Menschen in Kiel demonstrieren gegen Rassismus.
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Foto: dpa, Bodo Marks
Die Landesregierung will im Herbst kommenden Jahres den im Koalitionsvertrag vereinbarten Landesaktionsplan gegen Rassismus fertigstellen. Das Positionsdokument werde dann „ein differenziertes Inventar bilden, um auf die Herausforderungen unserer Zeit eingehen zu können“, sagte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) in einem von der Jamaika-Koalition geforderten mündlichen Bericht.
Vorbild des neuen Papiers soll auch der seit 2008 bestehende Nationale Aktionsplan gegen Rassismus sein, so der Minister, der auf die Bedeutung von Demokratie und Geschichtsverständnis verwies. So sollen etwa auch weiterhin alle Polizeianwärter im Land die israelische Gedenkstätte Yad Vashem besuchen, um „ein eindrucksvolles Bild von den schrecklichen Ereignissen damals“ zu bekommen. Das bleibe fester Bestandteil der Ausbildung, so Grote.
„Stumpf ist wieder Trumpf“
Bei Rassismus gehe es um kollektive Erfahrungen und nicht um individuelle Begegnungen, konstatierte Aminata Touré (Grüne), die von eigenen Erlebnissen berichtete. Sie forderte, das Thema nicht als „Befindlichkeiten“ abzutun, sondern demokratische Grundfeste zu verteidigen.
Es gelte „stumpf ist wieder Trumpf“. Rassismus sei 75 Jahre nach Ende der Nazi-Herrschaft wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen, konstatierte Tobias von Pein (SPD). 54 Prozent der Deutschen hätten eine negative Einstellung gegen Flüchtlinge, jeder Fünfte neige zu rassistischem Gedankengut. Menschenfeindliche Äußerungen fielen „leider auch wieder in Parlamenten“, so von Pein, der einen „demokratischen Diskurs“ einforderte.
CDU für Anti-Semitismus-Beauftragten
Jan Marcus Rossa (FDP) nahm die AfD direkt ins Visier. Es sei „schlimm“, dass Rassismus „ihre hässliche Fratze“ in Parlamenten zeige, sagte er. Wenn man dem Bundesvorsitzenden Alexander Gauland zuhöre, „der öffentlich erklärt, Aydan Özoğuz, die ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, solle in Anatolien entsorgt werden“, sei das „unappetitlich und ein hoher Verfall von Sitten“. Demokratisch gewählt bedeute noch lange nicht, dass die Gewählten auch demokratisch seien, betonte er.
Die „Saat des Rassismus“ keime auch in vielen Schleswig-Holsteinern, formulierte Tobias Loose (CDU). Er forderte, Rassismus-Bekämpfung müsse „eine behördliche Querschnittsaufgabe“ sein und gesamtgesellschaftlich eine Rolle spielen. Loose sprach sich für einen Anti-Semitismus-Beauftragten in Schleswig-Holstein aus. Claus Schaffer (AfD) forderte begriffliche Klarheit von Rassismus. Er warnte zudem vor „zugewanderten Anti-Semitismus“ durch Muslime. Rassismus lehne die AfD ab, so Schaffer.
SSW: Rassisten stellen auf Kultur ab
Rassistische Strategien hätten sich weiterentwickelt und seien perfider geworden, merkte Lars Harms (SSW) an. „Selbst Rassisten wollen heute – bis auf wenige Ausnahmen – nicht mehr Rassisten genannt werden“. Sie verabschiedeten sich von „biologistischen Rassetheorien“ und begründeten ihren Rassismus nun mit vermeintlich festen kulturellen Faktoren. „Wir kennen das beispielsweise explizit von der Neuen Rechten, aber eben auch von Menschen aus der Mitte der Gesellschaft“, so Harms.