gastronomie. Und er rief Bund und Land auf, die Grenze nach Dänemark wieder zu öffnen, denn Familien und Pendler hätten derzeit „Riesenprobleme“. Harms appellierte: „Herr Ministerpräsident, sprechen Sie das in einer der nächsten Sitzungen an, damit wir wieder freie Fahrt bekommen!“
Die Beschränkungen waren auch während der Landtagssitzung sichtbar. Lediglich etwas mehr als die Hälfte der Abgeordneten waren anwesend. Sie trugen beim Eintritt in den Plenarsaal Mundschutz, und zwischen ihnen blieb jeweils ein Platz als Sicherheitsabstand frei.