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26. September 2018 – Top 15: Trans- und Intersexuelle

Breite Mehrheit für „drittes Geschlecht“

Karlsruhe fordert mehr Freiheit bei der Angabe des Geschlechts in offiziellen Dokumenten. Die Bundesregierung hat einen ersten Entwurf vorgelegt, doch der reicht der Mehrheit im Landtag nicht aus.

Drei Möglichkeiten für einen Geschlechtseintrag, W, M, X, sind auf einem Banner zu sehen.
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© Foto: dpa, Peter Steffen

Allen Menschen soll die Möglichkeit offen stehen, neben „männlich“ und „weiblich“ auch die Geschlechtsangabe „divers“ wählen zu können. Darüber herrscht weitgehende Einigkeit im Landtag, lediglich die AfD äußerte sich skeptisch. Zudem soll die bisher nötige ärztliche Untersuchung entfallen, wenn ein Mensch einen weiblichen gegen einen männlichen Vornamen tauschen möchte oder umgekehrt. Der Landtag geht mit dieser Forderung über den Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums hinaus, der seit August im Bundestag debattiert wird.

Der Bundes-Entwurf sei nur eine „Minimallösung“, monierte Serpil Midyatli (SPD). Er beziehe sich ausschließlich auf Trans- und Intersexuelle und sehe nach wie vor die ärztliche Untersuchung vor. Das gehe aber an der gesellschaftlichen Realität vorbei. Es gebe „einen breiten Konsens, diese Diskriminierung abzubauen“ und die Entscheidung über die geschlechtliche Identität jedem einzelnen zu überlassen, so Midyatli. Sozialminister Heiner Garg (FDP) kündigte an, das Land werde im Bundesrat einer möglichen Änderung des Grundgesetzes zustimmen.

AfD befürchtet „Beliebigkeit“

Frank Brodehl (AfD) kritisierte hingegen, die „freie Wahl über das eigene Geschlecht“ öffne die „Tür Richtung Beliebigkeit“. Die „Wertigkeit von Mann, Frau und Mutterschaft“, die durch das Grundgesetz geschützt sei, dürfe „nicht verwässert werden“.

Grundlage der Debatte waren Anträge von SPD und Jamaika, die eine ähnliche Stoßrichtung hatten. Beide werden in den Ausschüssen für Innen und Recht sowie Soziales weiter beraten. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr. Karlsruhe hatte von der Politik eine „dritte Option“ gefordert. Die Beschränkung auf „männlich“ und „weiblich“ sei diskriminierend. Berlin hat bis Ende dieses Jahres Zeit, die gesetzliche Neuregelung im Personenstandsrecht zu beschließen.

Weitere Redner:
Katja Rathje-Hoffmann (CDU), Rasmus Andresen (Grüne), Dennys Bornhöft (FDP), Flemming Meyer (SSW)

In der Diskussion um die geschlechtliche Selbstbestimmung von inter- und transsexuellen Menschen fordert die SPD eine umfassendere Regelung als jene, die die schwarz-rote Bundesregierung in einem jüngst vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Personenstands verankert hat. So soll der Geschlechtseintrag „divers“ allen Menschen offen stehen – „unabhängig einer medizinischen Diagnose und eines ärztliches Nachweises“, schreibt die Nord-SPD-Fraktion in einem dem Landtag vorgelegten Antrag.

Hintergrund: Nach einigen Kontroversen hatte sich das Kabinett in Berlin darauf geeinigt, dass künftig im Geburtenregister der Eintrag einer dritten Geschlechtsoption möglich sein soll. Der Mitte August vorgelegte Gesetzentwurf sieht neben „männlich“ und „weiblich“ auch den Eintrag „divers“ vor. Die große Koalition setzt damit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017 um. Darin wurde die geltende Regelung als Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes gewertet. Bis Ende 2018 muss die Gesetzesänderung in Kraft treten.

Kritik an ärztlicher Attestierung

Die SPD-Fraktion im Kieler Landtag wünscht jedoch Nachbesserungen. In ihrem Antrag kritisiert sie, dass der Eintrag im Geburtenregister nur Menschen mit „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ offen stehen soll und mutmaßt, dass damit lediglich eine Gruppe von intergeschlechtlichen Menschen gemeint sei. „Der Geschlechtseintrag „divers“ soll aber allen Menschen offen stehen“, also allen intersexuellen Menschen und auch den Transsexuellen „entsprechend ihrer subjektiven Geschlechtsidentität und ohne Vorlage eines ärztlichen Attests“, heißt es in der Begründung des Antrags.

Bei intersexuellen Menschen sind die Geschlechtsmerkmale, also zum Beispiel Chromosomen, Hormone und Genitalien, nicht eindeutig ausgeprägt. Intersexuelle verfügen über männliche und weibliche Merkmale, etwa weibliche Geschlechtsteile und männliche Chromosomen. Transsexuelle haben zwar eindeutige Geschlechtsmerkmale, fühlen sich aber dem anderen Geschlecht zugehörig und somit als Mensch im falschen Körper. Über den Anteil transsexueller Menschen in Deutschland gibt es nur grobe Schätzungen. Sie reichen für Mann-zu-Frau-Transsexuelle von 1 zu 30.000 bis 1 zu 500. Insgesamt haben zwischen 1995 und 2014 knapp 17.300 Menschen ein Änderungsverfahren nach dem Transsexuellengesetz durchlaufen.

SPD-Minister in Berlin regen modernes Gesetz an

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs angekündigt, dass es nun gelte, rasch weitere unzeitgemäße Regelungen für Transsexuelle zu beseitigen. Regelungen sowohl für inter- als auch für transsexuelle Personen sollen demnach in einem weiteren Gesetz unter Federführung des Justiz- und des Innenministeriums erarbeitet werden. Und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) betonte, das derzeit geltende Transsexuellengesetz müsse aufgehoben und durch ein modernes Gesetz zur Anerkennung und Stärkung von geschlechtlicher Vielfalt ersetzt werden. Damit sollten auch Zwangssachgutachten über die geschlechtliche Identität von Menschen künftig nicht mehr zulässig sein, so Giffey.

Auch die „Bundesvereinigung Trans*“ kritisierte, die Bundesregierung habe eine historische Chance vergeben. Es sei zwar zu begrüßen, dass im Gegensatz zur Vorlage des Bundesinnenministeriums nun das Wort „divers“ statt „weiteres“ für den dritten Personenstand benutzt werde. Dass für eine Änderung aber eine medizinische Bescheinigung benötigt werden soll, sei „nicht nachvollziehbar“.

(Stand: 24. September 2018)

Vorherige Debatte zum Thema:
Juni 2018

Antrag

Geschlechtliche Selbstbestimmung für alle Menschen verwirklichen
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/929

Alternativantrag

...der Fraktionen von CDU, Grüne und FDP – Drucksache 19/976
(„Verwirklichung der menschlichen Selbstbestimmung umsetzen“)