Gut drei Monate vor der Europawahl erörtert der Landtag die Großwetterlage in Europa. In die Debatte fließen auch die schleswig-holsteinischen Kontakte im Ostseeraum ein.
Zwei Regierungsberichte zu dem Arbeitsprogramm der Brüsseler EU-Kommission und zu den Schleswig-Holstein-Büros und Hanse-Offices im Ostseeraum bilden die Basis für eine große europapolitische Debatte im Landtag. Mitdiskutiert wird ein AfD-Antrag, der dazu aufruft, die Kontakte mit Polen wieder zu intensivieren.
Thema EU-Kommission
Gegen Ende jedes Jahres legt die Kommission ihr Arbeitsprogramm für die folgenden zwölf Monate vor. Die im vergangenen Oktober präsentierte Agenda für 2019 ist die letzte unter dem scheidenden Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Das Papier benennt rund 100 politische Ziele, darunter 15 neue Initiativen.
Seit dem Lissabon-Vertrag aus dem Jahr 2009 hat auch die regionale Ebene ein Mitspracherecht bei der EU-Politik. Die Landesregierung hat eine Zusammenfassung des EU-Arbeitsprogramms erstellt, und im Landtag legen die Fraktionen von Jamaika, SPD und SSW nun eine Prioritätenliste vor. Sie rufen die Landesregierung auf, bei verschiedenen Punkten „nach Absprache mit dem Parlament inhaltlich Einfluss zu nehmen und die Interessen des Landes deutlich zu machen“.
Zentrale Punkte sind nach Einschätzung der Abgeordneten die Klimapolitik, insbesondere das Pariser Klimaschutzübereinkommen von 2015, sowie die Digitalisierung: Europa will die Entwicklung der künstlichen Intelligenz stärker fördern, eine elektronische Patientenakte einführen sowie einen „Aktionsplan gegen Desinformation“ erarbeiten.
Die Landtagsfraktionen stellen sich auch hinter den Plan der EU, die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten strenger in den Blick zu nehmen und verpflichtende Regeln aufzustellen. Hintergrund sind die Verfahren gegen Polen und Ungarn. Die Kommission und auch das EU-Parlament haben die vorzeitige Pensionierung von Verfassungsrichtern in Polen als Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz kritisiert. Ungarn wird die Einschränkung von Medienfreiheit und demokratischen Grundrechten sowie die Gängelung von Wissenschaftlern vorgeworden.
Daneben unterstützen die fünf Landtagsfraktionen das Ziel, eine gemeinsame europäische Arbeitsbehörde einzurichten. Auch der Plan, vorübergehend wieder Grenzkontrollen an EU-Binnengrenzen einzuführen, wird gutgeheißen. Außerdem wird das Ziel unterstützt, die Arbeit der EU besser öffentlich zu vermitteln.
Thema Ostsee
Das Land unterhält seit 1994 unter den Namen „Schleswig-Holstein-Büro“ oder „Hanse-Office“ Repräsentanzen im Ostseeraum: in Kaliningrad (Russland), Tallinn (Estland), Riga (Lettland) und Vilnius (Litauen). Zudem hat Schleswig-Holstein ein Nutzungsrecht im Hanse-Office Sankt Petersburg, das von Hamburg unterhalten wird. Die Büros unterstützen die Landesregierung und nichtstaatliche Akteure bei Partnerschaftsprojekten, etwa Kultur- und Jugendaustausch, und bei der Kontaktaufnahme mit offiziellen Stellen. Sie helfen bei der Suche nach Partnern für EU-Förderprogramme, geben Rückmeldung über die politische Lage in den jeweiligen Regionen und bahnen Wirtschaftskontakte an.
Träger der Büros sind das Land sowie die „Gesellschaft zur Förderung von Industrie, Handel und Gewerbe in Schleswig-Holstein mbH“, eine Tochter der Kieler Industrie- und Handelskammer. Im Landeshaushalt 2019 sind 60.000 Euro für die Büros veranschlagt. Das Europaministerium lobt die „gute Vernetzung“ und die „wertvolle Arbeit“ der Büros. Allerdings sei die Kontaktaufnahme in Zeiten der Digitalisierung „zusehends weniger auf derartige Dienstleistungen angewiesen“. Entsprechend sei die Zahl der Anfragen „stark rückläufig“. Zwei Ostseebüros wurden bereits geschlossen: Malmö (Schweden) im Jahr 2008 und Danzig (Polen) im Jahr 2017.
Vor diesem Hintergrund ruft die AfD den Landtag und die Landesregierung auf, die Kontakte mit der polnischen Seite wieder zu intensivieren. Eine direkte Kooperation mit den polnischen Bezirken an der Ostseeküste, den Wojewodschaften Westpommern, Pommern und Ermland-Masuren, sei aussichtsreicher als die überregionale Zusammenarbeit in Gremien wie dem Parlamentsforum Südliche Ostsee.
(Stand: 11. Februar 2019)
Vorherige Debatten/Meldung zum Thema:
Januar 2018
April 2018 (ohne Aussprache)
Juni 2018 (Europa-Bericht)