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25. Januar 2019 – Top 10: Austrittsszenario

Harter Schlagabtausch über den Brexit

Schleswig-Holsteins Behörden sind für den Brexit gewappnet, betont Jamaika. Der EU-Austritt Großbritanniens sorgt dennoch für heftigen Streit im Vorfeld der Europawahl im Mai.

Die Flagge der Europäischen Union weht im Wind.
Die Flagge der Europäischen Union weht im Wind.
© Foto: dpa, Marijan Murat

Nach Auffassung der Jamaika-Koalition ist Schleswig-Holstein für den Brexit „gerüstet“ – unabhängig davon, ob der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union mit einem Trennungsabkommen vollzogen wird oder ob er ungeordnet verläuft. Die SPD fordert darüber hinaus, einen Brexit-Beauftragten zu berufen. Er soll Ansprechpartner für Bürger, Kommunen und Unternehmen sein. Das Land müsse „schneller und deutlicher handeln“, mahnte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner.

Das Inselreich ist Schleswig-Holsteins viertgrößter Handelspartner nach Dänemark, den USA und den Niederlanden. Im Jahr 2017 exportierten schleswig-holsteinische Unternehmen Waren im Wert von 1,3 Milliarden Euro nach Großbritannien. Im Gegenzug kamen britische Produkte in Höhe von 1,1, Milliarden Euro ins Land. Stegner befürchtet „Verwerfungen für die Wirtschaft“ durch einen ungeregelten Brexit. Die Unternehmen bräuchten deshalb eine „verlässliche Anlaufstelle“.

Eine „Task Force“ steht bereit

„Wir haben bereits geliefert“, entgegnete Europaministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und verwies auf den Entwurf eines Brexit-Übergangsgesetzes, den die Landesregierung Mitte Januar auf den Weg gebracht hat. Das Regelwerk soll in der Übergangsphase nach dem Brexit, voraussichtlich bis Ende 2020, Kontinuität im Wirtschafts- und Rechtsverkehr mit Großbritannien sicherstellen. In diesem Zeitraum soll das Vereinigte Königreich im Landesrecht weiterhin als EU-Mitglied gelten.

Auch die Rechte der in Schleswig-Holstein lebenden britischen Staatsbürger blieben nach Einschätzung der Landesregierung zunächst im Wesentlichen unverändert. Eine Ausnahme wäre das Kommunalwahlrecht, das für Briten unmittelbar mit dem Austritt entfallen würde. Im Wirtschaftsministerium ist zudem eine „Task Force“ geplant, die im Falle eines harten Brexit betroffenen Unternehmen zur Seite stehen soll.  

„Nationalismus“ kontra „Gelassenheit“

Heftigen Streit gab es in der Debatte über die politische Bewertung des Brexit. Rasmus Andresen (Grüne) beklagte den „dumpfen Nationalismus“ und die „Konzeptlosigkeit“ der Brexit-Befürworter. Die „Zukunft der jungen Genration in Großbritannien“ sei bedroht, und dem Königreich drohe die soziale Spaltung. „Die Menschen wurden bewusst hinters Licht geführt“, kritisierte Stephan Holowaty (FDP) die Pro-Brexit-Kampagne vor dem Referendum im Juni 2016. Es habe eine „Abfolge von Falschbehauptungen, Egotrips und Ignoranz“ gegeben. Dies mache vor der Europawahl im Mai deutlich, „was Populisten und Nationalisten wollen“.

„Die Briten holen sich ihr Land zurück“, hielt Jörg Nobis (AfD) dagegen. Er empfahl „Gelassenheit statt Brexit-Hysterie“, denn „ein Leben ohne EU ist möglich“. Nobis bedauerte, dass Europa mit dem Brexit „eine Stimme der Vernunft“ für Freihandel und gegen Zentralismus verliere. Der CDU-Abgeordnete Hartmut Hamerich, der  mit einer Engländerin verheiratet ist, machte dem AfD-Fraktionschef daraufhin schwere Vorwürfe: Nobis reihe sich bei denen ein, die den britischen Wählern vor dem Referendum „Lügen“ aufgetischt hätten.

Auch der Bund hat schon vorgesorgt

Jette Waldinger-Thiering (SSW) lobte das Austrittsgesetz des Bundes, das der Bundestag in der Woche vor der Landtagsdebatte beschlossen hatte. Es tritt aber erst in Kraft, wenn der britische Austritt vollzogen ist. Demnach sollen Anträge auf Einbürgerung von Briten in Deutschland in diesem Zeitraum weiter nach EU-Standards möglich sein. Laut dem Statistischen Bundesamt hat sich die Zahl der Briten, die die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, im ersten Jahr nach dem Brexit-Referendum deutschlandweit deutlich erhöht – von 2.900 auf 7.500. 

Im Europaausschuss und im Wirtschaftsausschuss wollen die Abgeordneten nun einen gemeinsamen Kurs zum Brexit festlegen.

Während in London und Brüssel weiterhin die Köpfe rauchen, fordert die SPD-Fraktion in Schleswig-Holstein einen Brexit-Beauftragten. Er soll gemeinsam mit dem Kabinett die Folgen des EU-Austritt Großbritanniens für Schleswig-Holstein im Blick haben und Ansprechpartner für betroffene Bürger sein. Über seine Arbeit soll der Beauftragte dann halbjährlich berichten. Die Sozialdemokraten werben in ihrem Antrag überdies für eine Analyse des Brexit‘ und eine daran anknüpfende Strategieentwicklung für die Kommunen sowie die Wirtschaft und einzelne Bereiche, wie etwa Bildung, Verbraucherschutz oder Aufenthaltsrecht.

Dramatischen Folgen befürchtet

Ursprünglich wollte Großbritannien die Europäische Union am 29. März verlassen. Doch nach der Ablehnung des Brexit-Austrittsabkommens durch das britische Unterhaus am 15. Januar ist weiterhin nicht klar, was als nächstes passiert. So wird in Brüssel auch eine Verschiebung des ungeregelten EU-Austritts nicht mehr ausgeschlossen. Auch der Plan B, den die britische Premierministern Theresa May auf Druck der Opposition am Montag, 21.Januar vorgelegt hat, wird kein Ausweg aufgezeigt. In ihrem mit Spannung erwarteten Plan B wiederholte May nur, sie lote einen Konsens im britischen Parlament aus und wolle dann erneut mit der Europäischen Union reden.

Brüssel schloss Nachverhandlungen über das Austrittsabkommen prompt abermals aus. Allerdings streiten EU-Länder nun erstmals auf offener Bühne, ob es nicht doch Zugeständnisse an London geben soll. So droht weiterhin ein Austritt ohne Abkommen mit dramatischen Folgen für fast alle Lebensbereiche. Vor allem die Wirtschaft befürchtet erhebliche Einbußen.

Brexit-Gesetz in Schleswig-Holstein

Schleswig-Holsteins Landesregierung hat sich nach Ansicht von Europaministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bereits auf alle Brexit-Szenarien vorbereitet. Für den Fall eines geordneten Austritts Großbritanniens aus der EU habe ihr Ministerium einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der vom Kabinett beschlossen worden sei, erklärte die CDU-Politikerin am 16. Januar.

„Mit den geplanten Regelungen wollen wir für Schleswig-Holstein sicherstellen, in der im Austrittsabkommen vorgesehenen Übergangsphase – also bis mindestens Ende 2020 – Kontinuität im Wirtschafts- und Rechtsverkehr mit Großbritannien zu haben“, erläuterte Sütterlin-Waack für den Fall, dass es doch einen geordneten Brexit gibt. „In diesem Zeitraum soll deshalb das Vereinigte Königreich im Landesrecht weiterhin als Mitgliedstaat der Europäischen Union gelten.“ Nach dem Gesetzentwurf blieben besonders auch die Rechte der in Schleswig-Holstein lebenden britischen Staatsbürger im Wesentlichen unverändert. Eine Ausnahme stelle das Kommunalwahlrecht dar, das für britische Staatsangehörige unmittelbar mit dem Austritt entfallen würde.

Brexit-Gesetz in Berlin

Auch der Bundestag hat zwei Tage nach dem Scheitern des Brexit-Vertrags im britischen Unterhaus ein Gesetz zur Regelung des Übergangszeitraums nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU beschlossen. Das Gesetz tritt aber nur in Kraft, wenn der britische Austritt vollzogen ist und die bis Ende 2020 geplante Übergangsphase eintritt. Für die Vorlage stimmten alle Fraktionen außer der AfD.

Hauptziel des Gesetzentwurfs ist es, Rechtsklarheit für Bürger und Unternehmer während der Übergangsphase zu schaffen. So sollen Anträge auf Einbürgerung von Briten in Deutschland und umgekehrt in diesem Zeitraum weiter möglich sein. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Antragstellung, auch wenn die Einbürgerung erst nach Ablauf des Übergangszeitraums erfolgt.

(Stand: 21. Januar 2019)

Vorherige Debatte/Meldung zum Thema:
September 2018 (Brexit-Referendum)
November 2017 (EU-Finanzen)

Antrag

Berufung einer/eines Brexit-Beauftragten
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/1071

Alternativantrag

...der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP – Drucksache 19/1202