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19. Juni 2019 – Juni-Plenum: Bildungsdebatte

Bessere Noten durch „Spaß an Mathematik“?

Die Landesregierung will das Angstfach Mathematik attraktiver gestalten. Im Landtag gibt es unterschiedliche Ansichten, was letztlich zu besseren Leistungen führt.

Der SPD-Abgeordnete Martin Habersaat hält eine Rede im Plenarsaal.
Der SPD-Abgeordnete Martin Habersaat hält eine Rede im Plenarsaal.
© Foto: Thomas Eisenkrätzer

Schleswig-Holsteins Schüler sind deutschlandweit guter Durchschnitt in Mathematik. Dennoch sorgt das Fach vielfach für Frust. Die Koalition will nach dem Motto „Spaß an Mathe“ gegensteuern. Die Landesregierung arbeite daran, dass Schüler ohne Angst an Zahlen und Formeln herangingen, betonte Bildungsministerin Karin Prien (CDU). Im Landtag blieb es umstritten, was letztlich zu besseren Leistungen führt - Spaß oder Leistungsanreize.

In Mathe werde der Grundstein für den weiteren Bildungsweg und für Berufsentscheidungen gelegt, so Prien. Sie stellte einen „Masterplan Mathematik“ vor, der mehr Unterricht an den Grundschulen und auch an den Gymnasien nach der Umstellung auf G9 vorsieht. Lehrer sollen weiterqualifiziert werden. Ziel sei ein „verstehensorientierter Ansatz“, unterstrich Prien.

Mädchen sollen Mathe als Chance sehen

„Die Mathematik-Didaktik muss so weiterentwickelt werden, dass sie die Schüler erreicht und die nötigen Kompetenzen vermittelt“, erklärte auch Martin Habersaat (SPD). Er warf der Ministerin vor, sich bei der Begabtenförderung auf die Gymnasien zu konzentrieren und die Gemeinschaftsschulen zu vernachlässigen: „Das entspricht nicht der Verteilung der begabten Schüler.“ Ines Strehlau (Grüne) blickte auf die bundesweiten Zahlen: „Wir sind in Schleswig-Holstein nicht wirklich besser geworden, aber die anderen Länder werden schlechter.“ Noch immer erreichten 36 Prozent der Schüler nicht die von der Kultusministerkonferenz aufgestellten Standards in Mathe.

Annette Röttger (CDU) merkte an: „Wissen und Kompetenzen müssen erworben werden und setzen Leistungsbereitschaft voraus.“ Aber um das Image der Leistungsbereitschaft sei es „nicht positiv bestellt“. Leistungsstarke Schüler müssten genauso gefördert werden wie Leistungsschwache. Es gehe darum, „die natürliche Neugier des Kindes zu wecken“, so Anita Klahn (FDP). Sie appellierte insbesondere an die Mädchen, Mathe-Unterricht als Chance zu begreifen: „Technische Berufe sind gut bezahlt.“

Streit um „Spaß“ und Leistung

Frank Brodehl (AfD) kritisierte den Titel des Jamaika-Antrags: „In der Schule geht es nicht darum, Spaß an irgendetwas zu haben“. Es stellten sich aber Freude, Zufriedenheit und Begeisterung ein, wenn ein Problem gelöst werde. Die AfD sprach sich für „leistungshomogene Klassen“ aus, der Antrag wurde jedoch von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Jette Waldinger-Thiering (SSW) wies Brodehls Aussagen zurück „Wer keinen Spaß am Unterricht oder am Leben hat, der hat irgendetwas verkehrt gemacht.“

Der Antrag „Spaß an Mathematik“ wurde schließlich einstimmig beschlossen. Weitere Anträge und Berichte zu den Themen Mathe, MINT-Fächer und Hochbegabung werden im Bildungsausschuss weiter beraten. 

Der Landtag beschäftigt sich in einer großen bildungspolitischen Debatte mit zwei Regierungsberichten zum Mathematikunterricht und zur „schulischen und außerschulischen“ Förderung in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sowie einem Antrag zum Umgang mit besonders begabten Schülern.

Thema Mathematik:
In dem Bericht zur „Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts“ kommt das Bildungsministerium zu dem Schluss, dass die Grundschüler und Neuntklässler in Schleswig-Holstein mit ihren Mathe-Leistungen „nahe am nationalen Mittelwert“ liegen, und die Gymnasiasten „nahezu“ den bundesweiten Mittelwert erreichen. Weiter heißt es: Der Anteil der besonders leistungsschwachen Schüler liegt in Schleswig-Holstein leicht unter der nationalen Quote und der Anteil sehr leistungsstarker Schüler nahe an der bundesweiten Quote. Das Ministerium beruft sich dabei auf Befunde aus dem Ländervergleich 2012 und dem Bildungstrend 2016.

Aktuell hat Schleswig-Holstein – anders als Hamburg – nach dem diesjährigen Mathematik-Abitur keine Korrekturen am Schwierigkeitsgrad der Aufgaben vorgenommen. Nach 90 Prozent der Rückmeldungen aus den Schulen liegen die Ergebnisse auf dem Niveau der vergangenen Jahre, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums Anfang Juni. Zuvor hatten im Mai Proteste gegen angeblich zu schwere Aufgaben beim Mathe-Abitur auch Schleswig-Holstein erfasst. Schüler starteten eine Online-Petition für ein „Faires Mathe-Abi“.

Bereits Ende April hatte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) ihren „Masterplan Mathematik“ (Umdruck 19/2388 / www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/umdrucke/02300/umdruck-19-02388.pdf) vorgestellt. Neben einer Erhöhung der Zahl der Unterrichtsstunden sieht der Masterplan auch Maßnahmen wie die Entwicklung von Musterklassenarbeiten zu den Inhalten der Fachanforderungen für die Gemeinschaftsschulen oder den Einsatz von Haushaltsmitteln in Höhe von 50.000 Euro für den Ausbau der Begabtenförderung im Fach Mathematik vor.

Thema MINT-Unterricht:
In dem Regierungsbericht zur MINT-Förderung wird darauf verwiesen, dass die Ergebnisse der Bildungsforschung, die Erkenntnisse des Bildungsministeriums, des IQSH (Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holsteins) und der Schulen „es erfordern, die MINT-Bildung weiter zu verbessern“. Um das Interesse von Kindern und Jugendlichen für Berufe oder Studiengänge im naturwissenschaftlich-technischen Bereich zu wecken, seien bereits verschiedene Maßnahmen zur Stärkung des MINT-Unterrichts ergriffen worden. Dazu gehören laut dem Bericht eine verbesserte Unterrichtsversorgung und die flexible Gestaltung von Lernzeit, unter anderem mithilfe der Kontingentstundentafel. „Darüber hinaus werden in allen Schularten die Kernkompetenzen durch Standards und zentrale Abschlussprüfungen gestärkt“, heißt es.

Ferner seien naturwissenschaftliche Wettbewerbe, die Auszeichnung und Förderung von Schulen mit besonderem MINT-Schwerpunkt sowie eine stärkere Vernetzung der schulischen und außerschulischen Angebote, die auch die Berufs- und Studienorientierung unterstützen, angeschoben worden. Für den Anschub „nachhaltiger Strategien zur Stärkung der MINT-Bildung wurden im Haushalt 2018 die zur Verfügung gestellten Mittel zur Stärkung der Naturwissenschaften von 60.000 Euro auf 150.000 Euro erhöht“, schreibt das Bildungsministerium.

Zukünftig will das Bildungsministerium die Anstrengungen zur Gewinnung von Fachlehrern erhöhen sowie Schulen bei der Entwicklung ihres MINT-Profils weiter unterstützen und Initiativen in Kooperation mit Stiftungen und der Wirtschaft ausbauen. Zudem seien digitale Medien im Unterricht auch für die Mint-Fächer einzusetzen, wirksame Lehrkonzepte zu erarbeiten und Lehrkräfte entsprechend fortzubilden. Ferner heißt es in dem 51-seitigen Bericht: „Anzustreben ist darüber hinaus, mehr Schulen für die landesweiten Maßnahmen zur Förderung von Spitzenleistungen zu gewinnen und eine noch stärkere Beteiligung an Wettbewerben zu erreichen, damit talentierte Schülerinnen und Schüler zu Leistungen motiviert werden, die auch bundesweit konkurrenzfähig sind.“

Antrag zur Förderung begabter Schüler:
Ein in die Debatte einfließender Antrag der SPD fordert dazu auf, „Konzepte zur Weiterentwicklung der Begabtenförderung in Schleswig-Holstein“ gemeinsam mit den Kompetenzzentren und SHiB-Schulen (SHiB: Schule inklusive Begabtenförderung) zu entwickeln. In der Begründung wird der Landesregierung vorgeworfen, sie wolle von 25 geplanten Stellen für die Förderung besonders leistungsstarker Schüler allein 23 an Gymnasien besetzen. „Zu den Kompetenzzentren für Begabtenförderung gehören auch Gemeinschaftsschulen; zahlreiche Grundschulen sind SHiB-Schulen“, schreiben die Sozialdemokraten.

Meldungen bei Antragstellung:
Februar 2019 (Mathematik/ohne Aussprache)
Dezember 2018 (MINT/ohne Aussprache)
Vorherige Debatte/Meldung zum Thema:
Dezember 2018 (MINT-Fächer/ohne Aussprache)
November 2018 (Mathe-Prüfungen)
November 2017

Antrag

Begabte Schülerinnen und Schüler an allen Schularten fördern
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/1422

Antrag/Regierungsbericht

Spaß an Mathematik schaffen – Stärkung von mathematischen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drs. 19/1453 
Alternativantrag der Fraktion der AfD - – Drs. 19/1551 
Berichtsantrag "Weiterentwicklung des Mathematikunterrichts an den schleswig-holsteinischen Schulen"
Antrag der Fraktion der SPD – Drs. 19/1233 
(Landtagsbeschluss vom 15. Februar 2019)
Bericht der Landesregierung – Drucksache 19/1438 
(Federführend ist das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur)

Regierungsbericht

Bericht über die Maßnahmen zur Stärkung des MINT-Unterrichts an allen Schulen
Antrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP – Drs. 19/1119
(Landtagsbeschluss vom 14. Dezember  2018)
Bericht der Landesregierung – Drucksache 19/1496
(Federführend ist das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur)