Das gesellschaftspolitische Schwerpunktthema des Jahres 2019 war – „Fridays for Future“ lässt grüßen – zweifelsohne der Klimaschutz. Fast nahtlos knüpft der Landtag in seiner ersten Tagung des neuen Jahres an das Vorjahr an: Auf dem Tisch liegen gleich mehrere Anträge zur Klimapolitik, darunter der Ruf nach einem generellen Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen sowie Forderungen nach verbindlichen Klimazielen und der Ausweitung des „biologischen Klimaschutzes“. Auch soll erneut diskutiert werden, ob der Klimaschutz als herausgehobenes Ziel in der Landesverfassung verankert werden soll.
Klimaschutz in die Verfassung (Top2)
Die SPD droht mit ihrem Vorstoß, den Klimaschutz als herausgehobenes Ziel in der Landesverfassung zu verankern, zu scheitern. Im Innen- und Rechtsausschuss stimmten CDU, Grüne, FDP und AfD gegen den entsprechenden Gesetzentwurf.
„Der Klimaschutz wird Dreh- und Angelpunkt für unzählige landespolitische Entscheidungen werden“, hatte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner in der Ersten Lesung im März vergangenen Jahres argumentiert. Es sei eine „logische Konsequenz“, die Verfassung um ein solches „Bekenntnis“ zu ergänzen. Die Koalitionsfraktionen erachteten demgegenüber konkrete Handlungsmaßnahmen, wie etwa das 2017 in Kraft getretenen Klimaschutzgesetz, für wichtiger. Zudem stehe in der Verfassung bereits der Begriff „Erhalt und Schutz der natürlichen Grundlagen“, und damit sei der Klimaschutz indirekt schon enthalten. Die AfD warnte grundsätzlich vor „Hysterie“. Der SSW enthielt sich im Ausschuss.
Kurz nachdem der Ausschuss die Aufnahme des Klimaschutzes als Staatsziel abgelehnt hatte, kritisierte die Landesparteispitze der schleswig-holsteinischen Grünen das Nein der schwarz-grün-gelben Koalitionsfraktionen. Die Koalition sende mit der Ablehnung dieses Vorhabens ein völlig falsches Signal an „Fridays for Future“ und alle Klimaschützer.
Klimaschutz im Straßenverkehr (Top 18)
Der SSW fordert die Jamaika-Regierung auf, eine Bundesratsinitiative für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr zu starten. Kernziele eines dem Plenum vorgelegten Antrags sind: Tempo 130, Überholverbot für Lkw und Kraftstoffverbrauchsgrenzen für Pkw.
Bei der öffentlichen Vorstellung des Papiers sagte der SSW-Vorsitzende im Landtag, Lars Harms: „Wir sind der Nürburgring Europas. In allen Ländern gelten strenge Tempolimits. Nur in Deutschland tun wir weiterhin so, als gebe es ein Grundrecht darauf, Mensch und Umwelt in Schutt und Asche zu rasen.“ Einer Studie des Bundesumweltamtes zufolge ließen sich durch ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen bis zu drei Millionen Tonnen CO2 einsparen. Zudem, so Harms, würde dies zu mehr Sicherheit auf den Autobahnen führen.
Nach den Plänen des SSW sollen außerdem Lkw-Überholverbote auf zweispurigen Autobahnabschnitten erlassen werden. Und als dritter Punkt wird gefordert, dass künftig bei Neuzulassungen von Diesel- und Benzin-Pkw eine Kraftstoffverbrauchsgrenze gelten soll. Auf diese Weise soll ein Anreiz für die Autokonzerne geschaffen werden, dem Kraftstoffverbrauch wieder höhere Bedeutung beizumessen.
Bei dem Thema Tempolimit liegen innerhalb der Bundesregierung Verkehrs- und Umweltministerium seit Monaten über Kreuz: Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lehnt eine Höchstgeschwindigkeit, etwa von 130 Kilometern pro Stunde, ab. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist dafür. Offiziell hat die Bundesregierung einem generellen Tempolimit auf Autobahnen eine Absage erteilt. „Die Bundesregierung plant kein allgemeines Tempolimit auf bundesdeutschen Autobahnen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer Ende 2019 in Berlin. Das sei im Koalitionsvertrag von Union und SPD nicht vorgesehen.
Moorschutz und Neuwaldbildung (Top 22)
Die Jamaika-Koalition beteiligt sich an der Debatte mit einem Antrag zum „biologischen Klimaschutz“. Unter anderem wird dazu aufgerufen, mehr Augenmerk auf die Renaturierung der Moore, die Neuwaldbildung und den „klimaangepassten Umbau“ bestehender Wälder zu legen. Hierzu soll die Landesregierung Konzepte erarbeiten und überregionale Fördermöglichkeiten prüfen.
In der Begründung wird auf die natürliche Bindung von Kohlenstoff „in relevanter Dimension“ hingewiesen. Weiter heißt es: „Der bisher erfolgreich durch die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein beschrittene Weg von verstärktem Moorschutz für mehr Klimaschutz sollte zukünftig analog im Bereich der Neuwaldbildung von den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten AöR verantwortlich umgesetzt werden.“
Viele der Forderungen wurden seitens der Landesregierung schon näher definiert. So hatte Landesumweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) bereits Anfang Dezember angekündigt, mit Hilfe von Mooren, neuen Wäldern und Grünland Schleswig-Holsteins Klimabilanz kräftig aufbessern. Als Ziel gab er eine jährliche Bindung von 700.000 Tonnen klimaschädlichem Kohlendioxid bis 2030 aus. Für den Einstieg in einen „biologischen Klimaschutz“ stünden sofort drei Millionen Euro zusätzlich bereit. Das Geld soll in den bereits bestehenden Moorschutzfonds der Stiftung Naturschutz fließen.
Albrechts Strategie besteht aus der Wiedervernässung von Moorböden, der Bildung neuer Wälder und der Umwandlung von Acker- in Grünland, insbesondere auf Moorböden. Die Landesregierung will darüber hinaus beispielsweise Landwirte fördern, wenn sie ihre Moorböden künftig mit einem höheren Wasserstand bewirtschaften, statt sie mit Drainagen zu entwässern. Auch dieser Punkt findet sich in dem jetzt vorgelegten Antrag der Koalitionsfraktionen.
Albrecht hat Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zudem bereits aufgefordert, die im Klimapaket in Aussicht gestellten zusätzlichen Mittel für die Länder in Höhe von 40 Millionen Euro im kommenden Jahr auch für neue Wälder und den Moorschutz freizugeben. Um das Ziel einer Einsparung von 700.000 Tonnen CO2 jährlich zu erreichen, sind laut Albrecht etwa fünf Millionen Euro pro Jahr im Norden nötig.
Bereits Ende September 2019 hatte die CDU nach einem innerparteilichen „Waldgipfel“ als Ziel ausgegeben, binnen zehn Jahren 15.000 Hektar neuen Wald anzulegen. Damit würde die seit langem verkündete Zielsetzung des Landes erreicht, den Waldanteil an der Gesamtfläche von elf auf zwölf Prozent zu erhöhen. Dafür müssten 75 Millionen Bäume gepflanzt werden.
Klimaschutzziele (Top 25)
Die SPD fordert die Landesregierung auf, „unter Berücksichtigung der Klimaschutzziele auf Bundesebene mittel- und langfristige Zielszenarien für den Wärmesektor und die Ausbauziele für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 in Schleswig-Holstein fortzuschreiben“. Dabei soll nach Vorstellung der Sozialdemokraten der Anteil der Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energiequellen in zehn Jahren bei mindestens 25 Prozent liegen und der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bei mindestens 44 Terrawattstunden (TWh).
Die bis 2030 angepeilten Zielmarken seien, so die SPD, im Energiewende- und Klimaschutzgesetz des Landes festzulegen. Die dabei ergriffenen Maßnahmen, die zum Ziel führen, seien im Klimaschutzbericht zu erläutern. „Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein benötigt klare Signale aus der Politik“, heißt es in der Begründung des Antrags.
Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2030 den Strombedarf zu 65 Prozent über Erneuerbare Energien decken beziehungsweise die Treibhausgas-Emissionen um mindestens 40 Prozent reduzieren. Bis 2050 wird die völlige Treibhausgasneutralität angestrebt.
(Stand: 20. Januar 2020)
Debatte Erste Lesung:
März 2019
Weitere vorherige Debatten zum Thema Klimaschutz:
November 2019 (Klimapaket Bund)
September 2019 (Klimakonzept Bund)
Juni 2019 (Klimabericht Landesregierung)
Mai 2019 (Tempolimit A7)
Februar 2019 (Jugend-Demos)
Juli 2018 (Wald)