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14. November 2019 – November-Plenum

Streit ums „Agrarpaket“: Notwendigkeit oder „Ohrfeige“?

Der Bund will die Agrarpolitik massiv umgestalten. Die Bauern sollen noch mehr auf Umwelt- und Artenschutz achten. Das sorgt für Proteste – und für Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionspartnern im Landtag.

Der FDP-Abgeordnete Oliver Kumbartzky hält eine Rede im Plenarsaal.
Der FDP-Abgeordnete Oliver Kumbartzky hält eine Rede im Plenarsaal.
© Foto: Michael August

In der Agrarpolitik liegen die Jamaika-Koalitionspartner weit auseinander. Das wurde in der Landtagsdebatte über das „Agrarpaket“ der Bundesregierung und die jüngsten Bauern-Demos deutlich. CDU und FDP bekundeten Sympathie für die Proteste und warnten vor zu strengen Auflagen für die Landwirtschaft. Vertreter der Grünen forderten dagegen eine grundsätzliche Agrarwende. Ende Oktober hatten sich tausende Bauern zu einer Protestkundgebung in Rendsburg versammelt. Am Tag der Landtagsdebatte ist eine weitere Großdemonstration in Hamburg geplant. Anlass ist das dortige Treffen der Umweltminister von Bund und Ländern.

Aufgrund der Agrarpolitik des Bundes in den vergangenen Jahrzehnten seien Gewässer und Böden inzwischen in einem so schlechten Zustand, dass Deutschland zu Strafzahlungen an die EU verurteilt worden sei, betonte Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne). Vor diesem Hintergrund sei es den Bauern „sehr bewusst, dass sie ihre Betriebe verändern müssen“. Er rief die Landwirte auf, neue Wege zu gehen und „sich zu öffnen für die Erwartungen der Gesellschaft“. Diejenigen, die bereit für Veränderungen seien, etwa beim Tierwohl, beim Gewässerschutz und beim Klimaschutz, müssten unterstützt werden. 

Verweis auf die „Bauernseele“

Hintergrund der Bauern-Demos ist das von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) geschnürte „Agrarpaket“. Dazu gehört ein Verbot des umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat bis Ende 2023. Der Einsatz von Schädlingsgiften soll insgesamt stark eingeschränkt werden. Das sieht ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ vor. Streitpunkte sind auch die Gülleverordnung, mit der das Grundwasser vor zu viel Nitrat geschützt werden soll, und das neue Tierwohl-Kennzeichen.

Aufgrund der vielen Neuerungen sei die „Bauernseele“ derzeit geprägt von Verunsicherung und Hilflosigkeit, erklärte der CDU-Agrarexperte Heiner Rickers. Die Betriebe hätten in den vergangenen Jahren schon zahlreiche strenge Auflagen erfüllt, zum Beispiel bei Tiertransporten, Ferkelkastration, Medikamenteneinsatz und Gewässerschutz. Vor diesem Hintergrund fragten sich viele Landwirte, „ob irgendwann mal mit den Forderungen Schluss ist“.

Politik habe Reformen lange „verpennt“

Der „Anpassungsdruck“ sei deswegen so groß, weil die Politik die nötigen Veränderungen jahrelang „verpennt“ und wirksame Regeln „verschleppt“ habe, betonte Bernd Voß (Grüne). Die Bundeslandwirtschaftsminister von CDU und CSU sowie der Bauernverband seien stets „Reformverweigerer“ gewesen. Dies hole die Betriebe nun ein. „Diejenigen, die den Handlungsbedarf leugnen, erweisen der Landwirtschaft einen Bärendienst“, so Voß. Oliver Kumbartzky (FDP) bezeichnete das „Agrarpaket“ dagegen als „Ohrfeige für die unternehmerische Landwirtschaft“. Viele der Vorgaben würden den Bauern „von oben übergestülpt“ und seien „nicht leistbar“. Wenn noch mehr Bauernhöfe den Betrieb einstellten, gelte bald das Motto: „Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert“. 

„Die Unterschiede zwischen Grün, Schwarz und Gelb sind groß“, stellte Kirsten Eickhoff-Weber (SPD) fest. CDU und Liberale wollten ein „Weiter so“, die Grünen wollten dagegen eine Agrarwende – „beides geht nicht zusammen“. Auch die Sozialdemokratin forderte einen Schwenk in der Landwirtschaftspolitik und protestierte gegen das „hemmungslose Wachstum“ nach dem Motto „Hektar statt Gemeinwohlleistung“.  Flemming Meyer (SSW) sah das ähnlich: „Dünger- und Pestizideinsatz haben nachweislich negative Auswirkungen auf Grundwasser und Böden.“ Er forderte „mehr Offenheit und Verständnis von Seiten der Landwirtschaft“.

Aufruf zur „Wertschätzung“ für die Bauern

Die aktuelle Agrarpolitik stelle „den Menschen ins Abseits“ und überziehe den Artenschutz maßlos, hielt Volker Schnurrbusch (AfD) dagegen: „Ideologie macht die Menschen nicht satt.“ Die Berliner Reform sei „über die Köpfe der Bauern hinweg“ beschlossen worden. Die Bauern wollten nicht mehr die „Prügelknaben der Nation“ sein. Alle Redner riefen zudem zu mehr „Wertschätzung“ für die Landwirtschaft auf. Viele Verbraucher betrachteten es als selbstverständlich, ihre Lebensmittel im Supermarkt frisch und billig zu kaufen, und hätten den Bezug zu denjenigen verloren, die diese Lebensmittel produzieren.

Mit hunderten Traktoren und kilometerlangen Konvois haben Bauern am 22. Oktober in vielen Regionen Deutschlands den Verkehr blockiert, um gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu protestieren. Die zentrale Kundgebung mit mehreren tausend Teilnehmern fand in Bonn statt. Auch in Rendsburg versammelten sich Bauern mit ihren Treckern wie in München, Hannover, Stuttgart und vielen anderen Städten. Nun bitten die Koalitionsfraktionen die Landesregierung, in dieser Tagung „über die bundesweiten Demonstrationen von Bäuerinnen und Bauern zu berichten“.

In Schleswig-Holstein protestierten Landwirte mit einer großen Sternfahrt nach Rendsburg gegen die Berliner Agrarpolitik in Berlin. Nach Angaben der Polizei fuhren rund 1700 Fahrzeuge von insgesamt 14 Startpunkten los. Der längste Konvoi erreichte eine Länge von rund zehn Kilometern. Die meisten Traktoren fuhren zum Versammlungsort in der Rendsburger Innenstadt. Drei weitere Konvois mit rund 400 Fahrzeugen starteten von Schleswig-Holstein aus nach Hamburg. Aufgerufen zu der Treckerdemo hat die bundesweite Bewegung „Land schafft Verbindung – Wir rufen zu Tisch“.

Viele Bauern fühlen sich ungehört

Die Landwirte protestierten vor allem gegen strengere Regeln zum Umwelt- und Insektenschutz, weil sie dadurch ihre Existenz bedroht sehen. Hintergrund ist das von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) geschnürte „Agrarpaket“ mit Glyphosat-Ausstieg, mehr Schutz für Insekten und einem neuen Tierwohl-Kennzeichen. Dazu kommen neue Auflagen, um das Grundwasser vor zu viel Nitrat durch Überdüngung zu schützen. Ein Prozess, in dem viele Bauern sich ungehört fühlen.

Am Tag der geplanten Aussprache im Plenum, am Donnerstag, 14. November, hat der Bauerbverband Schleswig-Holstein bereits zu einer neuen Protestaktion aufgerufen. So sollen anlässlich der Umweltministerkonferenz in Hamburg „Landwirte, andere Landnutzer und Schäfer aus ganz Deutschland am Tagungsort ihre Kritik an der aktuellen Politik deutlich machen und zum Dialog einladen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Kundgebung stehe unter der Überschrift „Kooperation statt Verbote – Dialog statt Konfrontation“.

Vorherige Debatte/Meldung zum Thema:
August 2019 (Tierwohl-Label)
August 2019 (Düngemittelverordnung)
Januar 2019 (Dauergrünland)
Juli 2018 (Düngemittelverordnung)
April 2018 (Pflanzenschutzmittel)
November 2017 (Glyphosat)
Oktober 2017 (Biodiversität)

Berichtsantrag

Demonstration von Bäuerinnen und Bauern
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/1766