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26. September 2018 – Top 20: Inklusive Bildung

Nach Oppositionskritik: Jamaika bekennt sich zur Inklusion

Eine Pressemitteilung der Bildungsministerin bringt die Opposition in Wallung. Am Ende steht ein breites Bekenntnis zum gemeinsamen Lernen und zu mehr Qualität in diesem Bereich.

Eine Schülerin mit Behinderung sitzt in ihrem Rollstuhl im Klassenraum einer Integrierten Gesamtschule in Hannover.
Eine Schülerin mit Behinderung sitzt in ihrem Rollstuhl im Klassenraum einer Integrierten Gesamtschule in Hannover.
© Foto: dpa, Holger Hollemann

SPD und SSW warnen die Jamaika-Koalition davor, vom Ziel der Inklusion in der Bildungspolitik abzurücken. „Inklusive Bildung ist ein Menschenrecht“, betonte der Sozialdemokrat Martin Habersaat und forderte ein entsprechendes Bekenntnis aus dem Regierungslager. Jamaika stelle dieses Ziel „immer wieder in Frage“, so Habersaat. Die Redner von CDU, Grünen und FDP wiesen den Vorwurf vehement zurück und lehnten den Oppositionsantrag ab.

Anlass der Debatte war eine Pressemitteilung von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) vom 3. September. In der Überschrift heißt es: „Inklusion ist kein Selbstzweck.“ Damit stelle die Ministerin die Verpflichtung in Frage, die Schleswig-Holstein mit der UN-Behindertenrechtskonvention übernommen habe, mahnte Habersaat. Im Norden lernten inzwischen 70 Prozent der Schüler mit Behinderung an Regelschulen. Diesen bundesweiten Spitzenwert sieht Habersaat gefährdet.

„Quote heißt nicht Qualität“

„Die Inklusionsquote alleine sagt noch nichts über die Qualität“, entgegnete Ministerin Prien und wandte sich gegen „ideologisch aufgeladene Debatten“. Inklusion sei ein „schwieriger, herausfordernden Prozess“. Es gehe darum, „zu schauen, was für jeden einzelnen Schüler das Beste ist“.

Auch die Koalitionsabgeordneten bekannten sich zum Ziel der inklusiven Bildung, betonten aber, dass dafür viele kleine Schritte nötig seien. „Mehr Qualität erfordert mehr Platz, Personal und Professionalität“, merkte Anette Röttger (CDU) an. Ines Strehlau (Grüne) stellte klar: „Wir legen uns weiter enorm ins Zeug. Wir stellen jedes Jahr 70 neue Sonderpädagogen ein.“ Und FDP-Fraktionschef Christopher Vogt forderte „Rücksicht auf die Bedürfnisse des einzelnen Kindes“. Bei manchen Formen von Behinderung sei eine individuelle Förderung nötig, „die in einer Regelschule nicht möglich ist“. Deswegen werde es auch weiterhin Förderzentren geben.  

Inklusion „überstürzt eingeführt“

Frank Brodehl (AfD) monierte, die Inklusion sei im Lande „überstürzt und ohne tragfähiges Konzept“ eingeführt worden. Um eine möglichst hohe Inklusionsquote zu erreichen, sei „Quantität vor Qualität“ gegangen, sagte Brodehl, der selbst Sonderpädagoge ist. Jette Waldinger-Thiering (SSW) hielt dagegen: „Bildung für alle ist der Schlüssel für eine gerechte Gesellschaft.“ Sie plädierte für ein „Schulsystem, das Kinder nicht trennt und in Schubladen steckt“.

Die SPD-Fraktion wirft dem Jamaika-Bündnis einen Bruch mit der Selbstverpflichtung Deutschlands zum Inklusionsgedanken der Vereinten Nationen für Menschen mit Behinderung vor. Kern der Kritik ist eine mit „Inklusion ist kein Selbstzweck“ betitelte Pressemitteilung von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) vom 3. September. Die Veröffentlichung entspreche nicht der internationalen Übereinkunft für ein „integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und (zu) lebenslangem Lernen“ – und sei so auch „nicht mit der Grundsatzposition des Landtages vereinbar“, moniert die SPD.

Mit dem vorgelegten Antrag fordert sie ein klares Bekenntnis des Landesparlaments zu dem Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention, in dem das diskriminierungsfreie Recht behinderter Menschen auf Bildung anerkannt wird. Bei der öffentlichen Vorstellung des Antrages warf der Bildungspolitiker der SPD, Martin Habersaat, der Landesregierung ein falsches Vorgehen bei der Inklusion in Schleswig-Holstein vor. „Aus unserer Sicht machen CDU, FDP und Grüne derzeit gravierende Fehler“, sagte Habersaat gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Zu der Aussage von Prien „Inklusion ist kein Selbstzweck“ sagte er: „Man stelle sich vor, sie hätte irgendein anderes Menschenrecht so abqualifiziert.“

Mehr Qualität statt Quantität

Laut Bildungsministerium liegt die Inklusionsquote derzeit bei rund 70 Prozent und sei damit quantitativ weit fortgeschritten. Allerdings herrscht in der Landespolitik mittlerweile weitgehend Einigkeit, dass bei der gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung mehr Wert auf die Qualität als auf die Quantität gelegt werden müsse. Im Juni hat der Landtag vom Bildungsministerium bereits einen Bericht zur Inklusion an Schulen angefordert, um etwa Zielperspektive und Umsetzungsgeschwindigkeit des schulischen Inklusion-Prozesses an die tatsächlichen Gegebenheiten besser anpassen zu können.

Auch Bildungsministerin Prien hatte Anfang September in ihrer Pressemitteilung eingeräumt, dass es zu wenige Sonderpädagogen im Bereich der 2010 im schleswig-holsteinischen Schulgesetz verankerten inklusiven Beschulung gibt. „So sei es zwar durchaus sinnvoll gewesen, die Lehrkräfte an den Grundschulen mit schulischen Assistenzen zu unterstützen, aber auf die Dauer könnten diese nicht die Arbeit von qualifizierten Sonderpädagogen übernehmen“, ließ sie wissen. Sie wies daraufhin, dass die Landesregierung die Zahl der Sonderpädagogen bis 2024 um jährlich 70 Stellen aufstocken wolle. Die Zahl der Studienplätze für Sonderpädagogik seien von 120 auf 160 erhöht worden.

(Stand: 24. September 2018)

Vorherige Debatte / Meldung zum Thema:
Juni 2018 (Berichtsantrag)
März 2018 (Teilhabegesetz) 

Antrag

Inklusive Bildung ist ein Menschenrecht
Antrag der Fraktion der SPD und der Abg. des SSW – Drucksache 19/944(neu/2. Fassung)