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15. Februar 2019 – Top 11, 24: „Fridays for Future“

Klima-Demos stoßen auf geteiltes Echo

Seit Wochen streiken Schüler während der Unterrichtszeit und protestieren gegen den Klimawandel. Im Landtag bleibt umstritten, ob das gelebte Demokratie ist oder ein Verstoß gegen die Schulpflicht.

Mehrere hundert Schüler demonstrieren im Dezember vor dem Landeshaus für den Klimaschutz.
Mehrere hundert Schüler demonstrieren im Dezember vor dem Landeshaus für den Klimaschutz.
© Foto: Landtag, Rebecca Hollmann

Seit Monaten gehen schleswig-holsteinische Schüler freitags auf die Straße, um für Klimaschutz zu demonstrieren – während der Unterrichtszeit. Sie sind Teil der europaweiten Bewegung „Fridays for Future“. Ist das ein positiver Beitrag zur öffentlichen Debatte und „gelebte politische Bildung“, wie SPD und SSW finden? Oder ist es schlechtweg Schule-Schwänzen? Hierüber gingen die Meinungen im Parlament weit auseinander.

„Wir wollen politisierte Schüler. Wir wollen junge Menschen, die sich interessieren und sich einmischen“ – „und das auch innerhalb der Schulzeit“, erklärte Martin Habersaat (SPD). Dazu gehöre es aber auch, dass der Klima-Streik im Unterricht vor- und nachbereitet werde. Jette Waldinger-Thiering (SSW) lobte die „couragierte Jugend“, die einfordere, „was selbstverständlich sein sollte“: ein intaktes Kima. Die Schüler erwarteten von der Politik zu Recht Lösungen für das Klima-Problem.

Fortschritt durch „zivilen Ungehorsam“?

„Ich bin dieser Bewegung sehr dankbar“, betonte Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. Der „zivile Ungehorsam“ der Schüler schaffe Aufmerksamkeit, und „nur so verändert sich die Welt.“ Die Debatte um die Rechtmäßigkeit des Schulstreiks sei ebenfalls hilfreich, merkte von Kalben an: „Wenn es erlaubt wäre, würde es verpuffen. So wird es wahrgenommen.“ „Die heutige Jugend ist nicht, wie allgemein behauptet wird, politikverdrossen“, stellte Anita Klahn (FDP) fest. An die streikenden Jugendlichen appellierte sie: „Schwänzt nicht die Schule, sondern werdet Ingenieure und Wissenschaftler, damit ihr Techniken entwickeln könnt, um effektiv gegen den Klimawandel vorzugehen.“

Bildungsministerin Karin Prien (CDU) findet es „klasse“, dass Schüler sich „für ihre und unsere Zukunft“ einsetzten. Aber: „Die Schulpflicht besteht auch freitags.“ Die Demo-Teilnahme könne zwar „einmalig und ausnahmsweise“ Teil des Unterrichts sein. Wer aber wiederholt dem Unterricht fernbleibe, so Prien, „wird die Konsequenzen aushalten müssen“. „Schulpflicht bleibt Schulpflicht“, unterstrich auch Tobias Loose (CDU). Die Strafen für Schüler müssten aber „verhältnismäßig“ sein, so Loose: „Niemand sollte deswegen von der Schule fliegen“.

AfD pocht auf „Neutralitätsgebot“ des Staates

Frank Brodehl (AfD) kritisierte scharf, dass Jamaika und SPD Sympathien für die Streiks erkennen ließen: „Sie begrüßen dies nur, weil links-grüne Klima-Positionen vertreten werden.“ Den Schülern werde das Signal vermittelt: „Ihr dürft streiken, wenn ihr die Ziele der Landesregierung unterstützt.“ Damit werde das „Neutralitätsgebot“ des Staates verletzt und ein „Meilenstein auf dem Weg in den Gesinnungsstaat“ errichtet.

Mit großer Mehrheit wurde zudem ein Antrag der Koalitionsfraktionen zur nachhaltigen Bildung beschlossen. Darin wird die Landesregierung gebeten, bis zum Frühjahr 2020 eine „Landesstrategie Bildung für nachhaltige Entwicklung für alle Bildungsbereiche im Sinne des UNESCO-Weltaktionsprogramms und des Nationalen Aktionsplans“ zu erarbeiten. Die AfD war als einzige Fraktion dagegen.

Sie demonstrieren seit Monaten jeden Freitag, auch vor dem Landtag: Schüler, die für den Klimaschutz eintreten. Inzwischen haben es die von der europäischen Bewegung „Fridays for Future“ initiierten Kundgebungen tief in die politische Welt geschafft – allerdings nicht nur bezüglich des Umweltaspekts, sondern auch in Sachen Schulpflicht. Nachdem Bildungsministerin Karin Prien (CDU) Sanktionen für während der Schulzeit demonstrierende Schüler nicht ausgeschlossen hatte, bekundet die SPD ausdrücklich Solidarität: Der Einsatz der Jugendlichen „ist gelebte politische Bildung“, heißt es in einem Antrag, der gemeinsam mit einem Vorstoß zur nachhaltigen Bildung diskutiert werden soll.

Weiter betonen die Sozialdemokraten: „Wir vertrauen darauf, dass die Schulen das Thema Klimawandel, die Notwendigkeit politischen Engagements sowie die Möglichkeiten und Konsequenzen des Streiks im Unterricht gründlich vor- und nachbereiten und dass die Schülerinnen und Schüler aus freien Stücken streiken.“ Ministerin Prien und andere Bildungspolitiker im Landtag appellierten direkt an die Jugendlichen, nach Schulschluss oder am Wochenende zu protestieren. Die bleiben jedoch standhaft und wollen Medienberichten zufolge bewusst „die Regeln brechen“, um Aufmerksamkeit zu finden. Stattdessen soll es fortan an jedem Freitag eine Mahnwache vor dem Kieler Parlamentsgebäude geben.

Proteste inzwischen international

Die Bewegung „Fridays for Future“ geht auf die 16-jährige Greta Thunberg, zurück. Die in Stockholm lebende Schülerin bestreikt seit August vergangenen Jahres jeden Freitag die Schule, um die Politik in Schweden für einen weltweit stärkeren Einsatz gegen das Aufheizen der Erde aufzufordern. Inzwischen schwänzen nach ihrem Vorbild international Tausende Mädchen und Jungen die Schule und gehen bei Großdemos auf die Straße. Die verbindenden Losungen lauten #FridaysForFuture (Freitage für die Zukunft) und #YouthForClimate (Jugend fürs Klima). Die Demonstrationen, die auch auf die Einhaltung des klimapolitischen Übereinkommens von Paris drängen, werden unabhängig von Umweltverbänden von den Schülern und Studenten selbst organisiert.

In Schleswig-Holstein wurde vergangenen Freitag ein neuer Höhepunkt der Schulstreiks für besseren Klimaschutz registriert. Allein in Flensburg demonstrierten mehr als 1000 Schüler – die größte Kundgebung seit Beginn der Freitagsdemos im Land. In Rendsburg beteiligten sich laut Polizei mehr als 500 junge Menschen und in Kiel protestierten rund 70 Demonstranten mit einer Mahnwache vor dem Landeshaus.

Strategie für Nachhaltige Bildung

Mitberaten werden soll in dieser Debatte ein Antrag der Koalitionsfraktionen zur nachhaltigen Bildung. Darin wird die Landesregierung gebeten, bis zum Frühjahr 2020 eine „Landesstrategie Bildung für nachhaltige Entwicklung für alle Bildungsbereiche im Sinne des UNESCO-Weltaktionsprogramms und des Nationalen Aktionsplans“ zu erarbeiten. Vertreter der Zivilgesellschaft, der Kreise und Kommunen, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Schulen, der Kindertagesstätten und der außerschulischen Bildungseinrichtungen sollen bei der Strategie-Entwicklung beteiligt werden.

„Ziel ist es auch, bestehende Projekte zur Bildung für nachhaltige Entwicklung weiterzuentwickeln. Es soll geprüft werden, wie Angebote in Kitas und Schulen gestärkt werden können“, heißt es weiter in dem Antrag. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung sei sehr wichtig für die Zukunftsfähigkeit Schleswig-Holsteins und den Erhalt des Wohlstandes und unserer natürlichen Lebensgrundlagen, begründen CDU, Grüne und SSW.

(Stand: 11. Februar 2019)

Antrag

Landesstrategie Bildung für nachhaltige Entwicklung
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Grünen und FDP – Drucksache 19/1155

Antrag

#FridaysForFuture sind gelebte politische Bildung
Antrag der Fraktion der SPD und der Abg. des SSW – Drucksache 19/1234 (neu)

Alternativantrag

...der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP – Drucksache 19/1260

Alternativantrag

...der Fraktion der AfD – Drucksache 19/1274