Kinder stehen im Umkleideraum eines Kindergartens.
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Foto: dpa, Carsten Rehder
Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf für die geplante Kita-Reform ist im Landtag in Erster Lesung auf ein geteiltes Echo gestoßen. Während Redner der Jamaika-Koalition die große Bedeutung des „Kraftaktes“ hervorhoben, wiederholte die SPD in der über zweieinhalbstündigen, intensiv geführten Debatte ihre Kritik, es würden nicht wie versprochen alle Kommunen und alle Eltern, sondern nur einige tatsächlich entlastet. Auch AfD und SSW forderten Nachbesserungen.
„Wir machen Schleswig-Holstein zu einem familienfreundlicheren Bundesland und schaffen einheitliche Lebensverhältnisse in Schleswig-Holstein“, zeigte sich Familienminister Heiner Garg (FDP) überzeugt. Der Entwurf verbessere nicht nur die frühkindliche Bildung, sondern auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und trage damit zu mehr sozialer Gerechtigkeit bei. Familien würden künftig von „zum Teil viel zu hohen Gebühren“ entlastet, sie hätten freies Wahlrecht bei der Einrichtung, es werde eine bessere Qualität eingeführt und zudem würden die Kommunen bei der Finanzierung entlastet, hob Garg hervor.
Rund eine Milliarde Euro in fünf Jahren
Laut dem Minister fließen rund eine Milliarde Euro zusätzlich in dieser Legislaturperiode in die Kitas. Darin sind 191 Millionen vom Bund enthalten. Statt 2000 Euro pro Kind und Jahr im Jahr 2017 würden im Jahr 2022 4400 Euro gezahlt. „Das ist ein finanzieller Kraftakt für ein Konsolidierungsland wie Schleswig-Holstein, aber auch ein klares Signal des Landes in die frühkindliche Bildung“, erklärte Garg und schob nach: Die Kita-Reform biete „eine nachhaltige Struktur, Transparenz und ein höheres Maß an Verlässlichkeit“. Allen Beteiligten versprach der Minister, der Beteiligungsprozess sei nicht abgeschlossen. Anregungen und Kritik würden bis zur Evaluation 2024 regelmäßig aufgenommen.
SPD sieht Scheitern der Reform
„Das ist eine Kita-Reform, die keine Reform ist“, entgegnete Serpil Midyatli (SPD) dem Minister. Auch „das letzte Großprojekt“ dieser Landesregierung sei „eine Enttäuschung für alle Beteiligten“. Statt Qualitäts-Verbesserungen würden nur Mindeststandards festgelegt, die „in über 70 Prozent der Kitas schon umgesetzt sind“, so Midyatli. Es fehle zudem Fachpersonal. „Wir haben immer gemahnt, ein Kita-Reform müsse mit einer Erzieherinnen-Ausbildungsreform einhergehen. Das ist nicht passiert“, zeigte sie sich enttäuscht. Zwar würden jetzt die Finanzströme neu geregelt, aber die Jamaika-Koalition habe „viel mehr versprochen“. Die Kommunen zahlten oft sogar drauf. „Wir werden erleben, dass diese Reform scheitert“, prophezeite Midyatli.
Die Veränderungen in der Kita-Reform erfordern mehr Fachpersonal, stimmte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben der SPD-Kritik zu. Allerdings würden bereits mehr Erzieher ausgebildet. „Wir stoßen an Grenzen, weil es an Ausbildern fehlt, aber da gehen wir ran“, kündigte von Kalben an. Sie sprach sich außerdem für einen „Bildungsbonus auch für Kitas“ aus.
CDU: „stark und gleichberechtigt“
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt konterte dagegen die Vorwürfe von Midyatli scharf: Ihre Vorwürfe sind „dreist, überheblich und völlig daneben“, konterte Die Jamaika-Koalition habe „eine umfassende Reform gewagt“, um Kinder „bestmöglich auf ein selbstbestimmtes Leben“ vorzubereiten. Auch die Übergangsregelungen und die geplante Evaluation seien „sachgerecht und nicht mutlos“, so Vogt.
Das bisherige Gewirr aus „sieben Förderkulissen, 13 Regelungsbereichen und 32 Kriterien der jeweiligen Zuweisung der Landesmittel“ werde entflochten, zudem der „Flickenteppich“ mit unterschiedlichen Betreuungsschlüsseln und Sozialstaffeln in den 15 Kreisen abgeschafft, betonte die CDU-Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann. Für die meisten Eltern gebe es Entlastungen durch den festen und fairen Beitragsdeckel. „Wir sorgen zudem für eine starke und gleichberechtigte Kindertagespflege“, unterstrich sie.
Inklusion und Naturpädagogik vermisst
Claus Schaffer (AfD) forderte erneut, die „Eigenverantwortung der Familien“ zu stärken. Eltern müssten auch die Chance haben, ihre Kinder zuhause selbst zu betreuen. Dafür solle es ebenfalls Unterstützung geben. Zudem reichten die Mindeststandards nicht aus, so Schaffer. Er verlangte zudem, dass das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung beitragsfrei sein müsse.
Für den SSW, der kräftige Nachbesserungen verlangt, kommen die Träger mit anderen pädagogischen Konzepten „unter die Räder“. Flemming Meyer (SSW) monierte etwa fehlende Konzepte zum Ausbau der Naturpädagogik im U3- und im Hortbereich. Auch sei die Reform „nicht wirklich inklusiv“. Eltern von Kindern mit Behinderung hätten kaum eine Wahlfreiheit. Der Kritik an der weitgehend ausklammerten Inklusion in der Reform schloss sich ausdrücklich auch der SPD-Abgeordnete Wolfgang Baasch. Insbesondere Anita Klahn von der mitregierenden FDP versprach in diesem Punkt eine Nachjustierung.
Im Sozialausschuss soll es nun umfangreiche Anhörungen geben.
Weitere Redner mit Kurzbeiträgen:
Martin Habersaat (SPD), Tobias Koch (CDU), Werner Kalinka (CDU), Andreas Tietze (Grüne)