In einer fast zweistündigen Europadebatte sind die Positionen im Landtag zu der Zukunft Europas weit auseinander gegangen. Angesichts der Einnahmeausfälle durch den Austritt Großbritanniens aus der EU und den zunehmenden Aufgaben wie der Grenzsicherung erwartet Europaministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) insbesondere bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen für die Jahre 2021 bis 2027 in Brüssel eine „heftige und langwierige Debatte“. In der Aussprache gingen die Positionen im Landtag weit auseinander. Während die SPD in der derzeitigen Krise der EU die Chance für einen Neuanfang sieht, prophezeit die AfD ein Scheitern des Verbundes.
Der siebenjährige EU-Finanzrahmen läuft 2020 aus. Im Mittelpunkt der Debatte stand die Frage, wer künftig die Einnahmeausfälle durch den Brexit und die Kosten für die Mehrbelastungen bezahlt. Die Verhandlungen stünden noch ganz am Anfang, sagte Sütterlin-Waack. Sie betonte zugleich, geplante Einschnitte bei der Kohäsionspolitik halte sie für „nicht zielführend“. In Schleswig-Holstein sei vor allem die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Dänemark ein wichtiger Bestandteil dieses Themenfeldes, der weitergeführt werden müsse.
CDU geht von 20 Prozent weniger Geld aus
„Einnahmen fallen weg, neue gemeinschaftliche Aufgaben kommen hinzu. Aufgaben, die wir europäisch bewältigen müssen“, schloss Regina Poersch (SPD) an. Sie forderte, die „soziale Dimension“ müsse ausgebaut werden: „Nicht nur weil Schleswig-Holstein in erheblichem Maß von den Mitteln aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds profitiert – in der aktuellen Förderperiode fließen 800 Millionen Euro nach Schleswig-Holstein –, sondern weil wir ein starkes Interesse an einem starken Europa haben müssen, in dem der soziale Frieden die Grundlage ist für gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirtschaftlichen Wohlstand.“
Mit einem Einschnitt von 20 Prozent bei den EU-Mitteln rechnet Hartmut Hamerich (CDU). Er sprach sich dafür aus, Zahlungen künftig an die Rechtstaatlichkeit in den Mitgliedsländern zu koppeln. „Das hieße dann Kürzungen bei osteuropäischen Ländern“, sagte er.
FDP: Verwaltung zu teuer und ineffizient
Rasmus Andresen (Grüne) unterstützte Forderungen der EU, 1,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes zur Verfügung zu stellen. Kommunen sollten beispielsweise stärker direkt unterstützt werden, wenn sie wichtige Zukunftsaufgaben wie die Klimaziele oder die Integration angehen, forderte er.
Europa habe sein eigentliches Problem auf der Ausgabenseite, erklärte Stephan Holowaty (FDP). Die höchsten Ausgaben fielen bei der Landwirtschaft und der Kohäsion an. „Das System heute schafft Abhängigkeiten für Menschen und für Regionen. Für viele Landwirte ist der Betrieb ohne EU-Subventionen nicht mehr denkbar, für viele andere sind Landwirtschaftssubventionen der Grund allen Übels in Europa“, sagte er. Zudem sei die Europäische Verwaltung zu teuer und ineffizient.
AfD für ein „Europa der Vaterländer“
Die AfD sprach sich für „ein Europa der Vaterländer“ aus. Dabei solle die EU eine deutlich geringere Rolle spielen. „Wir wollen zurück zu Subsidiarität und souveränen Nationalstaaten und nicht ein bürokratisches Ungetüm“, so Nobis.
Jette Waldinger-Thiering (SSW) hob hingegen die zunehmende Bedeutung Europas für die deutschen Bundesländer hervor. Auch ein kleines Land wie Schleswig-Holstein sei groß genug, um erfolgreiche und anerkannte Europapolitik auf die Beine zu stellen, etwa bei der Ostseekooperation, bei der Zusammenarbeit mit Dänemark, im Nordischen Rat oder bei der Mitgestaltung europäischer Politik in und mit Berlin oder Brüssel.
Jamaika fordert Strategie für Schulen
Abgelehnt wurde ein im November vergangenen Jahres von der SPD vorgelegter Antrag zu den künftigen EU-Finanzen. Die Sozialdemokraten wendeten sich unter anderem gegen eine Kürzung des EU-Haushalts und einer Absenkung der Mitgliedsbeiträge auf unter ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Ebenfalls keine Mehrheit fand ein Antrag der SPD für eine stärkere Unterstützung der Europaschulen im Land durch mehr Geld, Ermäßigungsstunden für Europalehrer und „Assistant Teachers“ aus dem europäischen Ausland. CDU, Grüne und FDP bitten in einem Alternativantrag stattdessen die Landesregierung um eine „Internationalisierungsstrategie für Schleswig-Holsteins Schulen“. Dabei sollen unter anderem Projekte wie Erasmus+, Interreg oder Schulpartnerschaften weiterentwickelt werden.