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13. Februar 2019 – Top 1: Aktuelle Stunde

Rien ne va plus fürs Online-Zocken im Land?

Nach dem Auslaufen der Lizenzen im Bereich des Online-Glücksspiels setzen alle Landtagsfraktionen auf eine bundesweit einheitliche Regelung und eine Aufhebung des Totalverbots. Nur die SPD sieht das anders.

Zwischen Stapeln aus Glücksspiel-Jetons, Würfeln und Spielkarten liegt eine Computermaus.
Zwischen Stapeln aus Glücksspiel-Jetons, Würfeln und Spielkarten liegt eine Computermaus.
© Foto: dpa, Axel Heimken

Schleswig-Holstein setzt sich weiter für eine bundeseinheitliche Regelung beim Glücksspiel ein. „Unsere Ziele sind Kontrolle, Spielerschutz und eine Regulierung des Marktes. Es gibt entsprechende Gespräche mit den Länderkollegen, die zunehmend die Notwendigkeit zum Handeln erkennen“, sagte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) in einer von der SPD anberaumten Aktuellen Stunde. Er arbeite an einer „dauerhaften, tragfähigen und rechtskonformen Lösung“. Während alle anderen Fraktionen diesen Weg unterstützten, meinen die Sozialdemokraten, das Land handle „illegal“ und „fördert Anarchie“.

Der Markt der Online-Casinos ist laut Grote zwischen 2014 und 2017 um 80 Prozent gewachsen, die Spieleinsätze lägen mittlerweile bei rund 50 Milliarden Euro pro Jahr. Es habe sich damit gezeigt, dass ein formales Totalverbot, wie es im Glücksspiel-Staatsvertrag geregelt ist, „an der Lebensrealität vorbei geht“, sagte der Minister. Er verwies wie mehrere andere Redner auf Dänemark als Vorbild. Dort sei der Markt zum größten Teil legalisiert.

„Zockerfreunde können machen, was sie wollen“

„Sie rollen zwielichtigen Personen aus der Glücksspielbranche den roten Teppich aus“, hatte zuvor SPD-Fraktionschef Ralf Stegner der Landesregierung vorgeworfen. „Ihre Zockerfreunde sollen alles machen können, was sie wollen.“ Stegner hielt vor allem CDU und FDP vor, die während ihrer Regierungszeit gemachten Versprechungen allesamt nicht eingehalten zu haben. 2011 hatte die damalige schwarz-gelbe Koalition den Sonderweg Schleswig-Holsteins beim Glücksspiel beschlossen. Doch habe es statt vorhergesagter 50 bis 60 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr „nur zehn Millionen in acht Jahren“ gegeben, neue Arbeitsplätze seien „zerplatzt wie Seifenblasen“, konstatierte der Oppositionsführer. Er hielt der Landesregierung vor, sie schädige das Ansehen Schleswig-Holsteins und des Rechtsstaates.

Für die anderen Redner setzt die SPD hingegen aufs falsche Pferd: Mit ihrer Haltung, alles solle so bleiben wie es ist, unterstütze die Partei den „unregulierten und unkontrollierten Markt“ und damit auch fehlenden Jugend- und Spielerschutz. Hans-Jörn Arp (CDU) erklärte, wenn es bei der Ministerpräsidenten-Konferenz am 21. März keine bundesweite Einigung gebe, könne er sich auch einen Sonderweg einzelner Bundesländer vorstellen. Dann würden den in Schleswig-Holstein ansässigen Online-Casinos weitere Lizenzen erteilt.

CDU schließt erneuten Sonderweg nicht aus

„Wenn man vor Problemen die Augen verschließt, verschwinden sie nicht“, machte Rasmus Andresen (Grüne) deutlich. „Kommen Sie zu einer realitätsorientierten Politik zurück“, forderte er die SPD auf. „Wir wollen Schleswig-Holstein weder zum Kiffer- noch zum Zockerparadies machen, sondern mit Sinn und Verstand handeln“, schloss FDP-Fraktionschef Christopher Vogt an. Und auch Claus Schaffer (AfD) schwenkte auf den Regierungskurs ein. Das ursprüngliche schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz habe sich in der Praxis als grundsätzlich besserer Weg erwiesen.

Ein weiteres Ass im Ärmel seien die Steuereinnahmen und Abgaben, die die Online-Anbieter im Land zahlen. So erinnerte Lars Harms (SSW) an das zusätzliche Geld, das derzeit aus Glücksspielabgaben zum Beispiel an die Feuerwehren oder an die Suchtberatung fließe. „Wie und ob wir dieses Geld überhaupt kompensieren können, wenn es wegfällt, ist völlig offen“, sagte Harms.

Bis 2012 war es eines der ganz heißen Themen in der schleswig-holsteinischen Landespolitik – jetzt kocht es wieder hoch: das Glücksspiel im Internet. Die SPD hat eine Aktuelle Stunde über das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Anlass sind die Landeslizenzen für Spiele-Unternehmen. Die Genehmigungen waren auf sechs Jahre befristet und laufen dieser Tage aus. Berichten zufolge wurden in Schleswig-Holstein 18 Genehmigungen für Sportwetten sowie zwölf für Online-Casinospiele wie Poker vergeben, und zwar innerhalb weniger Monate in den Jahren 2012 und 2013.

Die bis Mitte 2012 amtierende schwarz-gelbe Koalition hatte seinerzeit das Internet-Glückspiel im Herbst 2011 erlaubt. Ziel war es, den bis dahin ungeregelten Markt zu kontrollieren, Gebühren und Steuern für das Land zu sichern und Regeln für den Spielerschutz durchzusetzen. Die damalige von der SPD angeführte Opposition kritisierte dies scharf. Nach der Landtagswahl im Frühjahr 2012 kassierte dann die neue Koalition aus SPD, Grünen und SSW das Gesetz wieder ein – musste aber jene Lizenzen erteilen, die rechtzeitig vor der Abschaffung des Gesetzes beantragt worden waren.

Werbung mit Landeswappen

Obwohl die letzte dieser Lizenzen Berichten zufolge am 7. Februar 2019 erloschen ist, werben einige der Unternehmen nach wie vor für ihre Produkte. Auf Plakaten und in TV-Spots wird auch das schleswig-holsteinische Landeswappen gezeigt. Dies, so Kritiker, erwecke den falschen Eindruck, dass das Spielangebot legal sei. Wett- und Casino-Unternehmen wiederum verweisen auf eine angeblich unklare Rechtslage und führen an, dass sie beim Land Schleswig-Holstein eine Verlängerung der Lizenz beantragt hätten.

Unterdessen bahnt sich eine grundsätzliche Neuregelung des Glücksspiel-Marktes an. Schleswig-Holstein war 2011 mit seinem liberalen Gesetz aus der Phalanx der Bundesländer ausgeschert. Die übrigen 15 Länder hatten einen gemeinsamen Staatsvertrag abgeschlossen. Dieser verbietet nicht nur Online-Casinospiele, sondern begrenzt auch die Zahl der Sportwetten-Lizenzen auf 20. Nach dem Regierungswechsel 2012 war Schleswig-Holstein diesem Staatsvertrag beigetreten. Von den 20 Lizenzen wurde allerdings noch keine einzige endgültig erteilt. Die Zahl wird von Kritikern als willkürlich empfunden. Unternehmen, die bei einem Bewerbungsverfahren keine der 20 Lizenzen ergattern konnten, sind vor Gericht gezogen und haben damit das gesamte Verfahren verzögert.

Länder suchen gemeinsame Position

Vor diesem Hintergrund laufen laut Medienberichten Gespräche unter den Bundesländern, die auf eine gemeinsame Position abzielen. Ein erster konkreter Schritt auf dem Weg zu einem neuen Glücksspiel-Abkommen könnte eine Konferenz der Ministerpräsidenten im März sein. Jamaika hatte dies bereits 2017 im Koalitionsvertrag angekündigt: „Schleswig-Holstein wird den Glücksspiel-Staatsvertrag kündigen und mit anderen Ländern (z.B. Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen) nach einer tragfähigen, europarechtskonformen Lösung für den gesamten Bereich der Sportwetten einschließlich des Online-Casinospiels sowie des Pokerspiels suchen, die sich an den Regelungen des bis 2013 gültigen Glücksspielgesetzes Schleswig-Holstein orientiert.“

(Stand: 11. Februar 2019)

Vorherige Debatte zum Thema:
September 2017

Stichwort: Aktuelle Stunde

Über eine bestimmte Frage von allgemeinem Interesse kann eine Aktuelle Stunde von einer Fraktion oder von mindestens fünf Abgeordneten beantragt werden. Der Antrag muss spätestens zwei Tage vor Sitzungsbeginn gestellt werden.

Bei einer Aktuellen Stunde beraten die Abgeordneten ohne feste Rednerliste über einen landespolitischen Gegenstand von aktueller Bedeutung. Die Redezeit ist auf fünf Minuten pro Beitrag begrenzt. Die Reden sollen frei gehalten werden. Die Gesamtredezeit der Abgeordneten darf 60 Minuten nicht überschreiten; hinzu kommt das Zeitkonto der Landesregierung von maximal 30 Minuten. Werden zwei Anträge ein einer Aktuellen Stunde behandelt, ist die Dauer auf  eineinhalb Stunden beschränkt.

Mit einer Aktuellen Stunde wird kein konkreter Beschluss herbeigeführt; sie dient vorrangig dem Meinungsaustausch und der Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte gegenüber der Öffentlichkeit.

Aktuelle Stunde

„Illegales Online-Glücksspiel in Schleswig-Holstein“
beantragt von der Fraktion der SPD – Drucksache 19/1249