Zwei Wochen nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen, auch mit Stimmen von CDU und AfD, hat die große Mehrheit im Landtag die Gemeinsamkeit gegen Rechtsaußen betont. „Keine Chance für Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein“ lautete das Motto einer Aktuellen Stunde, die CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW zusammen beantragt hatten. Die AfD wiederum warf den anderen Parteien vor, das Ergebnis der demokratischen Wahl in Erfurt nicht akzeptieren zu wollen und mit pauschalen Nazi-Verunglimpfungen zu arbeiten.
„Wir bedauern das Verhalten unserer Thüringer Parteifreunde“, betonte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Es sei eine „Schande“ und ein „Tabubruch“ gewesen, gemeinsam mit der AfD gestimmt zu haben. Die AfD sei zwar demokratisch gewählt, „aber sie verachtet die Demokratie“, so Koch. „Wir grenzen uns gegenüber der AfD klipp und klar ab“, unterstrich er und stellte klar, dass es im Kieler Landtag keinerlei Zusammenarbeit geben werde. Die „Haltelinien“ müssten „gleich am Anfang“ gezogen werden.
Günther will 2022 den „Spuk AfD“ beenden
„Man kooperiert nicht mit Rechtsradikalen, niemals und nirgendwo“, stellte auch Ralf Stegner (SPD) klar. Die „demokratischen Parteien“ seien vereint in der „entschiedenen Ablehnung der Demokratiefeinde von rechts“. Dieser Konsens müsse stärker sein „als der kurzfristige parteipolitische Gewinn beim Kampf um Machterwerb oder Machterhalt“. Demokraten könnten „Konkurrenten, manchmal auch Gegner“ sein, so Stegner – „aber der Feind sitzt rechts“.
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zeigte sich „beschämt, dass meine Parteifreunde in Thüringen so einen ungeheuerlichen Vorgang mitgemacht haben“. Günther gab das Ziel aus, die Wähler der AfD zurückzuholen, damit „der Spuk AfD im Landtag“ beim nächsten Urnengang 2022 ein Ende habe. Schleswig-Holstein sei ein weltoffenes Land, so Günther: „Seien wir mutig und stellen wir uns denen gegenüber, die unsere Gesellschaft spalten wollen.“
Nobis wehrt sich gegen „Nazikeule“
AfD-Fraktionschef Jörg Nobis nannte das gemeinsame Auftraten der anderen Fraktionen hingegen eine „Selbstvergewisserung der Einheitsfront“. Der eigentliche „Skandal und Tabubruch von Thüringen“ sei, dass das Ergebnis einer freien und demokratischen Wahl nicht akzeptiert werde. Insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel habe durch ihr Eingreifen die Demokratie „beschädigt“. Seine Partei werde mit der „Nazikeule“ attackiert, beschimpft und stigmatisiert, klagte Nobis.
„Sie werden nicht unterdrückt, sondern Sie sind diejenigen, die andere unterdrücken wollen“, erwiderte Lars Harms (SSW) mit Blick auf die AfD. Er verglich deren Parteiprogramm mit dem der NSDAP aus dem Jahr 1920 – beide seien rassistisch und antiparlamentarisch. „Sie sind einverstanden mit nationalsozialistischen Gedankengut“, warf Harms der AfD vor. Den Wählern der AfD müsse deutlich gemacht werden, was dies bedeute: „Wenn Sie diese Partei wählen, dann wählen Sie Nazis, Völkische, Fremdenhasser und Extremisten.“
Vogt bedauert Reaktionen aus seiner Partei
Kemmerich war Anfang Februar mit den Stimmen seiner FDP, der CDU und der AfD ins Amt gekommen. Nach bundesweitem öffentlichen Druck kündigte er bereits am folgenden Tag seinen Rücktritt an. Die Ereignisse hatten auch das Jamaika-Bündnis in Schleswig-Holstein erschüttert. Die Grünen im Lande seien „verstört“, gewesen, dass auch FDP-Politiker aus dem Norden ihrem Parteifreund Kemmerich gratuliert hätten, sagte die Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. Die AfD sei „undemokratisch“ und „geschichtsvergessen“, aber ihre Wähler könnten zurückgewonnen werden. „Es ist anstrengend aber nötig, Kompromisse zu finden und mit verständlichen Worten zu erklären“ so von Kalben.
Christopher Vogt, der Fraktionsvorsitzende der FDP in Kiel, nannte die Kemmerich-Wahl einen „beschämenden Vorgang“. Ein liberaler Regierungschef dürfe „niemals eine Wahl annehmen, die von Rechtsaußen legitimiert wird“. Die Reaktion seiner Partei sei „zu zögerlich“ gewesen, so Vogt: „Wir wurden kalt erwischt und waren zunächst sprachlos.“ Dass einige sich zunächst gefreut hätten, „bedauern wir sehr“. Die AfD sei keine bürgerliche Partei, unterstrich Vogt: „Wer Bürgersinn hat, der hat mit dieser Partei nichts zu tun.“