Die Flagge der Europäischen Union weht im Wind.
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Foto: dpa, Marijan Murat
Nach Auffassung der Jamaika-Koalition ist Schleswig-Holstein für den Brexit „gerüstet“ – unabhängig davon, ob der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union mit einem Trennungsabkommen vollzogen wird oder ob er ungeordnet verläuft. Die SPD fordert darüber hinaus, einen Brexit-Beauftragten zu berufen. Er soll Ansprechpartner für Bürger, Kommunen und Unternehmen sein. Das Land müsse „schneller und deutlicher handeln“, mahnte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner.
Das Inselreich ist Schleswig-Holsteins viertgrößter Handelspartner nach Dänemark, den USA und den Niederlanden. Im Jahr 2017 exportierten schleswig-holsteinische Unternehmen Waren im Wert von 1,3 Milliarden Euro nach Großbritannien. Im Gegenzug kamen britische Produkte in Höhe von 1,1, Milliarden Euro ins Land. Stegner befürchtet „Verwerfungen für die Wirtschaft“ durch einen ungeregelten Brexit. Die Unternehmen bräuchten deshalb eine „verlässliche Anlaufstelle“.
Eine „Task Force“ steht bereit
„Wir haben bereits geliefert“, entgegnete Europaministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und verwies auf den Entwurf eines Brexit-Übergangsgesetzes, den die Landesregierung Mitte Januar auf den Weg gebracht hat. Das Regelwerk soll in der Übergangsphase nach dem Brexit, voraussichtlich bis Ende 2020, Kontinuität im Wirtschafts- und Rechtsverkehr mit Großbritannien sicherstellen. In diesem Zeitraum soll das Vereinigte Königreich im Landesrecht weiterhin als EU-Mitglied gelten.
Auch die Rechte der in Schleswig-Holstein lebenden britischen Staatsbürger blieben nach Einschätzung der Landesregierung zunächst im Wesentlichen unverändert. Eine Ausnahme wäre das Kommunalwahlrecht, das für Briten unmittelbar mit dem Austritt entfallen würde. Im Wirtschaftsministerium ist zudem eine „Task Force“ geplant, die im Falle eines harten Brexit betroffenen Unternehmen zur Seite stehen soll.
„Nationalismus“ kontra „Gelassenheit“
Heftigen Streit gab es in der Debatte über die politische Bewertung des Brexit. Rasmus Andresen (Grüne) beklagte den „dumpfen Nationalismus“ und die „Konzeptlosigkeit“ der Brexit-Befürworter. Die „Zukunft der jungen Genration in Großbritannien“ sei bedroht, und dem Königreich drohe die soziale Spaltung. „Die Menschen wurden bewusst hinters Licht geführt“, kritisierte Stephan Holowaty (FDP) die Pro-Brexit-Kampagne vor dem Referendum im Juni 2016. Es habe eine „Abfolge von Falschbehauptungen, Egotrips und Ignoranz“ gegeben. Dies mache vor der Europawahl im Mai deutlich, „was Populisten und Nationalisten wollen“.
„Die Briten holen sich ihr Land zurück“, hielt Jörg Nobis (AfD) dagegen. Er empfahl „Gelassenheit statt Brexit-Hysterie“, denn „ein Leben ohne EU ist möglich“. Nobis bedauerte, dass Europa mit dem Brexit „eine Stimme der Vernunft“ für Freihandel und gegen Zentralismus verliere. Der CDU-Abgeordnete Hartmut Hamerich, der mit einer Engländerin verheiratet ist, machte dem AfD-Fraktionschef daraufhin schwere Vorwürfe: Nobis reihe sich bei denen ein, die den britischen Wählern vor dem Referendum „Lügen“ aufgetischt hätten.
Auch der Bund hat schon vorgesorgt
Jette Waldinger-Thiering (SSW) lobte das Austrittsgesetz des Bundes, das der Bundestag in der Woche vor der Landtagsdebatte beschlossen hatte. Es tritt aber erst in Kraft, wenn der britische Austritt vollzogen ist. Demnach sollen Anträge auf Einbürgerung von Briten in Deutschland in diesem Zeitraum weiter nach EU-Standards möglich sein. Laut dem Statistischen Bundesamt hat sich die Zahl der Briten, die die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, im ersten Jahr nach dem Brexit-Referendum deutschlandweit deutlich erhöht – von 2.900 auf 7.500.
Im Europaausschuss und im Wirtschaftsausschuss wollen die Abgeordneten nun einen gemeinsamen Kurs zum Brexit festlegen.