In der Diskussion um die geschlechtliche Selbstbestimmung von inter- und transsexuellen Menschen fordert die SPD eine umfassendere Regelung als jene, die die schwarz-rote Bundesregierung in einem jüngst vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Personenstands verankert hat. So soll der Geschlechtseintrag „divers“ allen Menschen offen stehen – „unabhängig einer medizinischen Diagnose und eines ärztliches Nachweises“, schreibt die Nord-SPD-Fraktion in einem dem Landtag vorgelegten Antrag.
Hintergrund: Nach einigen Kontroversen hatte sich das Kabinett in Berlin darauf geeinigt, dass künftig im Geburtenregister der Eintrag einer dritten Geschlechtsoption möglich sein soll. Der Mitte August vorgelegte Gesetzentwurf sieht neben „männlich“ und „weiblich“ auch den Eintrag „divers“ vor. Die große Koalition setzt damit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017 um. Darin wurde die geltende Regelung als Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes gewertet. Bis Ende 2018 muss die Gesetzesänderung in Kraft treten.
Kritik an ärztlicher Attestierung
Die SPD-Fraktion im Kieler Landtag wünscht jedoch Nachbesserungen. In ihrem Antrag kritisiert sie, dass der Eintrag im Geburtenregister nur Menschen mit „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ offen stehen soll und mutmaßt, dass damit lediglich eine Gruppe von intergeschlechtlichen Menschen gemeint sei. „Der Geschlechtseintrag „divers“ soll aber allen Menschen offen stehen“, also allen intersexuellen Menschen und auch den Transsexuellen „entsprechend ihrer subjektiven Geschlechtsidentität und ohne Vorlage eines ärztlichen Attests“, heißt es in der Begründung des Antrags.
Bei intersexuellen Menschen sind die Geschlechtsmerkmale, also zum Beispiel Chromosomen, Hormone und Genitalien, nicht eindeutig ausgeprägt. Intersexuelle verfügen über männliche und weibliche Merkmale, etwa weibliche Geschlechtsteile und männliche Chromosomen. Transsexuelle haben zwar eindeutige Geschlechtsmerkmale, fühlen sich aber dem anderen Geschlecht zugehörig und somit als Mensch im falschen Körper. Über den Anteil transsexueller Menschen in Deutschland gibt es nur grobe Schätzungen. Sie reichen für Mann-zu-Frau-Transsexuelle von 1 zu 30.000 bis 1 zu 500. Insgesamt haben zwischen 1995 und 2014 knapp 17.300 Menschen ein Änderungsverfahren nach dem Transsexuellengesetz durchlaufen.
SPD-Minister in Berlin regen modernes Gesetz an
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs angekündigt, dass es nun gelte, rasch weitere unzeitgemäße Regelungen für Transsexuelle zu beseitigen. Regelungen sowohl für inter- als auch für transsexuelle Personen sollen demnach in einem weiteren Gesetz unter Federführung des Justiz- und des Innenministeriums erarbeitet werden. Und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) betonte, das derzeit geltende Transsexuellengesetz müsse aufgehoben und durch ein modernes Gesetz zur Anerkennung und Stärkung von geschlechtlicher Vielfalt ersetzt werden. Damit sollten auch Zwangssachgutachten über die geschlechtliche Identität von Menschen künftig nicht mehr zulässig sein, so Giffey.
Auch die „Bundesvereinigung Trans*“ kritisierte, die Bundesregierung habe eine historische Chance vergeben. Es sei zwar zu begrüßen, dass im Gegensatz zur Vorlage des Bundesinnenministeriums nun das Wort „divers“ statt „weiteres“ für den dritten Personenstand benutzt werde. Dass für eine Änderung aber eine medizinische Bescheinigung benötigt werden soll, sei „nicht nachvollziehbar“.
(Stand: 24. September 2018)
Vorherige Debatte zum Thema:
Juni 2018