Der FDP-Abgeordnete Oliver Kumbartzky hält eine Rede im Plenarsaal.
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Foto: Michael August
In der Agrarpolitik liegen die Jamaika-Koalitionspartner weit auseinander. Das wurde in der Landtagsdebatte über das „Agrarpaket“ der Bundesregierung und die jüngsten Bauern-Demos deutlich. CDU und FDP bekundeten Sympathie für die Proteste und warnten vor zu strengen Auflagen für die Landwirtschaft. Vertreter der Grünen forderten dagegen eine grundsätzliche Agrarwende. Ende Oktober hatten sich tausende Bauern zu einer Protestkundgebung in Rendsburg versammelt. Am Tag der Landtagsdebatte ist eine weitere Großdemonstration in Hamburg geplant. Anlass ist das dortige Treffen der Umweltminister von Bund und Ländern.
Aufgrund der Agrarpolitik des Bundes in den vergangenen Jahrzehnten seien Gewässer und Böden inzwischen in einem so schlechten Zustand, dass Deutschland zu Strafzahlungen an die EU verurteilt worden sei, betonte Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne). Vor diesem Hintergrund sei es den Bauern „sehr bewusst, dass sie ihre Betriebe verändern müssen“. Er rief die Landwirte auf, neue Wege zu gehen und „sich zu öffnen für die Erwartungen der Gesellschaft“. Diejenigen, die bereit für Veränderungen seien, etwa beim Tierwohl, beim Gewässerschutz und beim Klimaschutz, müssten unterstützt werden.
Verweis auf die „Bauernseele“
Hintergrund der Bauern-Demos ist das von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) geschnürte „Agrarpaket“. Dazu gehört ein Verbot des umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat bis Ende 2023. Der Einsatz von Schädlingsgiften soll insgesamt stark eingeschränkt werden. Das sieht ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ vor. Streitpunkte sind auch die Gülleverordnung, mit der das Grundwasser vor zu viel Nitrat geschützt werden soll, und das neue Tierwohl-Kennzeichen.
Aufgrund der vielen Neuerungen sei die „Bauernseele“ derzeit geprägt von Verunsicherung und Hilflosigkeit, erklärte der CDU-Agrarexperte Heiner Rickers. Die Betriebe hätten in den vergangenen Jahren schon zahlreiche strenge Auflagen erfüllt, zum Beispiel bei Tiertransporten, Ferkelkastration, Medikamenteneinsatz und Gewässerschutz. Vor diesem Hintergrund fragten sich viele Landwirte, „ob irgendwann mal mit den Forderungen Schluss ist“.
Politik habe Reformen lange „verpennt“
Der „Anpassungsdruck“ sei deswegen so groß, weil die Politik die nötigen Veränderungen jahrelang „verpennt“ und wirksame Regeln „verschleppt“ habe, betonte Bernd Voß (Grüne). Die Bundeslandwirtschaftsminister von CDU und CSU sowie der Bauernverband seien stets „Reformverweigerer“ gewesen. Dies hole die Betriebe nun ein. „Diejenigen, die den Handlungsbedarf leugnen, erweisen der Landwirtschaft einen Bärendienst“, so Voß. Oliver Kumbartzky (FDP) bezeichnete das „Agrarpaket“ dagegen als „Ohrfeige für die unternehmerische Landwirtschaft“. Viele der Vorgaben würden den Bauern „von oben übergestülpt“ und seien „nicht leistbar“. Wenn noch mehr Bauernhöfe den Betrieb einstellten, gelte bald das Motto: „Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert“.
„Die Unterschiede zwischen Grün, Schwarz und Gelb sind groß“, stellte Kirsten Eickhoff-Weber (SPD) fest. CDU und Liberale wollten ein „Weiter so“, die Grünen wollten dagegen eine Agrarwende – „beides geht nicht zusammen“. Auch die Sozialdemokratin forderte einen Schwenk in der Landwirtschaftspolitik und protestierte gegen das „hemmungslose Wachstum“ nach dem Motto „Hektar statt Gemeinwohlleistung“. Flemming Meyer (SSW) sah das ähnlich: „Dünger- und Pestizideinsatz haben nachweislich negative Auswirkungen auf Grundwasser und Böden.“ Er forderte „mehr Offenheit und Verständnis von Seiten der Landwirtschaft“.
Aufruf zur „Wertschätzung“ für die Bauern
Die aktuelle Agrarpolitik stelle „den Menschen ins Abseits“ und überziehe den Artenschutz maßlos, hielt Volker Schnurrbusch (AfD) dagegen: „Ideologie macht die Menschen nicht satt.“ Die Berliner Reform sei „über die Köpfe der Bauern hinweg“ beschlossen worden. Die Bauern wollten nicht mehr die „Prügelknaben der Nation“ sein. Alle Redner riefen zudem zu mehr „Wertschätzung“ für die Landwirtschaft auf. Viele Verbraucher betrachteten es als selbstverständlich, ihre Lebensmittel im Supermarkt frisch und billig zu kaufen, und hätten den Bezug zu denjenigen verloren, die diese Lebensmittel produzieren.