Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

13. November 2019 – November-Plenum

Asylbewerber sind „Fachkräfte der Zukunft“

Tausende Flüchtlinge haben den Sprung auf den deutschen Arbeitsmarkt geschafft. Aber das Thema bleibt eine Herausforderung für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das wird in einer Landtagsdebatte deutlich.

Der 19-jährige Mohammad aus Afghanistan arbeitet im Ausbildungszentrum der Siemens Professional Education an der Verdrahtung eines Schaltschranks.
Der 19-jährige Mohammad aus Afghanistan arbeitet im Ausbildungszentrum der Siemens Professional Education an der Verdrahtung eines Schaltschranks.
© Foto: dpa, Monika Skolimowska

Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren, sei eine humanitäre Pflicht und entspreche zudem der „volkswirtschaftlichen Logik“. Das betonte Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) in einem Regierungsbericht vor dem Landtag. Viele derjenigen, die als Asylbewerber ins Land gekommen seien, könnten die „Fachkräfte der Zukunft“ sein, so Buchholz. Bis auf die AfD stellten sich alle Fraktionen hinter die Aussage des Ministers.

Schleswig-Holstein habe auf diesem Gebiet bereits eine „sehr respektable“ Bilanz vorzuweisen, so Buchholz. Hatten im Jahr 2016 noch 5600 Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst, so sie die Zahl im Jahr 2017 auf 9.100 und 2018 auf 13.000 Menschen gestiegen – davon 10.000 in einem sozialversicherungspflichtigen Job. Andererseits gebe es aber auch 8.000 arbeitslose Flüchtlinge. Das Fazit des Ministers: Die Nachfrage der Wirtschaft sei nach wie vor hoch, aber es könne dauern, bis die fachlichen und sprachlichen Voraussetzungen für eine Arbeitsstelle vorliegen.

Touré kritisiert Gesetzeslage

Die Grünen-Abgeordnete Aminata Touré, deren Familie aus dem westafrikanischen Mali stammt, wies auf Gesetze des Bundes hin, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren oder blockieren würden. So erhielten viele Menschen keine Arbeitserlaubnis, oder ihre Berufsabschlüsse werden nicht anerkannt: „Meine Eltern, die beide studiert haben, konnten in Deutschland nur Helfertätigkeiten nachgehen“ Touré betonte: „Ohne die zahlreichen Menschen mit Zuwanderungsbiografie würde unsere Gesellschaft zusammenbrechen. Das verdient Anerkennung.“

Viele kleine und mittelständische Unternehmen, etwa im Handwerk, hätten gute Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht, hob der Sozialdemokrat Wolfgang Baasch hervor: „Arbeitsmarkt-Integration ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe.“ Barbara Ostmeier (CDU) unterstrich, dass der inländische Fachkräftemarkt derzeit nicht ausreiche, um alle offenen Stellen zu besetzen. Deswegen müsse Deutschland gezielt im Ausland anwerben, Flüchtlinge integrieren und zugleich eine „Zuwanderung in die sozialen Systeme“ verhindern.

AfD: „Nicht der richtige Weg“

„Jeder, der selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, der soll das auch tun“, sagte Kay Richert (FDP). Er unterstrich die Bedeutung der Integrationskurse: „Eine Nichtteilnahme darf keine Option sein“, denn das führe zu Parallelgesellschaften. Lars Harms (SSW) wies darauf hin, dass viele Flüchtlinge ihre Berufslaufbahn im Niedriglohnsektor beginnen, etwa in Leiharbeit, in der Gastronomie oder auf dem Bau. Neben Sprachkursen müsse deswegen auch die fachliche Qualifizierung im Fokus stehen.

„Schleswig-Holstein braucht Fachkräfte, aber diese Fachkräfte bei Flüchtlingen und Asylbewerbern zu suchen, ist nicht der richtige Weg“, sagte Volker Schnurrbusch (AfD) an. Mehr als 40 Prozent der Flüchtlinge kämen ohne Schulabschluss, 20 Prozent seien Analphabeten: „Wie sollen diese Menschen uns helfen, den Fachkräftemangel zu beheben?“ Anstatt auf „kulturfremde“ Zuwanderer zu setzen, rief Schnurrbusch dazu auf, Perspektiven für einheimische Arbeitslose zu schaffen.

Auf Wunsch der Jamaika-Koalition soll die Landesregierung über die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt berichten. Laut einer im Juni vorgestellten Studie der Denkfabrik Berlin-Institut finden Flüchtlinge in Deutschland zwar zunehmend den Weg in den Arbeitsmarkt. Viele von ihnen landen allerdings in unsicheren Jobs.

Zwischen Februar 2018 und Januar 2019 gingen demnach zwar knapp 96.000 Menschen aus den acht wichtigsten Herkunftsländern von Asylbewerbern einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach – und damit fast jeder. Allerdings fiel mehr als jedes dritte Beschäftigungsverhältnis in die Leiharbeitsbranche. Viele Menschen fanden Arbeit im einfachen Dienstleistungsbereich, etwa als Gebäudereiniger oder im Gastgewerbe. Häufig gelinge der Sprung in eine reguläre Beschäftigung nicht, schreiben die Experten.

Flüchtlingsrat gibt Empfehlungen

Geflüchteten Menschen, die eine Arbeit oder Ausbildung aufnehmen wollen, stehen laut Landesregierung in Schleswig-Holstein neben den regionalen Migrationsberatungen landesweit zahlreiche Ansprechpartner im Bereich von Beratungs- und Förderangeboten zur Verfügung. Dazu zählen etwa die Agentur für Arbeit oder die Jobcenter.

Zudem beschäftigt sich die Arbeitsgruppe „Migration & Arbeit“ des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein mit dem Thema. Das unregelmäßig tagende Gremium von Fachleuten aus verschiedenen Trägern analysiert und kommentiert die Situation und zeigt der Politik und zuständigen Verwaltungen Handlungsmöglichkeiten auf.

(Stand: 11. November 2019)

Vorherige Debatten zum Thema:
September 2018 (Asylrecht)
Dezember 2018 (Aufenthaltsrecht)
November 2017 (spez. Berufsqualifikation)

Berichtsantrag

Bericht zur Integration von Geflüchteten in den Arbeits-markt
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/1707